Marktplatzangebote
15 Angebote ab € 0,63 €
  • Gebundenes Buch

Dieser Mann ist ein Gewinner. Deshalb vertreibt er sich, gerade achtzig geworden, die Zeit mit Preisausschreiben. Vor allem aber lebt er in seinen Erinnerungen. Schon in der Schule war seine Liebe zu den Frauen größer als die zur Mathematik. Er arbeitete in einer Reifenwerkstatt und als Fensterputzer, bis er eines Morgens die Papiere eines tödlich verunglückten Motorradfahrers fand. Da verwandelte sich der junge Kent Andersson aus Schweden in Dr. Kurth Wasser, den DDR-Flüchtling und approbierten Arzt. Der ist als Schlafforscher ebenso begabt wie als Womanizer. Irgendwo zwischen Hochstapler und…mehr

Produktbeschreibung
Dieser Mann ist ein Gewinner. Deshalb vertreibt er sich, gerade achtzig geworden, die Zeit mit Preisausschreiben. Vor allem aber lebt er in seinen Erinnerungen. Schon in der Schule war seine Liebe zu den Frauen größer als die zur Mathematik. Er arbeitete in einer Reifenwerkstatt und als Fensterputzer, bis er eines Morgens die Papiere eines tödlich verunglückten Motorradfahrers fand. Da verwandelte sich der junge Kent Andersson aus Schweden in Dr. Kurth Wasser, den DDR-Flüchtling und approbierten Arzt. Der ist als Schlafforscher ebenso begabt wie als Womanizer. Irgendwo zwischen Hochstapler und Glückspilz erfindet er sich immer wieder neu - und steht uns dabei vielleicht näher als wir denken.
Autorenporträt
Verena Reichel, 1945 geboren, wurde für ihre Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis. Sie übersetzte u.a. Ingmar Bergman, Katarina Frostensen, Lars Gustafsson, Henning Mankell, Anna-Karin Palm, Hjalmar Söderberg und Märta Tikkanen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

"Ein spätes Meisterwerk" nennt Rezensentin Judith von Sternburg den neusten und letzten Roman des kürzlich verstorbenen Lars Gustafsson. Wie immer in Gustafssons Büchern, entfalte auch die Geschichte des Hochstaplers Doktor Wasser ihre Faszinationskraft durch das Spiel mit Wahrheit und Schwindelei. Für den hochbegabten jungen Romanhelden scheint nichts trauriger als ein "gewöhnliches Leben", weswegen er kurzerhand, als sich ihm die Möglichkeit bietet, zum Schlafforscher Kurth Wasser wird. In dieser sprachlich schwerelosen Erzählung hat der Autor merklich Spaß daran, seine Leser irre zu führen mit offenen Enden, Sackgassen und fehlenden Erklärungen, was die Rezensentin sich jedoch gerne gefallen lässt. Dabei schwängen, ohne zu beschweren, trotz aller Heiterkeit immer auch die großen Themen Gustafssons wie die "Beliebig- und Sinnlosigkeit" der menschlichen Existenz mit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2016

Die Kunst der
gewieften Verführung
Lars Gustafssons letzter Roman „Doktor Wassers Rezept“
Doktor Kurth Wasser war ein Lügner, ein berufsmäßiger Betrüger und Hochstapler. Dass es so weit kam, ist freilich nicht Kurth Wassers Schuld, sondern die des Mannes, der in Wassers Identität schlüpfte, sich fortan mit Erfolg als Mediziner ausgab und der sogar zu einer Kapazität auf dem Feld der Schlafforschung avancierte. Die Lebenserzählung von Kent Andersson, der eines Tages verschwand, um als Kurth Wasser Auferstehung zu feiern, erinnert ein wenig an Gert Postel, den gelernten Postzusteller, der sich mit Geschick in einen leitenden Klinikarzt verwandelte. Gute Manieren und ein hübsches Gesicht halfen hier wie dort, die Illusion in Wirklichkeit zu verwandeln. Hochstapler sind oft in Tateinheit auch Verführer.
  Am Wochenende ist Lars Gustafsson im Alter von 79 Jahren gestorben. In diesem kleinen, klugen Roman, dem letzten, den er zu Lebzeiten veröffentlicht hat, breitet er die Verwandlung Anderssons zu Doktor Wasser genüsslich aus. Schon immer hat sich Gustafsson für die Lüge als theoretischem Sachverhalt interessiert. Seine philosophische Habilitationsschrift „Sprache und Lüge“ galt der Sprachphilosophie bei Nietzsche, Fritz Mauthner und Alexander Bryan Johnson. Man kann aus der Lüge eine Lebensform machen und in ihr ein „Gewinner“ werden, wenn man sich an Doktor Wassers Rezept hält. Das jedenfalls ist dessen Zwischenbilanz kurz nach seinem achtzigsten Geburtstag. Kurth Wasser gewinnt immer, vor allem Preisausschreiben. Er kommt nicht über den Kampf zum Sieg, wie das Olympioniken geraten wird, sondern er gewinnt ganz ohne Kampf. So ist das, wenn man ein Siegertyp ist. Der Rollentausch mit sozialem Aufstieg hätte sich nicht bewerkstelligen lassen, wenn der Mann, der Wasser wurde, kein Erotiker gewesen wäre.
  Im Alter erinnert er sich gern an seine Gabe, Frauen für sich einzunehmen, und dies ohne den geringsten Aufwand. Es geschah fast von allein, dass sie ihm verfielen, Frauen wie die rothaarige Caroline Sundborn, die „Freundin und Forschungspolitikerin, die mir die Chance gab, in die Schlafforschung einzusteigen.“ Ohne ihre Nachsicht, was Wassers akademische Verdienste anging, wäre die Verwandlung des jungen Gelegenheits-Motorradmechanikers in den renommierten Facharzt nicht geglückt.
  Wenn es so ist, dass die Verführer mithilfe einer Täuschung ihr Ziel erreichen, aber doch ohne den Willen der Verführten zu brechen, wenn sie gleichsam den Verführten den Gefallen tun, ihnen glauben zu dürfen – sind dann Verführung und ihr krimineller Bruder, der Betrug, wirklich zu verachten? In fortgeschrittenem Alter möchte sich Doktor Wasser die Dinge noch einmal so zurecht legen, wie sie ihm gefallen, und für diese Art der Selbst-Verführung hat er allemal das Talent: „Was meinen wir eigentlich mit Verführung? Eine Person dazu zu bringen, etwas zu wollen, was sie ohnehin will? Den Willen eines anderen zu übernehmen? In meinem Leben ist es meistens so gewesen, dass beide wollten. Und eigentlich war es nur die Frage, wer es zuerst zeigen wollte: sie oder ich.“ Aber ist nicht der falsche Arzt ein wirklicher Betrüger? Doktor Wasser rechtfertigt sich damit, dass man in der Schlafforschung ja nicht viel falsch machen könne. Hier sind kaum Behandlungsfehler möglich, aber dennoch, Betrug ist, wie sich Wasser eingesteht, ein „ernsthaftes Verbrechen“. Der Unwille, damit aufzufliegen, hält die Verstellungskunst auf Trab.
  Man muss geschickt sein als Betrüger, vor allem dann, wenn man in eine fremde Identität schlüpft. Doktor Wasser stammte aus der DDR und war nach Schweden emigriert, wo er dann eines Tages mit dem Motorrad verunglückte. Der junge Kent muss nun neben den medizinischen Kenntnissen auch die ostdeutsche Herkunft und das deutsch eingefärbte Schwedisch Doktor Wassers einstudieren, keine leichte Aufgabe, aber eine lohnende, und die Begabung liegt in der Familie. „Eigentlich waren wir im Anderssonschen Kreis schon immer ziemlich gewiefte Lügner“, erinnert sich der alte Mann. Lügen im gewieften Sinn bedeutet, sich ziemlich schnell passende Geschichten ausdenken zu können, die andere mit der Wahrheit verwechseln. Kent Andersson hat, wie ihm in der Schulzeit bewusst wird, ein eidetisches Gedächtnis. Er kann in eingebildeten Welten dreidimensional herumspazieren. Was macht man mit einer solchen Gabe? Man könnte Romane schreiben, Kent aber zieht es in die Wissenschaft. „Ich kann“, sagt er von sich, „den Eindruck erwecken, in Zusammenhänge zu gehören, in denen ich eigentlich nichts zu suchen habe“, beispielsweise in den Zusammenhang der Schlafforschung. Wo wäre ein Illusionist besser aufgehoben als in der wissenschaftlichen Untersuchung des Nichtwachseins?
  Nicht, dass Doktor Wasser nicht gelegentlich von der Angst angefallen worden wäre, enttarnt zu werden. Einmal hat sich am Klinikempfang ein Mann gemeldet und als der wahre Kurth Wasser ausgegeben. Ein andermal hat er einen merkwürdigen Anruf von Caroline Sundborn erhalten, der Frau, die seine Karriere unterstützte. Aber bald darauf ist Caroline gestorben und es blieb doch alles unentdeckt. Kurth Wasser ist eben ein Siegertyp, und das ist auch schon sein Rezept. „Von wem habe ich die Kunst des Betrugs gelernt?“, fragt er sich nicht ohne Stolz. „Diese schwierige Kunst? (. . .) Die Menschen füllen Lücken gerne aus. Das ist eigentlich nicht so merkwürdig. Leben ist eine sinnstiftende Aktivität. Leben heißt zu deuten.“ Wie viele Kurth Wassers mögen unter uns leben, verdiente Meister ihrer Zunft und noch größere Künstler der Verstellung? Lars Gustafsson jedenfalls schien von Doktor Wasser und seinem außermoralischen Lebens-Rezept alles andere als unbeeindruckt gewesen zu sein.
CHRISTOPH BARTMANN
In der Schlafforschung kann man
zum Glück nichts falsch machen
Kurth Wasser ist ein Siegertyp,
aber ganz ohne Kampf
            
  
  
Lars Gustafsson: Doktor Wassers Rezept. Roman.
Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Carl Hanser Verlag, München 2016. 144 Seiten, 17,90 Euro. E-Book 13,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
"Kurth Wassers (und Lars Gustafssons) Philosophie wird durchzogen vom lakonischem Optimismus des Nichtverdrängers: Es führt alles zu nichts, aber das ist nicht schlimm. Sprachlich kommt 'Doktor Wassers Rezept' leicht wie ein Federballspiel daher, das die Übersetzerin Verena Reichel problemlos mitspielt." Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 14.06.16

"Im Roman begegnen wir noch einmal all dem, was wir seit Jahren an Lars Gustafssons Werk lieben." Manfred Papst, NZZ am Sonntag, 24.04.16

"Ein letztes Mal hat uns Lars Gustafsson mit dem Genie seines literarischen Spielwitzes und seines intellektuellen Freibeutertums beschenkt." Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung, 09.04.16

"Ein kleiner, kluger Roman." Christoph Bartmann, Süddeutsche Zeitung, 05.04.16

"Man könnte 'Doktor Wassers Rezept' einen Hochstaplerroman nennen, einen wesentlich substanzielleren als Thomas Manns Fragment über Felix Krull. ... Der inzwischen verstorbene schwedischen Autorist in dieser Hochstaplergeschichte noch einmal zu großer Form aufgelaufen." Jochen Schimmang, die tageszeitung, 05.04.16

"Ein erotischer Hochstapler-Roman ... In diesem Buch ist alles versammelt, was wir an Lars Gustafsson so liebten - dass er literarisch wie philosophisch aufs Ganze ging und dabei das Persönliche nicht aussparte." Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung, 04.04.16

"Lars Gustafssons spätes Meisterwerk. ... Gustafssons Roman über einen Menschen, der sein eigenes Leben wie einen Roman lebt, entwirft ein schönes philosophisches Spiel rund um Identität und Nichtidentität, Lug und Trug, Freiheit und Determination, über 'Zeit und Zeiterleben': ein wahres Lesevergnügen." Claus-Ulrich Bielefeld, Die Welt, 29.03.16

"... was für ein herrlich vergnügliches und kluges Buch über das Leben und die Liebe, das Schreiben und über die Lüge und die Wahrheit." Kirsten Martins, Bayern 2 - Diwan Büchermagazin, 09.04.2016
…mehr