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Zwischen Wolken und Meer, zwischen Romantik und Moderne - Jochen Missfeldt schildert das Leben eines der berühmtesten Dichter und Erzähler, die Deutschland im 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Mit seinen Gedichten gab Theodor Storm in der Generation nach Eichendorff, Heine und Mörike den Ton an. Storms Novellen - von "Immensee" über "Pole Poppenspäler" bis zum "Schimmelreiter" - berühren bis heute die Leser aller Generationen. Streng faktenbasiert erzählt Missfeldt, selber fest in Schleswig-Holstein verwurzelt, die Biografie dieses Zerrissenen, der als Rechtsanwalt arbeitete, das…mehr

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Produktbeschreibung
Zwischen Wolken und Meer, zwischen Romantik und Moderne - Jochen Missfeldt schildert das Leben eines der berühmtesten Dichter und Erzähler, die Deutschland im 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Mit seinen Gedichten gab Theodor Storm in der Generation nach Eichendorff, Heine und Mörike den Ton an. Storms Novellen - von "Immensee" über "Pole Poppenspäler" bis zum "Schimmelreiter" - berühren bis heute die Leser aller Generationen. Streng faktenbasiert erzählt Missfeldt, selber fest in Schleswig-Holstein verwurzelt, die Biografie dieses Zerrissenen, der als Rechtsanwalt arbeitete, das musikalisch-kulturelle Leben seiner Heimatstadt Husum prägte und mit den großen Schriftstellern seiner Zeit in Verbindung stand.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, L ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Jochen Missfeldt, geboren 1941 in Satrup / Schleswig, hat seine Heimat zwei Jahrzehnte lang auch als Pilot von Aufklärungsflugzeugen betrachtet, bevor er in Kiel Musikwissenschaften, Philosophie und Volkskunde studierte. Er veröffentlichte Gedichte und Erzählungen, die Romane Solsbüll (1989), Gespiegelter Himmel (2001) und Steilküste (2005). Den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis erhielt er 2002, den Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein 2006, den Theodor-Storm-Preis 2010. Er lebt in Nordfriesland.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das wirklich einzige, was Burkhard Müller an Jochen Missfeldts Storm-Biografie "Du graue Stadt am Meer" auszusetzen findet, ist, dass Storms Werk ein bisschen kurz kommt, Missfeldt widmet sich in seinem Buch mehr dem Menschen als dem Dichter. Dies tut er aber so elegant und stilsicher, dass Müller es ihm nicht verübeln möchte. Der Autor sieht Theodor Storm "vor allem als Landsmann", der wie er selbst eine tiefe Bindung zu seiner Heimat Schleswig-Holstein verspürte, auch wenn der Dichter die seine mit einer tiefen Abneigung gegenüber Preußen verband, vor allem aufgrund der "Bismarck'schen Vereinigungspolitik", erfährt Müller. Angenehm findet der Rezensent, dass Missfeldt zahlreiche Zeitgenossen Storms zu Wort kommen lässt, befreundete Schriftsteller wie Theodor Fontane ebenso wie Familienmitglieder, auf diese Weise entstehe ein sehr persönliches Bild des Dichters. Missfeldt enthält sich auch nicht gänzlich in moralischen Angelegenheiten, wie etwa Storms Vorliebe für Kindfrauen oder seine arg patriarchalische Rolle in der eigenen Familie. Allerdings urteilt der Autor Storm nie ab, lobt der Rezensent, Missfeldt nimmt Storms Fehler wie die eines Familienmitgliedes gelassen hin, erklärt er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2013

Wie ein Komet stürzt die Stadt in die Nordsee
Packende Sprache, poetische Freiheit, verstörender Charakter: Der Erzähler Jochen Missfeldt hat eine Biographie Theodor Storms geschrieben

Zunächst ist nicht von Storm selbst, sondern von Jochen Missfeldt zu sprechen, der in seinen ersten Lebensjahrzehnten nicht davon geträumt haben dürfte, einmal Verfasser einer schwergewichtigen Biographie des Husumer Dichters zu werden. Missfeldt, 1941 im schleswig-holsteinischen Satrup geboren, machte als Luftwaffenoffizier Erfahrungen der technikbestimmten Realität, als Pilot des sagenhaften, höchst absturzgefährdeten Starfighters. Nach seinem Ausscheiden, 1982, markierte der Beginn eines Studiums der Musikwissenschaft, Philosophie und Volkskunde eine Wende. Bekannt aber wird Missfeldt als Schriftsteller, als Autor von "Fliegergeschichten", durch Erzählbände wie "Zwischen oben und unten" (1982) und Romane wie "Solsbüll" (1989) und "Gespiegelter Himmel. Titanvogeltage" (2001) sowie durch Gedichtsammlungen. Er ist also selbst Poet und Erzähler, und das drückt dieser Storm-Biographie seinen Stempel auf.

Schon die Anfangssätze der Biographie vermitteln heutige Eindrücke von Stadt, Landschaft und Meer, von Marsch und Geest, in deren Genauigkeit sich impressionistischer Sensualismus mischt und die zugleich etwas von der Atmosphäre Stormscher Novellenanfänge einfangen. Manches wird aus der Vogelperspektive gesehen, der Starfighter-Pilot gibt sich jetzt bescheidener: "Wie ein Komet stürzt die Stadt in die Nordsee, so mag der Segelflieger es von seiner Warte sehen."

Momente der Poetisierung beeinträchtigen aber nicht die Forscherenergie des Biographen. Durchzuforsten waren fast dreißig Ausgaben von Briefen und Briefwechseln Storms. Drei Bände umfasst der Briefwechsel mit dem klassizistischen Erzähler Paul Heyse, der als erster deutscher Dichter 1910 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Herausragend noch die Briefwechsel mit dem Freund aus der Kieler Studienzeit, dem Historiker Theodor Mommsen, mit Theodor Fontane, Klaus Groth, dem Ehepaar Mörike, mit Gottfried Keller und dem befreundeten Literaturhistoriker Erich Schmidt. Storm war im Kreis der literarischen Prominenz gut vernetzt - merkwürdig resonanzlos bleiben bei ihm zeitgenössische Romanautoren wie Wilhelm Raabe und Fritz Reuter.

Fast zwanzig Storm-Biographien und eine Fülle von Sekundärliteratur lagen im Vorfeld, dennoch ist das Ergebnis der Recherchen Missfeldts überwältigend. Über ganze Abschnitte des Buches hinweg gelingt die Rekonstruktion fast eines jeden Tages im Leben Storms. Zunächst scheint sich Missfeldt in Familiengeschichten zu verheddern, aber sie werden alle bedeutsam werden für das Leben der eigenen Familie des Autors. Sein Vater, Johann Casimir, ein Mann des sehr wohlhabenden Bürgertums, konnte seinem Sohn noch lange über finanzielle Engpässe hinweghelfen, obwohl er Bedenken gegen Theodors Heirat mit seiner Kusine Constanze Esmarch hatte. Seine Furcht vor dem möglichen Erbfluch sollte so unberechtigt nicht sein. Angehörige beider Familien endeten in der Psychiatrie.

Theodor Storm lebte bis zuletzt in Sorge um seinen haltlosen, trunksüchtigen Sohn Hans, der an einer Geschlechtskrankheit laborierte und erst nach mehreren Anläufen sein medizinisches Studium abschloss, dann von Arztstelle zu Arztstelle vagabundieren musste. Unbezweifelt ist Storms soziale Hilfsbereitschaft. Aber einer Legende setzt Missfeldts Biographie ihre Grenzen. Eine Urenkelin Storms, die bekannte Schriftstellerin Ingrid Bachér, hat in ihrem Roman "Woldsen oder Es wird keine Ruhe geben" (1982) Hans Storm als einen Aufsässigen idealisiert, der jeder Anpassung an die reputierliche Gesellschaft, deren Druck sich nach der Reichsgründung von 1871 noch verschärfte, widerstanden habe. Die Tatsachen, die Missfeldt ermittelte, sprechen eine etwas andere Sprache.

Aber nicht die der Ehrenrettung Theodor Storms. Nichts liegt ihm ferner, als den Dichter in einer Hagiographie zu feiern. Er bringt seine Sicht so auf den Punkt: "Storms Sprache hat mich gepackt und nicht losgelassen, als Charakter hat er mich verstört und vor den Kopf gestoßen." Immerhin sieht er im Lyriker einen der Großen des Jahrhunderts, im Erzähler einen Vorläufer der Moderne. Andererseits geht er mit Storms Erzählweise mehrfach scharf ins Gericht, etwa nach dem Muster der Kritik an der Novelle über ein Mischlingsmädchen aus der Karibik: Sie führte schließlich "in ihr ,Happy End' aus Kitsch und Konvention". Missfeldt moralisiert nicht über Storms Taktlosigkeit, sich schon im ersten Jahr seiner Ehe in eine Liebesaffäre einzulassen (mit Doris Jensen, die nach Constanzes Tod seine zweite Frau wird). Aber er retuschiert auch nicht das Besitzdenken Storms, zumal seine neurotischen Eifersuchtsausbrüche. Andererseits muss er dem "Hypochonder" mit seinen Schwermutsanfällen manches nachsehen.

Zu einem bewegenden Kapitel der Biographie macht Missfeldt die Vorgänge um den Tod der Frau Storms. Im Mai 1865 bringt Constanze, bei schlechter körperlicher Verfassung, ihr siebtes Kind zur Welt (Gertrud, die spätere Biographin des Vaters). Der Geburt folgen ohnmachtsartige Zustände. Und eine neue Aufwartefrau trägt das in Husum grassierende Kindbettfieber ins Haus. Constanzes Blutvergiftung schreitet unaufhaltsam fort, bis zum Tod. Der ohnehin bedrückenden Situation gibt Missfeldt nun ihren tragischen Akzent durch seinen Kommentar. Denn inzwischen hatte der österreichisch-ungarische Arzt Ignaz Philipp Semmelweis die Ursache des Kindbettfiebers, den Zusammenhang von mangelnder Hygiene und Infektion, längst erkannt, wurde aber von Professoren und Arztkollegen noch lange belächelt oder gar verhöhnt, so dass auch Constanzes Arzt, der Bruder Storms, unschuldig unwissend war. Constanze hätte gerettet werden können - Wissenschaftsstreit als medizinische Katastrophe.

Storms lyrische Reaktion auf Constanzes Tod waren die "Trauergesänge" seines Zyklus "Tiefe Schatten". Sein Sohn Hans nahm Anstoß an der - heute würde man sagen - "Vermarktung" des Leids. Mit Recht nennt Missfeldt Storms Rechtfertigung falsch-feierlich, aber nicht ohne in diesem Zusammenhang Fontane zu zitieren: "Zehn Zeilen Storm wiegen den Jahrestag aller jetzt regierenden lyrischen Machthaber auf."

Für "Gift in den Adern der Nation" hielt Storm den Adel und die Kirche, ohne indessen - weder im damaligen noch im heutigen Sinne - Demokrat zu sein. Antipreußisch gesinnt war er, ließ sich aber gern auf Freundschaften mit preußischen Individuen ein, die er mochte. Als die politischen Verhältnisse, die dänischen Pressionen, ihn aus Schleswig-Holstein vertrieben, bot Preußen ihm in Potsdam die Möglichkeit, seine Ausbildung zum Justizbeamten fortzusetzen. Vor allem fand er im Berliner Dichterverein "Tunnel über der Spree" eine geistige Heimat; hier schloss er die lebenslange Freundschaft mit Fontane, der später amüsiert über Storms "Husumerei" spöttelte.

Bestandteil dieser "Husumerei", einer "Provinzialsimpelei", war nach Storms Rückkehr der von ihm schon früh gegründete "Singverein", ein gemischter Chor für Männer- und Frauenstimmen, in dem er selbst gern als Tenor mit Opernarien glänzte. Dass sich in diesem Singverein die Frauen nicht duckten, darüber weiß Missfeldt eine Geschichte zu erzählen, die , die gerade in unseren Tagen, wo Nachrichten über Herrenwitze und sexuelles Mobbing unlängst die Medien nicht zur Ruhe kommen ließen, ihren Reiz hat. Eine aus Preußen gekommene Sopranistin, Ida Petersen, protestiert gegen die Darbietung des frivolen Studentenliedes "Als wir jüngst in Regensburg waren". Storm lässt nicht mit sich handeln. Da verlassen bei dem Konzert, das die Öffentlichkeit mit Spannung erwartet, bei diesem letzten Lied alle Frauen das Podium. Der Skandal ist perfekt.

Manch klassisch Gebildeter im Publikum mag damals an die Lysistrata des Aristophanes gedacht haben. Wenig änderte der Vorfall an Storms Bild von der Rolle der Frau. Was damals die Gesellschaft von Mädchen und künftigen Frauen erwartete, hat die emanzipierte Franziska Gräfin zu Reventlow, die Tochter des Landrats, mit dem Storm sich anfreundete, ohne jegliche Beschönigung beschrieben. So sind die Sorgen Storms um die Zukunft seiner Töchter, auch als er seine Verleger (Westermann und Paetel) gefunden hatte und seine Honorarforderungen diktieren konnte, verständlich.

Storm war da als Novellist längst eine Berühmtheit. Er hatte auch eine vielzitierte Formel für sein literarisches Genre gefunden: "Die heutige Novelle ist die Schwester des Dramas und die strengste Form der Prosadichtung". Diese Definition unterschlägt zwar das stark lyrische Element, das gerade jene Novelle durchdringt, die seinen Ruhm begründete, "Immensee" von 1850, aber sie trifft für eine großen Teil späterer Novellen zu. Doch Missfeldt findet selbst in der "hinreißenden Prosa" der Novelle "Auf dem Staatshof" eine Marotte der Verniedlichung, die den heutigen Leser in der Tat enervieren kann. Hier hätte dem Erzähler Storm ein Schuss der feinen Ironie Gottfried Kellers gutgetan. Missfeldt gibt Werken, die sich der ungeschönten Realität wie der Geschichte zuwenden, also romanhaften Novellen ("Die Chronik von Grieshuus", "Der Schimmelreiter") den Vorzug.

Es fehlen in dieser Biographie nicht die Hinweise auf ein Heidentum Storms. Von seinem "nordstämmigen Heidentum" sprach schon Thomas Mann in seinem Storm-Essay. In der Haltung zur Kirche blieb der "Heide" ungebeugt. Seinem Letzten Willen gemäß sprach am 17. Juli 1888 an Storms Grab kein Geistlicher.

Dass Missfeldt entschlossen war, das Selbstverständnis seines Autors nicht einfach hinzunehmen, ehrt ihn. Zustande gekommen ist so eine bestechend distanzierte Biographie. Aber gelegentlich hätte sich der Kritik auch etwas Nachsicht beimischen dürfen. Dass Storms Briefe "oft mehr poetisieren als von der lebendigen Wirklichkeit erzählen", darf man ihm zubilligen, da sich Dichter eben auch bei der Textsorte Brief ihr Handwerk nicht ganz verbieten lassen. Und ob man den Vater, dem die Eskapaden des Sohns an die Nerven gehen, gleich der mangelnden Nächstenliebe verdächtigen sollte, mag der Leser dieser Biographie selbst entscheiden.

Dass sich die Aneignung von Lebenswirklichkeit in der Dichtung auf kompliziertere Weise vollzieht, als die positivistisch-biographische Forschung des neunzehnten Jahrhunderts glaubte, ist bald erkannt worden. Man sucht gerade der Vielschichtigkeit des Umwandlungsprozesses auf die Spur zu kommen. Storm habe, so Missfeldt, ein poetisches Material "so nachhaltig und blutvoll" der eigenen Biographie entnommen wie kaum ein anderer, und es gelange im Prozess des Verarbeitens zu völliger poetischer "Freiheit und Unabhängigkeit". So kommen seine Beobachtungen und die Ergebnisse einer Forschungsgruppe unter Leitung von Heinrich Detering (erschienen unter dem Titel "Herkunftsorte - Literarische Verwandlungen im Werk von Theodor Storm, Friedrich Hebbel, Klaus Groth, Thomas und Heinrich Mann", 2001) einander entgegen. Man kann voraussagen, dass für lange Zeit viel Temperament und Wissen nötig sein werden, um den Wettstreit mit Missfeldts Biographie aufzunehmen. Sie ist eine wahre Storm-Enzyklopädie, schwungvoll erzählt.

WALTER HINCK

Jochen Missfeldt: "Du graue Stadt am Meer". Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie.

Carl Hanser Verlag, München 2013. 495 S., geb. 27,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2013

Goldene Rücksichtslosigkeiten
Jochen Missfeldt hat ein sehr elegantes und persönliches Buch über Theodor Storm geschrieben, das mehr vom Menschen handelt als vom Dichter
Ein etwas unrundes Jubiläum ist es ja schon: 125 Jahre liegt es zurück, dass Theodor Storm, mit dem „Schimmelreiter“ nach wie vor Schulautor und insgesamt noch immer von einer Popularität, die unter seinen Kollegen und Zeitgenossen allenfalls der andere Theodor, Fontane nämlich, erreicht, am 4. Juli 1888 starb. Diesem Anlass jedenfalls verdankt sich die schöne Biografie, die Jochen Missfeldt jetzt bei Hanser herausgebracht hat.
  Missfeldt wurde 1941 in Satrup/Schleswig geboren, ist somit nunmehr ein Jahr älter als Storm zum Zeitpunkt seines Todes und hat in seinen bisherigen Büchern starke Verbundenheit mit seiner schleswig-holsteinischen Heimat gezeigt. Zwanzig Jahre lang hat er als Pilot der Bundeswehr Aufklärungsflugzeuge geflogen, sein bekanntestes Buch, „Gespiegelter Himmel“, handelt davon. Unverkennbar betrachtet er Storm vor allem als Landsmann.
  Seine Erzählhaltung ist eine grundkonservative. Das erleichtert es ihm, auf Tempo und Haltung des 19. Jahrhunderts einzugehen. Er hebt an, wie es auch Storm selbst hätte tun können. „Im Sommer auf dem Deich bei Husum: Der Himmel über der Nordsee glänzt seit heute morgen, ein blaues Gewölbe ohne Wolken. Die Sonne steht über Eiderstedt im Süden, die Luft ist klar, der Horizont zieht weit hinten im Westen einen deutlichen Strich über das Wasser. Zu Füßen liegt das Watt. Auf den Halligen stehen strohgedeckte Häuser, wie von der Warft gehoben. So hat auch Theodor Storm diese Meereslandschaft vom Deich aus gesehen.“
  Die Zeiten mögen sich geändert haben, die prägende Macht der Landschaft ist geblieben. Aber das bedeutet nicht, dass Missfeldt keinen historischen Sinn hätte. In Missfeldts Augen ist Storm vor allem der Vor-Preuße, in der nachmittelalterlichen Tradition der „up ewig ungedeelten“ Herzogtümer Schleswig und Holstein verwurzelt, welche seit Jahrhunderten in Personalunion mit Dänemark standen. Unwillig reagiert Storm darauf, dass seine Heimat in die Mühlen des Nationalismus und der Bismarck’schen Vereinigungspolitik gerät. Er ist geschworener Preußenfeind, obwohl er doch auch persönlich sehr von Preußen profitiert, das ihm erst ein Exil und dann gleich zweimal ein Amt verschafft. Missfeldt seinerseits fühlt sich gespalten, was Preußen angeht; er nennt es durchaus einen „Unterdrückerstaat“; aber das beeinträchtigt die Sympathien des alten Soldaten nur wenig. Ausführlich lässt er Fontane zu Wort kommen, dem Storm während seiner Potsdamer Zeit in enger Freundfeindschaft verbunden war. Wenn Fontane sich ironisch über Storms „ewige Husumerei“ äußert, dann gibt Missfeldt dem mondänen Berliner zugleich recht und verteidigt doch den Mann, dem nicht die Welt die Heimat, sondern die Heimat eine Welt war. Wenn es so etwas wie einen schleswig-holsteinischen Fontane gegeben hätte – der wäre Missfeldts Ideal gewesen!
  Ausführlich lässt er Storm und die ihm Nahestehenden selbst zu Wort kommen, vor allem in den Briefen. In den Zitaten ehrt er die komplexe Humanität eines vergangenen Zeitalters, die niemals um ihren Ausdruck verlegen ist und auch bei keineswegs literarisch ambitionierten Zeitgenossen sich auf der Höhe eines gleichmäßig durchgebildeten Stils bewegt. Auch und gerade den Randfiguren steht diese Sprache zu Gebote, Storms unglücklicher Tante etwa, die, kurz bevor sie im Irrenhaus verschwindet, an ihren dänischen Noch-Gatten demütig die Bitte richtet, er möge sich doch von ihr trotz allem nicht scheiden lassen; Missfeldt unterlässt nicht mitzuteilen, sie habe die Zeichnung einer Blume hinzugefügt: Es ist ein zu Herzen gehendes Dokument.
  Zu Missfeldts konservativem Habitus gehört es auch, dass er Moralist ist; nicht in dem heute üblichen Sinn, dass man bei jeder Gelegenheit anklagend die Stimme erhebt, sondern indem er die Leute ernst nimmt in dem, was sie sind, sagen und wollen. Er bedauert ihre Fehler und verhehlt sie nicht, respektiert sie aber in ihrer Unabänderlichkeit. Natürlich ist Storm ein Patriarch alten Schlages; eigentlich noch Schlimmeres als das, weil er seine herrischen Forderungen an die Familie nicht mit einem wirksamen Schutzversprechen verbindet. Man täte ihm kein himmelschreiendes Unrecht, wollte man behaupten, er habe seine Frau Constanze, die nach sechs Kindern und sechs Fehlgeburten am Ende war und mit noch nicht einmal vierzig Jahren starb, unter die Erde gebracht. Wenn sie bei einer gynäkologischen Untersuchung die neuen Strumpfbänder trägt, die er ihr geschenkt hat, erleidet er einen Nervenzusammenbruch.
  Sehr kritisch blickt Missfeldt auf die „goldnen Rücksichtslosigkeiten“, die Storm sich herausnimmt: in seiner erotischen Unzuverlässigkeit, in seiner Schwärmerei für Kindfrauen, mit der er heute ernstlich Probleme bekäme, in seiner höchst fragwürdigen Pädagogik, die zumindest seinen Söhnen (die Töchter, auf die es nicht so ankam, wurden weniger intensiv betreut) den Weg ins Leben verbaut. Aber verschwiegen wird auch nicht Storms zuweilen geradezu weibliches Einfühlungsvermögen, das ihm überall Neigung und Zutrauen einbringt. Zusammenfassend heißt es: „Er kann nicht loslassen, und das sieht manchmal aus wie Treue, die gewiss auch ein Storm’scher Charakterzug ist. Was ihm einmal wichtig geworden ist, hält er mit all seinen Seelenkräften fest, Ehefrau und Kinder, Freunde und Kunst, Heimat und Heimweh. Die Seele nimmt ihn in die Pflicht; ein Pflichtbewusstsein, das auch Herr über seine Seele wäre, kennt er nicht; die Storm-Seele hat alle emotional gestrickten Verbindungen fest miteinander verknotet. Der Beruf erscheint da als fremdes Teil, nie steht er auf vertrautem Fuß mit seinem Amt (als Richter), auch wenn er selbst das Gegenteil behauptet; und das ist eins von mehreren Motiven der Abneigung, die er gegen Preußen hegt.“
  Missfeldt urteilt, ohne abzuurteilen. Die Storm-Seele, das ist eben ein bestimmter Typ von Seele; ihn anders haben wollen hieße, ihn gar nicht haben wollen. Dieses Ineinander von Tadel und Loyalität hat jedenfalls Noblesse. Die Vorzüge dieses klugen, feinfühligen, sprachlich eleganten und außerordentlich gut lesbaren Buchs hängen eng mit dem einzigen Einwand zusammen, den man gegen ihn erheben könnte: Der Mensch Theodor Storm drängt das Werk beiseite. Die Kritik, die Missfeldt übt, ist oft begründet, nicht selten auch im Moralischen, wenn er etwa Storms kitschnahe Vorliebe für Diminutive bei der Beschreibung seines weiblichen Novellen-Personals, alle die Köpfchen, Füßchen und Löckchen, notiert; das Lob, das er auch spendet, tendiert zum Unspezifischen. Ein unvergleichliches Gedicht wie „Hyazinthen“ dient dem Verfasser vor allem als Beleg für Storms Eifersucht. Das ist es sicherlich, aber darüber hinaus muss man es geradezu als Apotheose dieser unseligen Leidenschaft bezeichnen, die hier auf ihren Doppelgipfel von Zärtlichkeit und Qual getrieben wird. Wenn Storm schreibt: „Fremde Arme schmiegen / sich an dein Herz: O leide nicht Gewalt!“, so hat dies noch eine etwas andere Qualität als die empirische Strumpfband-Affäre. Da vermisst man ein bisschen was in dieser Biografie.
  Doch muss man sich sagen, dass Missfeldt eben ein Lebensbild des Menschen hat geben wollen, nicht eine Werkanalyse. Missfeldt liebt seinen Storm in der Art, wie man einen Familienangehörigen liebt, egal was er anstellt, etwa so, wie Storm seinen tragisch missratenen Sohn Hans liebte. Er tut es allerdings mit mehr Gelassenheit, denn wie gesagt, Storm ist nunmehr seit 125 Jahren tot.
BURKHARD MÜLLER
Jochen Missfeldt: Du graue Stadt am Meer. Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie. Carl Hanser Verlag, München 2013. 496 Seiten, 27,90 Euro.
Der Autor liebt seinen Storm
so, wie man einen Angehörigen
liebt trotz all seiner Fehler
Nicht die große Welt war ihm eine Heimat, sondern die Heimat die ganze Welt: Theodor Storm um 1880.
FOTO: HULTON ARCHIVE/GETTY IMAGES
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"Ein sehr elegantes und persönliches Buch über Theodor Storm." Burkhard Müller, Süddeutsche Zeitung, 05.04.13

"Missfeldts Storm-Biografie ist sicher die aktuellste und eine der faktenreichsten Zusammenstellungen von Lebensdokumenten." Robert Habeck, Die Zeit, 14.02.13

"Wer sich Missfeldts Perspektiven auf diesen Autor zu eigen macht und dann auf Erkundung seiner Texte auszieht, der wird schnell merken: In Storm steckt weit mehr, als das Klischee vom Schulbuchautor ahnen lässt." Tilman Krause, Die Welt, 9.07.2013

"Wie ein Roman liest sich das Lebenspanorama, das Missfeldt malt, mit eigenen Worten und denen Storms. So ist Missfeldts Dichterporträt auch ein spannendes Zeitbild." Ruth Bender, Kieler Nachrichten, 21.02.13

"Eine großartige Biografie." Wolf Scheller, Die Rheinpfalz, 29.06.2013

"Glänzende Biografie..." Thomas Andre, Hamburger Abendblatt, 04.07.13

"Eine anschaulich und flott geschriebene Biographie, die vor allem Wert auf die psychologische Darstellung des Menschen Storm legt." Hemut Böttiger, Deutschlandradio Kultur, 22.07.13

"Er wird für lange Zeit viel Temperament und Wissen nötig sein, um den Wettstreit mit Missfeldt Biografie aufzunehmen. Sie ist eine wahre Storm-Enzyklopädie, schwungvoll erzählt." Walther Hinck, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.04.13