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Drei schon etwas ältere Herren, einer ein Philosophielehrer, ein anderer ein verarmter Adliger und Dandy, der dritte das Alter ego des Autors, nehmen uns mit auf nächtliche Streifzüge durch Neapel, Italien. Manchmal bissig, manchmal wehmütig kommentieren sie gleichsam als Stadtführer, was sie auf ihrer Reise sehen und was ihnen zustößt. Liebespaare tapezieren ihre Autos mit Zeitungspapier. Ein Müllmann erläutert, wie sich vom Inhalt der Müllsäcke auf deren Verursacher schließen lässt. Und über das Essen erfahren wir: Bei Donna Rufina und ihrer Entourage aus Transvestiten, abgetakelten…mehr

Produktbeschreibung
Drei schon etwas ältere Herren, einer ein Philosophielehrer, ein anderer ein verarmter Adliger und Dandy, der dritte das Alter ego des Autors, nehmen uns mit auf nächtliche Streifzüge durch Neapel, Italien. Manchmal bissig, manchmal wehmütig kommentieren sie gleichsam als Stadtführer, was sie auf ihrer Reise sehen und was ihnen zustößt. Liebespaare tapezieren ihre Autos mit Zeitungspapier. Ein Müllmann erläutert, wie sich vom Inhalt der Müllsäcke auf deren Verursacher schließen lässt. Und über das Essen erfahren wir: Bei Donna Rufina und ihrer Entourage aus Transvestiten, abgetakelten Sängerinnen und leidlich normalen Zeitgenossen bekommt man noch bodenständige Gerichte ohne Firlefanz.
Autorenporträt
Domenico Rea, 1921 in Neapel geboren, wuchs in Nocera Inferiore in der Provinz Salerno auf. Ab 1952 lebte er in Neapel, wo er als Journalist und Schriftsteller arbeitete. Berühmt wurde er mit seinem Erzählungsband Spaccanapoli (1947), dem zahlreiche Werke folgten, für die er u.a. den Premio Viareggio und den Premio Strega erhielt. Fast all seine Romane und Erzählungen spielen sich in Neapel und Nocera Inferiore ab. Das Gesamtwerk erschien 2005 bei Mondadori in den "Meridiani". Er gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller Süditaliens. Rea starb 1994 in Neapel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.04.2011

Schlaflos in Neapel
Abgebröckelt, glitschig, obszön und widerlich, aber niemals steril: Domenico Rea flaniert durch seine Heimatstadt
Der neapolitanische Schriftsteller Raffaele La Capria, der durch seinen Roman „Ferito a morte“ auch in Deutschland bekannt wurde („Tödlich verwundet“, 1963) hat einmal gesagt, es sei das Schicksal eines italienischen Autors aus Neapel immer nur als ein neapolitanischer wahrgenommen zu werden – wohingegen niemand auf die Idee käme, einen aus Turin stammenden einen Turiner, einen in Mailand geborenen einen Mailänder Schriftsteller zu nennen. Freilich haben zu dieser Tatsache die „neapolitanischen“ Autoren selber nicht wenig beigetragen: Die meisten von ihnen haben, selbst wenn sie ihrer Heimatstadt längst den Rücken gekehrt hatten, in Romanen und Erzählungen immer wieder Neapel und jene napoletanità zum Thema gemacht, die, wäre sie nicht so schwer zu definieren, längst auf die Unesco-Liste des immateriellen Erbes der Menschheit gehörte.
Das gilt für Domenico Rea (1921–1994) in ganz besonderer Weise. Er war in Italien mit „Spaccanapoli“ (1947), einer Sammlung von neapolitanischen Erzählungen bekannt geworden, hatte dann mit „Ninfa plebea“ (1992) den Premio Strega gewonnen: einem erotischen Roman um eine selbstbewusste „plebejische Nymphe“. Jetzt macht eine Auswahl von Erzählungen den Autor auch deutschen Lesern bekannt. „Neapel zwischen Nacht und Morgengrauen“ ist der grauslich hyperdramatisierte Titel, der – ganz irreführend – auf die deutsche Angstlust gegenüber dem „dunklen“, bedrohlichen Neapel setzt. „Pensieri della notte“, „Gedanken der Nacht“, so lautet der Titel des 1987 erschienenen Originals, und er spielt auf eine Marotte des Ich-Erzählers, eines älteren Junggesellen, an: Er leidet an Schlafstörungen und streift daher vorzugsweise nachts durch die Stadt. Begleiter und Gesprächspartner sind zwei Freunde, beide Angehörige des verarmten, aber kulturell traditionsbewussten Bürgertums.
Es ist das alte Thema des Großstadt-Flaneurs, das hier durchgespielt wird, und Rea hat ihm eine groteske Nuance beigemischt: Mit von der Partie ist ein Kater namens Fritz, je nach äußeren Umständen an der Leine geführt oder in der Jackentasche des Erzählers versteckt.
Zur Schlaflosigkeit gab es in den 1980er Jahren auch außerhalb der Literatur jeden Grund. Nach dem Erdbeben vom November 1980 erlebte die Millionenstadt Neapel die schlimmste Phase ihrer neueren Geschichte. „Es gibt in Neapel etwas Unstabiles, das ständig neue Grenzen zieht“, schreibt Rea im Vorwort. „Die Felsen heben und senken sich. Die Straßen geben nach oder werden bucklig. Unversehens schwebt ein Gebäude über dem Abgrund. Eine sommerliche Atmosphäre kann binnen weniger Stunden winterlich und höllisch werden.“ Mit solchen „Nachtgedanken“ quälen sich auch Reas Flaneure. Muss man nicht nach Mitternacht unterwegs sein, um diese tagsüber total paralysierte Stadt überhaupt noch als Ort wahrnehmen zu können, wo man leben und atmen kann? Einer der drei Freunde verlässt dann auch am Ende Neapel, kehrt aber schon bald reumütig wieder zurück: So „abgebröckelt und glitschig, obszön und widerlich“ diese Stadt auch sein mag, sie ist in ihrem Kern noch immer lebendiger als die ideale, aber sterile Existenz irgendwo auf dem Land, die man sich als Neapolitaner erträumen mag.
Reas Erzählungen, eigentlich oft eher Skizzen und Dialoge mit zahlreichen dialektalen Wendungen (die den Übersetzerinnen viel abverlangt haben), sind zunächst in der neapolitanischen Tageszeitung Il Mattino erschienen, und das erklärt vielleicht auch ihre stilistische Uneinheitlichkeit. Wenn Rea wirklich erzählt, gelingen ihm mitunter eindrucksvolle Bilder von Menschen, die der verfehlten Modernisierung der Stadt ein Schnippchen geschlagen haben: Müllarbeiter, die aus geplatzten Plastiktüten die Lebensweise der Hausbewohner erkennen, femminielli (die neapolitanischen Transsexuellen) und andere Außenseiter in den populären Quartieren, die noch die alte neapolitanische Küche zu schätzen wissen.
Leider verlieren sich aber die drei Stadtspaziergänger allzu oft in ausufernden Raisonnements über das „alte Neapel“, als es noch Wasserverkäufer auf den Straßen gab, polemisieren mit matten Scherzen gegen Krippenfiguren aus Plastik, Fastfood, Massentourismus und Sex im Auto. Da schlägt die zwiespältige, oft verzweifelte Liebe des Autors zu seiner Stadt in Nostalgie und neapolitanischen Sentimentalismus um. Die neueste Geschichte der neapolitanischen Katastrophen und Traumata hat ja auch in der Literatur starke Spuren hinterlassen, im Essay etwa in Francesco Durantes kritischer Sammlung „Scuorno“ (2008), in der Belletristik in den kryptischen Erzählungen und Romanen von Erri De Luca („Die erste Nacht nach einem Mord“, 1999; „Der Tag vor dem Glück“, 2010). Verglichen damit wirken die Nachtgedanken von Domenico Reas Flaneuren doch sehr täglich – um nicht zu sagen alltäglich. DIETER RICHTER
DOMENICO REA: Neapel zwischen Nacht und Morgengrauen. Aus dem Italienischen von Anna Leube und Victoria Leube-Dasch. Carl Hanser Verlag, München 2011. 144 Seiten, 14,90 Euro.
Enttäuschte Liebe schlägt um
in Nostalgie
„Die Felsen heben und senken sich. Die Straßen geben nach oder werden bucklig.“ – Ein Tag in Neapel provoziert Nachtgedanken. Foto: Hollandse Hoogte/laif
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2011

Transvestiten und Nachtwandler

Wohl kaum ein Besucher Neapels käme auf die Idee, nach Mitternacht durch die Stadt spazieren zu wollen. Was tagsüber in einem lärmenden Chaos aus Menschen und Autos versinkt, verwandelt sich mit Einbruch der Nacht in ein surreales Schreckensszenario. Das gelbliche Licht der wenigen Straßenlaternen beleuchtet Müll, rostige Rollläden, abblätternde Fassaden und den schwarz glänzenden Lavastein der Straßen. Für die Weltöffentlichkeit ist Neapel die Kapitale der Camorra und des Mülls. Aber dann gibt es dieses wunderbare Buch, und wer die neunundzwanzig Geschichten gelesen hat, möchte sofort ins nächste Flugzeug stürzen, um nach Neapel zu reisen. Domenico Rea, einer der großen italienischen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts, beschreibt seine Stadt lakonisch nüchtern, aber auch herzzerreißend melancholisch. Die Protagonisten seiner Geschichten, drei ältere Herren sowie die Katzen Fritz und Look, spazieren vorzugsweise nachts durch Neapel, wenn die uralte Stadt still und mondbeschienen daliegt. Es geht hinauf zu den Hügeln und immer wieder ins Gassendickicht der Altstadt. Während ihrer nächtlichen Ausflüge philosophieren die Herren über die große Vergangenheit und schwierige Gegenwart der Stadt. Daneben essen sie von Zeit zu Zeit eine Kleinigkeit, plaudern mit Transvestiten, beobachten einen seltsamen Raubüberfall, treffen Freunde und sind immer wieder berührt von der stupenden Schönheit der frühmorgendlichen Stadt. Ein manchmal etwas wehmütiger, nie aber sentimentaler Ton durchzieht diese Geschichten. Vielmehr blitzt dank der vorzüglichen Übersetzung der neapolitanisch ironische Esprit des Autors auf jeder Seite auf. Dass die Übersetzer dann noch gute vier Seiten mit Anmerkungen zu neapolitanischen Begriffen, Namen und Orten beigesteuert haben, macht dieses sowieso schon empfehlenswerte Buch für den Reisenden an den Golf von Neapel unverzichtbar.

üte

"Neapel zwischen Nacht und Morgengrauen" von Domenico Rea. Hanser Verlag, München 2011. 144 Seiten. Gebunden, 14,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Etwas alltäglich erscheinen die Erzählungen Domenico Reas dem Rezensenten. Dieter Richter führt das auf ihre Uneinheitlichkeit und Skizzenhaftigkeit und die wiederum auf ihre ursprüngliche Bestimmung als Zeitungstexte zurück. Erst wenn Rea in Schwung kommt und wirklich zu erzählen beginnt, reicht er laut Richter zeitweise an gleichfalls aus Neapel stammende, Neapel thematisierende Autoren wie Erri De Luca heran. Gegen die etwas abgenutzte Themenpalette des Großstadtflaneurs, die Rea hier noch einmal auspackt, hat Richter nichts, sofern der Autor mehr aus ihr herausholt, als ausufernde Raisonnements über das alte, versunkene Neapel.

© Perlentaucher Medien GmbH