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Tadeusz Rózewicz hat sich in seinen Erzählungen der dramatischen Geschichte der polnischen Kriegsgeneration gewidmet: Leben und Sterben der Partisanen im Untergrund, der Verlust an sinnvollen Lebenskonzeptionen, die Brutalität und die Menschlichkeit unter dem Kriegsrecht. Nun endlich erscheint eine umfangreiche Sammlung dieser wunderbaren, prosaischen Texte. In seiner knappen, bildhaften Sprache beweist Tadeusz Rózewicz, dass die Geschichten bis heute nichts von ihrer Kraft, Schönheit und moralischen Sicherheit eingebüßt haben.

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Produktbeschreibung
Tadeusz Rózewicz hat sich in seinen Erzählungen der dramatischen Geschichte der polnischen Kriegsgeneration gewidmet: Leben und Sterben der Partisanen im Untergrund, der Verlust an sinnvollen Lebenskonzeptionen, die Brutalität und die Menschlichkeit unter dem Kriegsrecht. Nun endlich erscheint eine umfangreiche Sammlung dieser wunderbaren, prosaischen Texte. In seiner knappen, bildhaften Sprache beweist Tadeusz Rózewicz, dass die Geschichten bis heute nichts von ihrer Kraft, Schönheit und moralischen Sicherheit eingebüßt haben.
Autorenporträt
Tadeusz Rozewicz, 1921 bei Tschenstochau geboren, veröffentlichte bereits 1938 erste Gedichte. Während des zweiten Weltkriegs beteiligte er sich am Widerstand und war Redakteur der Untergrundzeitschrift Czyn zbrojny. Er studierte Kunstgeschichte in Krakau und gilt seit Veröffentlichung des Gedichtbands Niepokój (Unruhe) 1947 als Begründer einer neuen Poetik. Sein Werk wurde in viele Sprachen übersetzt. Rozewicz wurde unter anderem mit dem Samuel-Bogumil-Linde-Preis der Städte Göttingen und Thorn für Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschland und Polen ausgezeichnet. Im April 2014 ist Tadeusz Rozewicz mit 92 Jahren in seinem Wohnort Wroclaw verstorben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.11.2006

Sie werden ihn zum Sterben führen, und er hat Durst
Ein Zeuge des Mordens, der nicht Ankläger sein will: Der große polnische Lyriker Tadeusz Rózewicz in seinen Erzählungen
Als Wislawa Szymborska, die Meisterin der philosophischen Lakonie in der polnischen Lyrik, im Jahre 1996 den Nobelpreis erhielt, waren da und dort kritische Stimmen zu vernehmen, die meinten, die Auszeichnung würde eher Zbigniew Herbert oder Tadeusz Rózewicz gebühren. Rózewicz selbst, der in den ersten Nachkriegsjahren die polnische Lyrik schulbildend prägte, dessen Werk in viele Sprachen übersetzt ist und dem es an Selbstvertrauen nicht mangelt, scheint das ähnlich zu sehen; in einem späten Gedicht hat er mit bemühter Selbstironie darauf angespielt, er müsse nun wenigstens nicht mehr länger auf die höchsten literarischen Weihen warten.
Anders als mit seiner Lyrik hat Rózewicz als Dramatiker und Erzähler in Polen keine Schar von Schülern und Epigonen gefunden und im Ausland nur wenig Aufmerksamkeit erregt. Gleichwohl liegen etliche Prosabände des jetzt 85-jährigen Autors, der sich immer fern der literarischen Zentren Polens gehalten hat und in Gliwice und Wroclaw lebte, auch auf Deutsch vor. Schon 1962 erschien ein Band mit sechs Erzählungen unter dem Titel „In der schönsten Stadt der Welt” in der Bundesrepublik, den gleichen Titel trug eine erweiterte Sammlung 1971 in der DDR, und nun sind zwölf Erzählungen neuerdings unter demselben Titel erschienen. Das ist ein bisschen verwirrend, und leider klärt uns auch keine editorische Bemerkung darüber auf, was es damit auf sich habe und wann diese Geschichten geschrieben wurden. Ein paar erhellende Worte wären nicht unpassend gewesen, zumal die meisten Texte auf Polnisch schon vor fast fünfzig Jahren veröffentlicht wurden.
Dass sie noch unter dem Eindruck des Krieges entstanden, der Polen so verheerend überzogen hatte, ist ihnen allen eingeschrieben. Als Erzähler kehrte Rózewicz immer wieder zum Krieg und zu den moralischen Fragen zurück, vor die er den Einzelnen stellte, der überleben wollte und sich doch menschlich zu bewähren hatte. Der Krieg ist zu Ende, aber er wirkt fort in allen, die ihn überstanden und Gezeichnete bleiben werden. Rózewicz weigerte sich, in das große Vergessen abzudanken, und dabei hat er fortgesetzt gegen Konventionen verstoßen, die nicht nur der volksdemokratischen Obrigkeit teuer waren, sondern auf die auch die staatsoffiziellen Nationalisten von heute noch schwören.
In der autobiographisch grundierten Erzählung „Neue philosophische Schule” sinniert der Erzähler, der 1945 aus dem Dienst in der polnischen „Heimatarmee”, die im Untergrund gegen die deutschen Besatzer kämpfte, beschädigt fürs Leben in die zivile Gesellschaft zurückkehrte: „Mir scheint, die deutschen Faschisten sind Mörder gewesen, aber auch wir, ihre Opfer, verwandelten uns, widerstrebend und wider Willen, in Mörder.” Es ist erstaunlich, wie weit Rózewicz – so kurz nach einem Krieg, der gerade über die Polen unermessliches Leid brachte – nicht in der Anklage der nazistischen Angreifer, sondern in der polnischen Selbstkritik geht.
„Durst” ist eine in schauerlicher Lakonie erzählte Geschichte überschrieben, in der einige Partisanen sich mit einem deutschen Gefangenen in ein Waldversteck zurückgezogen haben. Der „Deutsche”, ein alter Mann, der bis zum Krieg den biederen Polen gab und nach dem Überfall der Wehrmacht sogleich seine deutsche Herkunft entdeckte, war ein übler Kollaborateur, ein kaltherziger Gewinnler der Besatzung. Aber nicht darum geht es in Rózewiczs schlackenloser Erzählung, sondern um die Verrohung, von der die jungen Untergrundsoldaten ergriffen werden, die alle ihre traumatischen Erlebnisse mit der Gestapo oder mit Denunzianten haben.
Der geschlossene Raum einer abgelegenen Hütte, ein paar Soldaten, ein Gefangener: Vom ersten Absatz an ist klar, wohin die Geschichte führen und dass sie tödlich enden wird. Rózewicz moralisiert nicht, er urteilt nicht von hoher humanistischer Warte über diese abgestumpften Kerle. Sein Ich-Erzähler ist einer von ihnen, möchte sich möglichst unbeteiligt am Rande halten und lässt doch keine Zweifel daran, dass seine Kameraden ihre Wut und Angst an dem Gefangenen abreagieren werden. „Aber ich liege reglos. Ich werde nicht sagen: ,Jungs, gebt ihm von dem Kaffee zu trinken‘, und ich werde nicht aufstehen, obwohl der Kaffee nur einen Schritt weit steht, und sie werden ihn zum Sterben führen, und er hat Durst.”
Auf wenigen Seiten, die ohne belehrenden Kommentar auskommen, entrollt jede dieser Erzählungen ein Drama voller Versuchungen und Schrecken. Ob es um den alltäglichen Antisemitismus geht oder die Vergeltung, die im Jahr 1945, nach Kriegsende, an den „Huren der Deutschen” geübt wird, Tadeusz Rózewicz scheut kein polnisches Tabu. Er tut dies im Bewusstsein, zu den Überlebenden zu gehören, die sich als Tote fühlen und in der Gesellschaft des Nachkriegs nicht zurechtfinden. „Wir leben als Tote”, heißt es einmal, und an anderer Stelle: „Ich war ja schon mehrfach tot. War mehrfach tot und sollte denen, die leben, davon erzählen.”
Das hat der weltberühmte Lyriker nicht nur in seinen Gedichten, sondern auch in ergreifenden Erzählungen getan.
KARL-MARKUS GAUSS
TADEUSZ RÓZEWICZ: In der schönsten Stadt der Welt. Erzählungen. Aus dem Polnischen und herausgegeben von Roswitha Matwin-Buschmann. Carl Hanser Verlag, München 2006. 180 Seiten, 17,90 Euro.
Tadeusz Rózewicz, 1992
Foto: Brigitte Friedrich
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2006

Das Sein als Seifenblase
Erstmals auf deutsch: Erzählungen von Tadeusz Rózewicz

Über die Quantität der Ausgaben seiner Werke konnte er sich nie beklagen: Seit Jahrzehnten gehört er zu den meist-übersetzten polnischen Autoren. Der Weltruhm, den seine drei Dichterkollegen Czeslaw Milosz, Zbigniew Herbert und Wislawa Szymborska genießen durften, wurde dem Breslauer Dichter und Dramatiker Tadeusz Rózewicz dennoch nie zuteil. "Stets im oktober (an meinem geburtstag) / fragen die mich ob ich mich freue / daß ein anderer den nobelpreis bekam", schrieb er 1999 in seinem selbstironischen Langgedicht "Ruhm", drei Jahre, nachdem Szymborska die hohe Auszeichnung bekommen hatte. Die Chancen, daß auch er in diesen literarischen Höchstgenuß kommen könnte, standen seitdem in der Tat schlecht, allerdings scheint ihm dies mittlerweile nicht das geringste auszumachen: In seinem fünfundachtzigsten Lebensjahr, das er an diesem Montag vollendet, wirkt er gelassener und selbstbewußter denn je.

In Deutschland ist die Rezeption seiner Werke gewissermaßen zweispurig verlaufen. Als Dramatiker ist er vermutlich nur noch dem älteren Teil des deutschen Publikums ein Begriff. Seine beiden frühen Parade-Stücke "Die Kartothek" und "Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung" wurden hierzulande Anfang der sechziger Jahre gespielt. Sein größter Erfolg der späteren Jahre, "Die Falle", ein vielschichtiges Drama, das scheinbar vom Leben Franz Kafkas, in Wirklichkeit aber von dem Druck der gesellschaftlichen Verhaltensnormen handelt und in Form beklemmender Massenvernichtungsvisionen die Enthumanisierung des zwanzigsten Jahrhunderts beklagt, wurde nur von wenigen Theatern aufgeführt.

Als Lyriker hingegen dürfte Rózewicz größeren Kreisen ein Begriff sein. Nachdem sein Erstlingsband "Unruhe" (1947) zu einer der meistgefeierten Lyrikpublikationen der Nachkriegsjahre und er selbst zum Sprecher seiner Generation wie zum Hoffnungsträger der polnischen Dichtung geworden war, drang sein Ruhm schnell auch nach Deutschland durch. Seine knappen, sprachlich asketischen Gedichte fanden hier viele weitere Bewunderer. Sie spiegelten in einer unnachahmlichen Weise seine Kriegserfahrungen wider, zumal sie in krassem Widerspruch zu seiner elementaren Lebensunerfahrenheit standen: "Vierundzwanzig bin ich / gerettet / auf dem weg zum schlachten." Es waren die Gedichte eines Geschockten, der die ihm fremd gewordene Welt neu benennen und den Rahmen der eigenen Weiterexistenz neu lernen mußte.

Die psychischen und moralischen Folgen des Krieges wurden zu seinem Lebensthema, allerdings ließ er von Anfang an unmißverständlich erkennen, daß er unter "Folgen" weit mehr verstand als die Befindlichkeit seiner Generation oder das Klima der Nachkriegszeit. Diese Sehweise behielt er nämlich auch dann, als er sich scheinbar von der Kriegsthematik entfernte und der Gegenwart, von der kommunistischen Realität bis hin zu den Auswüchsen der jungen Demokratie, zuwandte. Auch dann erschien ihm das menschliche Dasein oft als eine Seifenblase, als ein mühsamer, sinnloser Zweikampf mit dem Nichts.

Diesem Gefühl gab er Ausdruck in seiner Lyrik und in seinen Dramen, in denen er sich den gesellschaftlichen Zwängen und dem bürgerlichen Moralkodex verweigerte und für die man bald die Bezeichnung "inneres Theater" erfand. Und er tat es auch in seinen Erzählungen, die seit den fünfziger Jahren, mal einzeln in Zeitschriften, mal in Buchform, erschienen. Die umfangreichste Sammlung dieser Texte kam auf polnisch Mitte der neunziger Jahre heraus; nun liegen zwölf von ihnen erstmals in einer deutschen Ausgabe vor. Zwölf Prosastücke, in denen Rózewicz sich nicht nur erneut mit dem Trauma des Krieges auseinandersetzt, sondern dies auch in einer im Vergleich zu seinen lyrischen und dramatischen Werken überaus realistischen Weise tut.

Schon mancher Titel signalisiert, daß er hier eine Zeit heraufbeschwört, die für die Betroffenen beides, eine Zäsur und eine extreme Belastung, darstellte. "Die unterbrochene Prüfung", "Das Gift", "Die Beichte", "Versuch einer Rekonstruktion": Unter diesen Überschriften ruft er die prägenden Kriegserlebnisse auf, sinniert über deren moralische Auswirkungen, beklagt den Verlust klarer Perspektiven. Aber er hält auch die damals langsam aufkeimende Hoffnung auf einen Neuanfang fest. "Alles ist stehen geblieben", heißt es etwa in der Erzählung "Neue philosophische Schule", "Wie gut! Die Toten sind begraben. Die Lebenden sterben nicht mehr. Ich bleibe in meinem Loch. Liege auf dem Bett und lese in der alten Zeitung. Schließe die Augen und überlege, ob ich noch irgendwelche Wünsche habe. Ich habe keine."

Diese Erzählungen stehen nicht nur für Rózewicz' vielbewunderte stilistische Vielseitigkeit, sondern auch für seinen Hang, die Grenzen zwischen den Gattungen zu verwischen. Offenbar sieht er in einer Form, die zwischen Dichtung und Prosa balanciert, das adäquateste Ausdrucksmittel für eine Welt, die längst ihre klaren Konturen verloren hat. Schon die ersten Zeilen der Auftakterzählung "Gesichter" muten wie ein Gedicht an. Die knappen Sätze, die karge Sprache, der klare Rhythmus - es gibt hier nichts, was die Präzision der Aussage stören würde: "Ein Gelände, ein Gefilde, eine Landschaft, ein Bild, das war und das ist für mich das menschliche Gesicht. Die Landschaft eines Gesichts. Die Gesichter der Eltern. Die Gesichter der Geschwister. Die Gesichter Fremder . . ."

Daß Rózewicz' Texte oft einen autobiographischen Charakter haben, erkennt natürlich nur, wer mit dem Leben des Dichters ein wenig vertraut ist. Allerdings wird er sein Wissen aus anderen Quellen bezogen haben - aus diesem Band erfährt man es nicht. Die Herausgeberin und Übersetzerin Roswitha Matwin-Buschmann, die in ihrer zweiten Funktion wieder einmal glänzt, gibt dem Leser leider keine Chance, aus einem Vor- oder Nachwort zu erfahren, inwieweit Rózewicz den Krieg am eigenen Leib erfahren hat. Etwa, daß er zwei Jahre lang als Partisan kämpfte oder daß er nach dem Krieg den Verlust seines von der Gestapo ermordeten Bruders zu beklagen hatte. Ebenso vermißt man einen Hinweis auf die Entstehungsdaten der Erzählungen. Bei einem Band, in dem das Kriegserlebnis eine so dominierende Rolle spielt und den man durchaus als, um den Titel einer der Erzählungen zu paraphrasieren: "Versuch einer literarischen Selbstkonstruktion" lesen kann, wäre beides dringend zu empfehlen gewesen.

MARTA KIJOWSKA

Tadeusz Rózewicz: "In der schönsten Stadt der Welt". Erzählungen. Aus dem Polnischen übersetzt und herausgegeben von Roswitha Matwin-Buschmann. Carl Hanser Verlag, München 2006. 184 S., geb., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Gefasst legt Ulrich M. Schmid demjenigen Leser, der auf gnadenlose Selbsterforschung aus ist, die pechschwarzen Erzählungen des 85-jährigen polnischen Autors Tadeusz Rozewicz, tja, wohl eher in die Hand als ans Herz. Getränkt von der pessimistischen und sinnleugnenden Haltung des seinerseits von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs samt seinen unsagbaren Greueln, allem voran des Holocausts, geprägten Rozewicz, verstören und schockieren die Geschichten ihre Leser mit Szenarien, denen Tod und Zerstörung ihren Stempel aufdrücken. Diese "Momentaufnahmen aus dem beschädigten Leben", die erzählerisch offenbar alle während des Zweiten Weltkriegs verortet sind und in existenziellen Horrormomenten ablaufen, würden denn auch von seinem nihilistischen Autor konsequenterweise für überflüssig gehalten, worin ihm der Rezensent allerdings aus Gründen der kathartischen Selbsterkenntnis nicht beipflichten mag.

© Perlentaucher Medien GmbH
"In allen Erzählungen schwingt neben der Trauer zugleich eine verzweifelte Sehnsucht nach dem Leben mit. (...) Tadeusz Rozewicz (führt) mit seinen Erzählungen in die Grenzbereiche menschlicher Existenz. Wer ihm auf diesem Weg folgt, wird nach der Lektüre nicht mehr der Gleiche wir vorher sein."
Claus-Ulrich Bielefeld, Tages-Anzeiger-Zürich, 11.11.06

"Im Kopf des Lesers zumindest entfalten seine Erzählungen enorme Wirkung, zumal sie sich (...) als zeitlos erweisen. Alles deutet darauf hin, dass die Werke des skeptischen Einzelgängers Rózewicz auch im 21. Jahrhundert zu den wichtigen zählen."
Michael Kohtes, Die Zeit, 09.11.06