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Drei Tagebücher: Ingmar Bergman und seine Tochter Maria von Rosen haben erst lange nach dem Tod Ingrid Bergmans beschlossen, die Tagebücher, die sie während ihrer Krebserkrankung geführt haben, zu veröffentlichen. Die Bücher erzählen auf ganz unterschiedliche Weise, wie jeder lernen musste, mit dem nahenden Tod umzugehen. So brechen alte Konflikte zwischen Tochter und Vater auf, die Gefühle schwanken zwischen Trauer, Wut, Liebe und Zorn über die eigene Unzulänglichkeit. Es sind Tagebücher von beeindruckender Authenzität und menschlicher Größe.

Produktbeschreibung
Drei Tagebücher: Ingmar Bergman und seine Tochter Maria von Rosen haben erst lange nach dem Tod Ingrid Bergmans beschlossen, die Tagebücher, die sie während ihrer Krebserkrankung geführt haben, zu veröffentlichen. Die Bücher erzählen auf ganz unterschiedliche Weise, wie jeder lernen musste, mit dem nahenden Tod umzugehen. So brechen alte Konflikte zwischen Tochter und Vater auf, die Gefühle schwanken zwischen Trauer, Wut, Liebe und Zorn über die eigene Unzulänglichkeit. Es sind Tagebücher von beeindruckender Authenzität und menschlicher Größe.
Autorenporträt
Ingmar Bergman (1919-2007) war ein schwedischer Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur. Für seine Filme, darunter 'Das siebente Siegel', 'Szenen einer Ehe', 'Wilde Erdbeeren' und 'Schreie und Flüstern' wurde Bergman u.a. mit drei Oscars, dem Goldenen Bären, dem Goldenen Löwen für sein Gesamtwerk sowie in Cannes mit der 'Palme der Palmen' als 'bester Filmregisseur aller Zeiten' ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Protokoll des Ausgeliefertseins

Über das Sterben der Ingrid Bergman wurde unabhängig voneinander dreifach Tagebuch geführt: von ihr selbst sowie von Ingmar Bergman und Maria von Rosen. Dieser Bericht aus drei Perspektiven über die 1995 Verstorbene ist jetzt bei Hanser erschienen.

Nicht erst seit Celans "Todesfuge" ist die Fuge auch die Form zwanghafter Regelmäßigkeit, unaufhaltsamen Verhängnisses. Zu ihren Techniken gehört die "Engführung", die gegen Schluss immer dichtere, fast kanonhafte, mitunter jagende Folge der Themeneintritte. "Stretta" heißt analog in der italienischen Oper der herausbrechende Arien-Drive, etwa im "Troubadour" von vitalisierender Schubkraft.

Eine Art Engführung radikal anderer Art liegt nun als Buch vor, ein quasi dreistimmiger Bericht über das Sterben, Akt wie Akte förmlich der Autovivisektion. Ebendies macht die Einzigartigkeit eines wahren Dokuments aus, das kurz vor Ingmar Bergmans Tod auch auf Deutsch erschienen ist. Der epochale schwedische Regisseur lernte 1957 Ingrid von Rosen kennen. 1959 kam Maria von Rosen zur Welt. Doch erst 1971 folgte die Heirat. Maria erfuhr erst als Zweiundzwanzigjährige, dass Bergman ihr leiblicher Vater war. Bei Ingrid - nicht zu verwechseln mit der 1982 an Krebs gestorbenen "Casablanca"-Diva Ingrid Bergman, Hauptdarstellerin in Bergmans "Herbstsonate" (1978) - wurde im Herbst 1994 Magenkrebs diagnostiziert; sie starb am 20. Mai 1995. Von der Entdeckung der tödlichen Krankheit bis zum Ende haben Ingmar, Ingrid (bis zum 6. Mai) und Maria unabhängig voneinander Tagebuch geführt, wie seit Jahrzehnten, dabei die immer bedrohlichere Situation wie die außerordentliche Komplexität des Beziehungsgeflechts reflektiert. An eine Veröffentlichung war nicht gedacht. Erst Anfang 2004 kamen Ingmar und Maria überein, die Notate herauszugeben - als "Teil der Trauerarbeit", ein "Zeugnis" (Bergman). Der Eindruck ist beklemmend, gerade weil die Aufzeichnungen nicht als "literarische" Bekenntnisse intendiert waren, sondern als zunächst nur für sich geltende Protokolle der Selbsterfahrung, ja Selbstentblößung - wohl auch im Sinne protestantisch schonungsloser Verbalisierung der condition humaine. Dieses Widerspiel von Autovivisektion und nüchternem Registrieren von Verläufen, auch Alltagsfragen macht die Eindringlichkeit dieser Texte aus, die gleichmäßig, ja, gleichförmig alternierend erscheinen.

Dieses Buch erhebt keinerlei Kunstanspruch. Indirekt freilich kommt dieser doch ins Spiel, zumindest blitzt er in Henning Mankells bewegendem Nachwort auf, wenn er quasi "drei Scheinwerfer, die dasselbe Ereignis beleuchteten", sieht, auch eine "Erzählung von dem Gefühl des Ausgeliefertseins". Nachvollziehbar ist seine Idee, die "drei Erinnerungsbücher" hätten auch zu einem Bergman-Film führen können, "wie in einem Spiegel". Nun durchziehen Mutter-Tochter-Spannungen Bergmans OEuvre von der frühen "Krise" (1945) an; den qualvollen Krebstod einer Frau hat er in "Schreie und Flüstern" (1972) auch als selbstzerstörerisches weibliches Quartett infernal in leuchtendes Blutrot überführt. So makaber es klingen mag: Leben und Werk erscheinen selbst hier nicht säuberlich separierbar.

"Der weiße Schmerz", so der deutsche Titel der Dreier-Bekenntnisse, indes kennt hauptsächlich die Farbe Grau mit den Extremen greller Schneehelligkeit und depressiver Schwärze, das Flackern von Hoffnung und Aussichtslosigkeit, im Hin und Her zwischen drei polyphon aufeinander bezogenen Stimmen, deren Äußerungen gegen Ende tatsächlich engführend immer dringlicher erfolgen. Natürlich sind auch dies "Szenen einer Ehe", der Liebe wie Entfremdung, der Ruhe in der Gewohnheit, aber auch des elementaren Schocks im Verfall der Physis.

Am konstantesten wirken die Aufzeichnungen Ingrids, der unbeirrbar sorgenden Frau und Mutter, die noch kurz vor dem Tod auf das Wohlergehen des genialen Partners bedacht scheint, nur gelegentlich im Schmerz aus sich herausgeht, dann auch die Beziehung kritischer sieht. Ingmar Bergman hingegen nennt sich nicht ohne Bitterkeit "ein sechsundsiebzigjähriges Kind", das ohne Ingrids stetige Praxisfürsorge hilflos wirkt. Natürlich flieht er vor der Katastrophe auch in die Arbeit, die Pflichterfüllung des Regisseurs, dem das Theater eine bestimmende, andere Welt und die Egomanie des Künstlers nicht fremd ist. Aber in der Rigorosität der Selbsterkenntnis, ja, Selbstbezichtigung steht er alles andere als monumental da. Dass er betet, Kerzen anzündet, bezeugt seine ganz eigene protestantische Fixierung, die in seinem Werk so ungefiltert kaum je zutage trat.

Maria hat eine schwierige Rolle ganz besonderer Art, fühlt sich der todkranken Mutter innig verbunden, sieht in ihrer dann scheiternden Schwangerschaft sogar die Möglichkeit, mit dem neuen Leben stellvertretend das der Mutter zu retten, die selber den Mutter-Tochter-Rollentausch thematisiert, auch dies eine Analogie zu "Schreie und Flüstern". Und sosehr sie Ingmar liebt - ein Rest von Fremdheit, auch Kritik gegenüber der übermächtigen Vaterautorität bleibt spürbar.

Die Notate sind nur minimal redigiert worden. Gerade das Triviale, oft Wiederholte lässt das Extreme des Ankämpfens gegen den Tod aufscheinen. Hilfreich wäre ein Glossar gewesen; manche schwedischen Titel, auch Namen erschließen sich zumindest dem deutschen Leser keineswegs. Auf jeden Fall ist dies ein Buch, das Kafkas Wort von der "Axt für das gefrorene Meer in uns" wieder einmal nachvollziehbar werden lässt - gerade, weil es nicht als hohe Literatur daherkommt.

GERHARD R. KOCH

Ingmar Bergman, Ingrid Bergman, Maria von Rosen: "Der weiße Schmerz". Drei Tagebücher. Aus dem Schwedischen übersetzt von Verena Reichel. Nachwort von Henning Mankell. Hanser Verlag, München 2007. 259 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Diese Chronik des Todes von Ingrid Bergman, die sich aus den Tagebüchern ihres Mannes Ingmar Bergman, ihres eigenen und dem der gemeinsamen Tochter Maria von Rosen zusammenfügt, hat Gerhard R. Koch zutiefst berührt, vielleicht gerade deshalb, weil das Buch nicht Literatur, sondern Teil der Trauerarbeit sein will. Während es die Banalitäten des Alltags und den Verfall des Körpers in der tödlichen Krankheit, den dramatischen Wechsel von optimistischem Hoffen und Einsicht in das Ende festhält, scheint in den drei Tagebüchern auch das vielschichtige Beziehungsgeflecht der Tagebuchschreiber auf, teilt der Rezensent mit. Gleichzeitig spiegele sich in der komplexen Beziehung zwischen Tochter und Mutter und im Sterben Ingrid Bergmans auch das filmerische Werk ihres Mannes, so Koch, der hier Leben und Film sich seltsam berührend sieht. Dass die Aufzeichnungen so gut wie gar nicht für die Publikation bearbeitet worden sind und so Wiederholungen aufweisen, die mitunter durchaus "gleichförmig" wirken, macht das Buch noch eindringlicher und bewegender, als es jede künstlerische Arbeit vermocht hätte, so der erschütterte Koch, der lediglich ein Glossar mit schwedischen Titeln und Namen vermisst hat, die sich dem deutschen Leser nicht ohne weiteres erschließen, wie er anmerkt.

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