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"Freude schöner Götterfunken ..." Bei keiner anderen Symphonie können so viele Leute mitsingen. Aber was hat es mit Beethovens Neunter wirklich auf sich? Schillers Ode an die Freude hatte Beethoven lange beschäftigt, bevor er sie vertonte. Zuerst reagierte die Hörerschaft erschrocken, dann mit wachsender Begeisterung. Dieter Hildebrandt erzählt die Geschichte einer Symphonie, die ein beispielloser musikalischer Welterfolg wurde, und die Geschichten über die Literaten und die Musiker, die diesen Erfolg möglich machten.

Produktbeschreibung
"Freude schöner Götterfunken ..." Bei keiner anderen Symphonie können so viele Leute mitsingen. Aber was hat es mit Beethovens Neunter wirklich auf sich? Schillers Ode an die Freude hatte Beethoven lange beschäftigt, bevor er sie vertonte. Zuerst reagierte die Hörerschaft erschrocken, dann mit wachsender Begeisterung. Dieter Hildebrandt erzählt die Geschichte einer Symphonie, die ein beispielloser musikalischer Welterfolg wurde, und die Geschichten über die Literaten und die Musiker, die diesen Erfolg möglich machten.
Autorenporträt
Hildebrandt, DieterDieter Hildebrandt, 1932 in Berlin geboren, lebt heute als freier Schriftsteller im Spessart.Im Carl Hanser Verlag sind zuletzt erschienen: Schillers erste Heldin (Das Leben der Christophine Reinwald, geb. Schiller, 2009), Das Berliner Schloss (Preußens leere Mitte, 2011) und Die Kunst, Küsse zu schreiben (Eine Geschichte des Liebesbriefes, 2014).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Eleonore Büning ist begeistert, denn Dieter Hildebrandt ist es - nicht zum ersten Mal, sie erinnert an das großartige "Pianoforte" - gelungen, einen musikhistorischen Stoff so spannend zu gestalten, dass sich dieser Tatsachenroman lese wie ein Krimi: einfach spannend. Keine lästigen Fußnoten, versichert Büning, aber ein zuverlässiges Register und ausreichende Literaturverweise, so dass sich dieses Buch zugleich wie ein Nachschlagewerk benutzen lasse, weil es elegant alles aufarbeite, was für Beethovens "Neunte" und ihre Rezeption von Bedeutung gewesen sei. Schiller gegen Beethoven, erst harsche Kritik, dann Heldenverehrung, die Neunte hat viele Wechselfälle erlebt, zählt Büning auf. Je näher Hildebrandt der Gegenwart rücke, desto dünner werden allerdings die Kapitel, räumt Büning ein. Dass die DDR-Rezeption gänzlich ausgeblendet bleibt, sei bedauerlich, auch neuere Erkenntnisse der Gender studies fehlten völlig, kritisiert sie milde, denn ihre Einwände erachtet sie selbst als unbedeutend angesichts von Hildebrandts Gesamtleistung, ein so lesbares und vergnügliches, musikfeuilletonistisches Buch geschrieben zu haben.

© Perlentaucher Medien GmbH"

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005

Wollust des Wurms
Das berühmteste Trinklied der Welt: Dieter Hildebrandt über Schillers Ode und Beethovens Neunte / Von Eleonore Büning

Noch einmal hat sich der alte Märchenerzähler einen Zettelkasten angelegt. Wieder sichtete er Schnipsel für Schnipsel und tunkte jede, auch noch die nebensächlichste Information in die Zaubertinte seiner sagenhaften Fabulierkunst. Und so entstand abermals einer jener großen kulturhistorischen Tatsachenromane, die vor dem Leser eine Fülle zuverlässigen Fachwissens ausbreiten, dies jedoch so wundersam bunt geblümt, so ironisch schillernd und humorig aufgeknöpft, daß alle, Kenner wie Liebhaber, befriedigt sind und auf dieser weiten Wiese künftig öfters spazierengehen.

Das nämlich ist das Besondere an den musikalischen Feuilletons des Autors Dieter Hildebrandt: Sie lassen sich einerseits in einem Rutsch weglesen wie Krimis, doch kann man sie andererseits auch immer wieder benützen wie ein Nachschlagewerk. Sein zweiter Klavierroman "Piano Piano" (veröffentlicht 2000) wurde zwar kein ganz so großer Wurf mehr wie fünfzehn Jahre zuvor der erste ("Pianoforte").

Doch jetzt hat sich Hildebrandt einem quotensicheren, wenn nicht dem gewaltigsten aller Musikthemen zugewandt. Wieder ist das Register zuverlässig, verschwindet der Fußnotenapparat elegant in den Querverweisen auf benutzte Literatur, und die Kapitelabfolge wird luftig durchschossen von aufreizenden Motti, die, großen Geistern abgelauscht, in sich ihre eigene Musikalität entwickeln. Das beginnt mit zwei Zitaten: eines von Rudolf Borchardt (kniefällig über Schiller) und eines von Romain Rolland (sympathetisch über Beethoven), die sich ergänzen zur geschlossenen Form: Das eine beginnt mit den Worten "Die Welt ist schwer". Das andere endet messianisch damit, daß einer kam, sie leichter zu machen: ein "Schöpfer der Freude und schenkt sie der Welt".

Nicht nur aus jubiläumskonjunkturellen Gründen also hat Hildebrandt fast alles Greifbare über den triumphalen Rezeptionsweg der letzten und neunten Symphonie Beethovens verzettelt, die am 7. Mai 1824 im Kärntnerthor-Theater in Wien zur Uraufführung kam. Wie man weiß, stieß das Stück anfangs auf harte Kritik, die Zeitgenossen spielten Schiller gegen Beethoven aus und fanden im Chorfinale "die Poesie auf unbegreifliche Weise mißhandelt". Seither hat sich das kritische Mißverstehen in eine kritiklose, nicht minder unverständige Heldenverehrung verkehrt, über die bereits Berge von rezeptionsästhetischen Studien verfaßt wurden.

Hildebrandt verfolgt diesen windungsreichen Weg mit wohltuend süffisantem Abstand. Wenn er die Wurzel der Freudenode im Trinklied aufsucht, läßt er die Anekdote der fünf Weingläser, die Schiller kaputtgeschmissen hat, nicht aus. Verfolgt er die Provenienz der Ode zurück bis zum Klopstockschen "Rap des Rokoko", fragt er sich auch, warum ausgerechnet dem Wurm Wollust gegeben ward und wie sich dieser Wurm später bei Dostojewski in ein "Insekt", die Wollust aber in reines "Zuckerschlecken" verwandeln konnte. In erster Linie aber ist und bleibt die Neunte auch für Hildebrandt immer noch das Zeugnis einer "wahnwitzigen, widersinnigen, wertestürzenden Zeit": einer versunkenen Revolutionsepoche, aus der sich Karl-May-mäßig fesselnd erzählen läßt wie von Expedition, Abenteuer und Lagerfeuer.

Das sind die stärksten Seiten dieses Neunte-Romans. Danach geht es in dem Thema angemessenen Riesenschritten einmal quer durch die Rezeptionsgeschichte: wie die Neunte alsbald auf den Sockel kam, wie sich Mitte des neunzehnten Jahrhunderts auf einem Humus aus Nationaldenken und Restaurationsmuff die "rückwärts gewandten Ruinen" (Robert Schumann) der großen Denkmäler aufrichteten bis hin zu der großen katastrophischen Wende: als Furtwängler die Neunte zu Hitlers Geburtstag dirigierte und Adrian Leverkühn infolgedessen (in Thomas Manns "Doktor Faustus") die Botschaft Beethovens offiziell wieder zurücknehmen mußte. Bis zu Kagel und Kubrick verfolgt Hildebrandt diese Spur einer notwendigen Dekonstruktion. Doch mag er sich ihr nicht anschließen.

Gewiß hat Hildebrandt selbst jüngst erschienene Aufsätze befragt und neuere Standardwerke wie Andreas Eichhorns Studie "Die neunte Sinfonie" (1993) oder das gerade erschienene Schiller-Buch Rüdiger Safranskis zu Rate gezogen. Doch hauptsächlich interessiert er sich für den Finalsatz und die Apotheose der prekären Freudenode. Je näher sein chronologischer Erzählfluß der Gegenwart kommt, desto dünner und dürftiger werden die Kapitel. Was völlig fehlt, ist dann beispielsweise die realsozialistisch verordnete Staatsmusikrezeption der "Bringer Beethovens" in der DDR: Gut vierzig Jahre deutsch-deutscher Geschichte werden einfach ausgeblendet, in denen die ideologische Vereinnahmung des Beethoven in die Schuhe geschobenen Menschheitsbeglückungs-Pathos eine mindestens so fatale Rolle spielte wie in der Nazizeit. Aus dieser Wessi-, genauer gesagt: Münchner Sicht, kann es dann auch passieren, daß der Autor kurzerhand Berliner Orchester verwechselt und Kent Nagano plötzlich die Neunte nicht mit seinem eignen Deutschen Symphonie Orchester (DSO) aufgeführt haben soll, vielmehr mit Eliah Inbals Berliner Sinfonie Orchester (BSO), worüber sich beide Dirigenten nicht schlecht wundern werden. Auch fehlt jeder Hinweis auf neuere Erkenntnisse der gender studies in der Beethoven-Rezeption. Die Frage, warum Schillers Menschen nur Brüder und (noch) nicht Schwestern werden, warum Beethoven selbst dann später als ein "Held zum Siegen" in die Kompositionsgeschichte einging, stellt sich für Hildebrandt gar nicht erst.

Selbst gängigste Klischees lassen sich nicht immer ganz umschiffen: Der mürrisch-bizarre Zottelkopf, der seinen Adlatus Schindler zwiebelt und kompensatorisch in der Einsamkeit seiner Taubheitsstille nach Sternen greift, geistert auch wieder durch dieses Beethoven-Buch. Und wer sich mit Giganten einläßt, dem mögen auch kleine Dinge sich ins Monströse verdrehen. Manchmal, wenn ihm sein Pegasus wieder durchgeht, wenn Hildebrandt mit jenem "pastosen Pathos" (welches er irrtümlich ausgerechnet Karajan unterstellt) wieder einmal "Welttrotz" auf "Werktrotz" reimt und ernsthaft von "Einheit der Erdenbürgerschaft" räsoniert, dann wünschte man sich statt der Neunten am liebsten eine Bagatelle her: einfach eine Nummer kleiner. Doch sind all dies Kleinigkeiten, beckmesserische Einwände gegen ein herrliches Schmöker- und Verschenke-Buch, das zwar nicht das erste oder letztgültige Buch über die Neunte geworden ist. Doch aus der Flut der Beethovenliteratur ist es das mit Abstand lesbarste, lockerste und freudig-vergnügteste.

Dieter Hildebrandt: "Die Neunte". Schiller, Beethoven und die Geschichte eines musikalischen Welterfolgs. Hanser Verlag, München und Wien 2005. 367 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.04.2005

Alle Guten, alle Bösen
Dieter Hildebrandt folgt der Rosenspur: Schillers Freude und Beethovens Neunte
Zum Weltkulturerbe der Unesco gehört seit 2002 ein Musikwerk. Ein Tondokument, das in seiner 180-jährigen Geschichte zum Inbegriff musikalischer Erhabenheit und Popularität wurde - Beethovens Neunte Symphonie mit der himmelschreienden, fremdartig wirkenden Chorfinalcollage auf Schillers Ode „An die Freude”. Das Phänomen des Stücks mit dem umstrittenen und zum Mythos erhobenen vierten Satz harrte einer historisch-populären Darstellung diesseits der Notenanalyse. Die Entstehungsgeschichte, die komplizierte Text-TonBeziehung, die Rezeptionsgeschichte bis hin zur Vereinnahmung, Trivialisierung - es musste einmal für den allgemeinen Leser aufgearbeitet werden, am besten im Schiller-Jahr. „Geschichte eines musikalischen Welterfolgs” nennt Dieter die Symphonie, die er in einen schwungvollen, griffig gebauten, mit Überraschungen aufwartenden und sogar amüsant zu lesenden Musikgeschichtsroman verwandelt. 
7. Mai 1824, es ist Freitag, „ein Tag für das globale Gedächtnis, ein Datum aus dem Kalender der Menschheitsgeschichte, Vorgriff auf eine unbekannte Nachwelt. Schöpfungsakt einer Zukunftsmusik ohnegleichen. Das, was man später eine Sternstunde nennen wird”. Mit dem nötigen Pathos beginnt Hildebrandt sein erstes Kapitel, das den abenteuerlichen Umständen der Uraufführung der Neunten gewidmet ist. Aber in dem Ton kann das Buch doch nicht weiter gehen? Der Autor macht sich hundert Seiten später selbst lustig über die Erregung, „mit der heute in der Fachwelt vom Finale eine geradezu geweihte Rede ist”. Dazu bringt er Beispiele, wie sich die Musikologen „auf Musikelogen kapriziert” und die „Wissenschaftler in Hymniker verwandelt” hätten.
Hildebrandt lässt sich auch durch den schönen Götterfunken kaum aus der Rolle des geduldigen Sammlers historischer Fakten und Überlegungen drängen. Zunächst tritt in „Neun Expeditionen in ein Weltgedicht” der 26jährige unglückliche Dichter Schiller auf den Plan. Dessen ausgedehnte prometheische Ode, aus der Beethoven sich seine Verse klaubte, wird in ihren furiosen Wortfügungen nach Sprachtechniken und Bedeutungen abgeklopft. Gefragt wird etwa, warum derjenige, der es nicht schafft, „eines Freundes Freund zu sein”, mit der Zeile geächtet wird: „ . . . der stehle / weinend sich aus diesem Bund”. Wieso dieser „Rausschmiss”? Jean Paul bedauerte ihn: „Wie poetischer und menschlicher würde der Vers durch drei Buchstaben: der stehle weinend sich in unsern Bund! Denn die liebeswarme Brust will im Freudenfeuer eine arme erkältete sich andrücken.”  
Auch Adorno entlarvt die anstößige Zeile, sah in ihr „die Wahrheit über den bürgerlichen, zugleich totalitären und partikularen Begriff der Menschheit”. Hildebrandt erschließt sich die Stelle im Blick auf Schillers Jugend. Sechs Jahre war der Dichter in der Stuttgarter Karlsschule „erzogen” worden, die harten Anstaltsjahre scheinen auf, das Trauma etwa, das Schiller dort von einem geliebten Freund zugefügt wurde, der ihn kalt verraten hatte. Textkritik bei der Zeile „Wollust ward dem Wurm gegeben”. Kein dichterischer Fehlgriff, sondern schon der zwanzigjährige Mediziner Schiller hatte in einem Aufsatz „den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen” untersucht. Den bösen Höfling in „Kabale und Liebe” belegte er später mit diesem Namen: Wurm.
  Dann endlich Beethoven: „Der Leidensweg zum Jubel”. Die Leseerfahrungen des heranwachsenden Bonner Komponisten gipfeln in Schillererlebnissen wie dem Freiheitsruf des Don Carlos. Die Beziehung zur Freuden-Ode indes dehnt sich über dreißig Jahre, bevor Beethoven mit ihrer Hilfe das selbst gestellte Problem des Finales der Neunten knacken kann, das Tabu einer symphonischen Entgrenzung. Der vierte Satz wird zum „Spreng-Satz”. „Beethoven lehrt philosophieren, wenn nicht beten”, seufzt Hildebrandt bekennerhaft; er will nachweisen, wie das Schiller-Lied „für Beethoven nicht mehr Text-, sondern Lebensmaterial” geworden war, „ein biographischer Schatz, tief verborgen, aber angereichert mit Leidenserfahrung und Resignation”. Die „Freude” wird zum kostbarsten verlorenen Gut der Existenz.
Dann die lange Rezeptionsgeschichte: die irritierten Kritiker, die aufgestörten Komponisten Schumann und Wagner, die Neunte in Amerika. Oder die Freiheit, die sich Leonard Bernstein im Dezember 1989 im Vereinigungstaumel an der gefallenen Berliner Mauer nahm: „Freiheit, schöner Götterfunken”. Es wird Schiller-Philologie bemüht, eine „literarische Detektivgeschichte” nacherzählt, eine „Subversionslegende”. Beethoven hätte zu dieser „Freiheit” seinen Segen gegeben, aber Schiller?
Was folgt, ist das Abdriften der Neunten ins Niedere, Abseitige - als nationaler Kult deutscher Seele, vom Ersten Weltkrieg bis hin zum „Bollwerk Beethoven” und zum „Kampfgenossen Schiller” der Nazis, mit Seitenblick auf Staatskapellmeister Furtwängler. Schließlich Thomas Manns Adrian Leverkühn und dessen Empörung über den deutschen Geist-Verrat im Dritten Reich, mit der Frage von Hans Mayer: „Gibt es eine Zurücknahme der Neunten Symphonie in unserem Jahrhundert dergestalt, dass eine jede Aufführung des Freudenhymnus bloß den schmerzlichen Abstand erkennen macht zu Beethoven wie zu Schiller, zur Welt der Aufklärung und zum Postulat der Brüderlichkeit?”
Folterinstrument, Europahymne
Als wäre das alles längst verdaut, wird der Komplex der Neunten irgendwann neu intoniert, sie ist „nicht mehr zurückgenommen, sie kehrt als Folterinstrument wieder” - in Kubricks „Clockwork Orange” und in Kagels entfesselter „Ludwig van”-Groteske. Die Europa-Hymne mit dem „Song of Joy” ist kaum angestimmt, da folgt die Unesco als „Weltkulturerbe oder Werbematerial?”, es folgt die Autoreklame der Firma Ford „als Gleichnis all dessen, was dem Werk, von Anfang an, widerfahren ist: der Einträge, der Verhunzungen, Verzerrungen, Retuschen, Eigenmächtigkeiten, Überfremdungen, Entstellungen; der pathetischen Dirigiergesten, der Instrumentationstricks, der Versenkung in Prestige, Eitelkeit und Geschäftigkeit”.
Finale wiederum mit Pathos, dazu Fragen. Die Wanderung mündet in das Bekenntnis zu einem anders gesehenen Schiller, diesem „Genie der Leidenschaft”, zu einer etwas anders zu verstehenden „Freude”. Der Dichter geht uns noch an, „er stellt uns zur Rede, er fragt uns: Wie, ohne Leidenschaft, wollt ihr etwas erreichen? Wie, ohne Pathos des Zorns, wollt ihr gehört werden? Wie, ohne Courage, wollt ihr frei werden zur Freude?” Die Skepsis lässt sich auch in Konzertsälen beobachten. Hildebrandt hat dort in letzter Zeit eine „andere” Neunte gehört, im Klang einer „extremen Ausgesetztheit”, im Tonfall der „Protesthärte”. Er nennt die Dirigenten Abbado, Rattle und Gardiner, Norrington und Nagano. Simon Rattle hatte sie im Steinbruch des ehemaligen KZ Mauthausen dirigiert. Nicht zu vergessen: Michael Gielen war es, der Beethovens Neunte Symphonie vor Jahrzehnten mit Schönbergs Kantate „Ein Überlebender aus Warschau” zusammengedacht und musiziert hatte - diese, wie sie hier genannt wird, „Symphonie des Sisyphus”.
WOLFGANG SCHREIBER
DIETER HILDEBRANDT: Die Neunte. Schiller, Beethoven und die Geschichte eines musikalischen Welterfolgs. Hanser Verlag, München 2005. 367 S., 24,90 Euro.
Leonard Bernstein im Dezember 1989 in Berlin, nachdem er „Freiheit, schöner Götterfunken” singen ließ
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"Die Entstehungsgeschichte dieser Text-Ton-Beziehung verwandelt Hildebrandt in einen amüsant zu lesenden Musikgeschichtsroman." Wolfgang Schreiber, Süddeutsche Zeitung, 09.04.05

"Einer jener großen kulturhistorischen Tatsachenromane, die vor dem Leser eine Fülle zuverlässigen Fachwissens ausbreiten, dies jedoch so wundersam bunt geblümt, so ironisch schillernd und humorig aufgeknöpft, daß alle, Kenner wie Liebhaber, befriedigt sind und auf dieser weiten Wiese künftig öfters spazierengehen. ... Ein herrliches Schmöker- und Verschenke-Buch, aus der Flut der Beethovenliteratur ist es das mit Abstand lesbarste, lockerste und freudig-vergnügteste." Eleonore Büning, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.05

"Eine toll geschriebene, faszinierende und spannende Kulturgeschichte." Carsten Fastner, Falter, 17.06.05