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Wie weit springt ein Floh - und warum? Was haben Dichter und Schachspieler gemein? Primo Levi, Schriftsteller und Chemiker, schaut in vielen dieser witzig erzählten Betrachtungen über den Zaun seines eigenen Metiers hinaus und dilettiert genüsslich - und zum Vergnügen des Lesers - im Bereich der Naturwissenschaften, der Linguistik und der Astronomie.

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Produktbeschreibung
Wie weit springt ein Floh - und warum? Was haben Dichter und Schachspieler gemein? Primo Levi, Schriftsteller und Chemiker, schaut in vielen dieser witzig erzählten Betrachtungen über den Zaun seines eigenen Metiers hinaus und dilettiert genüsslich - und zum Vergnügen des Lesers - im Bereich der Naturwissenschaften, der Linguistik und der Astronomie.
Autorenporträt
Levi, Primo
Primo Levi, 1919 in Turin geboren, dort Studium der Chemie. Ende 1943 als Mitglied der Resistenza verhaftet, im Januar 1944 ins Lager Fossoli bei Modena geschafft und im Februar nach Auschwitz deportiert. Nach seiner Rückkehr nach Italien arbeitete er bis 1977 in der chemischen Industrie. Seine beiden autobiographischen Bücher, seine Romane und Erzählungen wurden mit wichtigen Literaturpreisen ausgezeichnet, seine Werke in alle Weltsprachen übersetzt. 1987 nahm sich Levi in Turin das Leben. Bei Hanser erschienen Wann, wenn nicht jetzt? (Roman, 1986), Ist das ein Mensch? - Die Atempause (1988), Der Freund des Menschen (Erzählungen, 1989), Die Untergegangenen und die Geretteten (1990), Der Ringschlüssel (Roman, 1992), Das Maß der Schönheit (Erzählungen, 1997), Zu ungewisser Stunde (Gedichte, 1998), Gespräche und Interviews (1999), Anderer Leute Berufe (Glossen und Miniaturen, 2004) und So war Auschwitz (Zeugnisse 1945-1986. Mit Leonardo De Benedetti, 2017).

Barbara Kleiner, promovierte Germanistin und Romanistin aus München, Jahrgang 1952. Sie erhält den Übersetzerpreis der Kulturstiftung NRW für ihre Übertragung von Ippolito Nievos Werk "Bekenntnisse eines Italieners" (Manesse Verlag, 2005) aus dem Italienischen ins Deutsche. Gleichzeitig wird das Gesamtwerk der Übersetzerin ausgezeichnet. Die Kunststiftung NRW verleiht den renommierten Preis, der mit 25.000 zu den höchstdotierten Auszeichnungen für literarische Übersetzer im deutschsprachigen Raum gehört, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2005

Aus Wassertropfen Ozeane
Der Chemiker Primo Levi findet den literarischen Stein der Weisen

Das große Ganze - steht es inzwischen nicht unter dem gutsituierten Verdacht, totalitäre Zwänge auszuüben? Seit der Nachkriegszeit wird ihm deshalb der kulturelle Prozeß gemacht. Der einzelne in seinen Einzelheiten, das Sichtbare, Naheliegende, die Unverdächtigkeit des Dinglichen, die kleine Alltäglichkeit sollte vor großen ideologischen Übergriffen schützen. Hier entlang verläuft jedenfalls die Auffanglinie von Trümmerliteratur, Nouveau Roman oder Neorealismus.

An ihr auch bezog Primo Levi (1919 bis 1987) Stellung, als er aus Auschwitz zurückkam. Seinem ersten Werk, "Ist das ein Mensch?" (1947), vertraute er an: "So ist menschliche Natur, daß sich Leiden und Schmerzen für unser Empfinden nicht zu einem Ganzen zusammenfügen; sie verbergen sich." Diese Einsicht hat seine Sichtweise bis zuletzt grundiert. Wohl deshalb auch hat er nur einen einzigen Roman geschrieben ("Wann, wenn nicht jetzt?", 1982). Alles andere sammelt jeweils aufs neue Erzählbausteine; in einer Geschichte kommen sie allerdings nicht mehr unter. Doch Levi wußte aus solchen Fragmenten, Miniaturen, Anekdoten und Glossen eine Kunst zu machen. Ein letztes Beispiel dafür sind die vorliegenden Feuilletons und Streiflichter, die von 1976 bis 1984 in der Tageszeitung "La Stampa" erschienen. Wie in seinem langen Berufsleben erweist er sich auch darin als Chemiker der Literatur. Noch so beiläufige, unauffällige, marginale Lebensinhaltsstoffe, die wir wie Kleingeld behandeln, ziehen seinen eindringlichen Blick an. Da es immer Wichtigeres gibt, sind sie nicht der Rede wert. Hier setzt Levi an. Er bringt sie in sein Sprachlabor, ,demontiert' ihre stumme Oberfläche und bringt sie wieder zum Sprechen. Er fragt: Warum sind Schmetterlinge schön? Warum haben wir Angst vor Spinnen? Warum halten wir Ohrwürmer für gefährlich? Wie ein Mikroskop ein (sein) Leben verändern kann; warum es nicht wahr ist, daß sich nur durch Dunkelheit die Dunkelheit ausdrücken läßt, aus der wir kommen (sein literarisches Credo, das er gegen Celan und Trakl setzt). Wie wir Insekten den Schellack abgewannen und er ihre Arbeiterinnen zu Insekten macht; was uns fossile Wörter zu sagen haben. Ob man ein völlig neues Tier erfinden könnte. In diesem Sinne läßt er aus Wassertropfen Ozeane entstehen.

Alles hat eine Geschichte, wenn man den Dingen nur auf den Grund geht. Dies ist der ,wissenschaftlich' neugierige Vorsatz von Levis Fabulierlust. Sie stört mit Vergnügen (auf seiten des Autors und des Lesers) unsere Alltäglichkeit mit ihrer mentalen Seßhaftigkeit, um uns damit vertraut zu machen, daß wir uns - eigentlich - inmitten einer Wunderkammer unabgegoltener Geschichten befinden.

Doch allmählich, je mehr Levi von diesen Mosaiksteinen auslegt, formiert sich unterhalb ihres anmutigen Esprit ein Souterrain mit ganz eigenen Gesetzen. Ein Autor, der alle Freiheiten hat, wenn er eine Figur erfindet, ist danach an sie gebunden. Hier herrscht die Unverständlichkeit jahrhundertealter Abzählverse; ein Schmetterling in der Vergrößerung weckt Gefühle des Grauens und des Ekels; Holz verlangt nach Oxydation, das heißt nach seiner Selbstzerstörung; eine Art unter den Glühwürmchen lockt die Männchen an, um sie aufzufressen; der Name Derrick - man kennt ihn - geht auf einen Scharfrichter zurück, der in seinen Beruf vernarrt war und ein neues Galgenmodell erfand.

Die Sachfiktionen, die Levi erzählt, stellen die kleine Welt des Alltags auf den Kopf: Sie weisen ihr nach, daß ihre Sicherheit ihrerseits auf einer abgründigen Fiktion beruht - verläßlich ist sie nur, solange keine Fragen gestellt werden. Wer es dennoch tut, weil er sich seiner verbliebenen Gewißheiten vergewissern will, entdeckt, daß sie auf Phantasmen beruht. Sie aber sind inkohärent, abwegig, schwankend, gefräßig, bodenlos. Sie machen Angst und flößen das ,Unbehagen von Waisenkindern' ein. Die Heiterkeit Levis ist Heiterkeit am Abgrund. Zwei Jahre nach diesem Buch ließ er sich fallen.

WINFRIED WEHLE

Primo Levi: "Anderer Leute Berufe". Glossen und Miniaturen. Aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Kleiner. Carl Hanser Verlag München/Wien 2004. 185 S., br., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Maike Albath empfiehlt Primo Levis "Miniaturenkompendium" als "klassisches Buch für den Nachtschrank". Levi dilettiert fröhlich auf fremden Gebiet und entpuppt sich als interessierter Leser von Wörterbüchern. Mit "heiterer Gelassenheit" erforscht er die Transfer-Leistungen der Sprache ebenso wie den Charakter von Energie; seine "Weltneugierde" empfindet die Kritikerin als erfrischend und "ansteckend" und stößt nebenbei auf einige "überraschende" Erklärungen. Die eigenen schriftstellerischen Tätigkeiten schildert Levi "unprätenziös", überhaupt herrscht ein "beiläufiger Tonfall" vor, der Albath sehr behagt. Damit man das "Kuriositätenkabinett" voller kleiner Entdeckungen und Beobachtungen aber in vollen Zügen genießen kann, sollte man nur eine Glosse pro Abend lesen, "keinesfalls mehr".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.04.2005

Das erfundene Tier
Heiter und streng: Primo Levi in seinen „Glossen und Miniaturen”
Dieses Buch ist im italienischen Original im Jahre 1985 erschienen, noch zu Lebzeiten seines Autors , der sich, geboren 1919 in Turin, im April 1987 in seiner Heimatstadt das Leben nahm. Als Mitglied der Resistenza war Primo Levi verhaftet und Anfang 1944 nach Auschwitz deportiert worden. Er überlebte, weil er als Chemiker im Nebenlager Monowitz-Buna arbeitete. Zum Schriftsteller wurde er durch die Bücher „Ist das ein Mensch?” (1947) und „Die Atempause” (1963), in denen er den Alltag im Lager und seine Rückkehr nach Italien quer durch Europa schilderte.
In den hier versammelten Glossen und Miniaturen, die zwischen 1976 und 1984 meist in der Turiner Tageszeitung La Stampa erschienen, steht eher der Chemiker Levi im Vordergrund als der ehemalige Auschwitz-Häftling. Einmal stellt sich der Chemiker als der Lehrmeister des Schriftstellers vor: „Chemie ist Scheidekunst, Kunst des Wiegens und des Sonderns: drei Kunstübungen, die auch demjenigen zugute kommen, der Vorgänge beschreiben oder der eigenen Phantasie Gestalt verleihen will.” Zu den Tugenden, die Levi in diesen luziden Texten beschwört, gehören die Umsicht, die Analyse und die Neugier. Er schildert in modernen Novellen aus der Welt der Technik Explosionsgefahren und wie ihnen der Fachmann vorbeugt, und zugleich interessiert er sich für vieles, das nicht zu seinem Fachgebiet gehört.
Er ist leidenschaftlicher Dilettant der Zoologie wie der Etymologie, und von diesem Liebhaber und Jäger seltener Tiere und ungewöhnlicher Wörter stammen einige der schönsten Seiten in diesem Buch. Etwa die Glossen über Schmetterlinge, Käfer, Flöhe, Spinnen, Vögel und die hinreißenden Paraphrasen und Kommentare zu Texten von Turiner Schülern, denen die Aufgabe gestellt war, ein selbst erfundenes Tier zu beschreiben. Oder die kleine Hommage des Turiners auf „jene Vokabeln des piemontesischen Dialekts, die ohne Vermittlung des Italienischen direkt vom Lateinischen abstammen.” Hier wie im Loblied auf ein „Buch der kuriosen Daten” erweist sich Levi als Liebhaber der Arabeske, der Abschweifung und des abgelegenen Details.
Aber nie gibt der Fachmann, der Analytiker, der Rationalist und Anwalt der Klarheit im Denken und Schreiben das Heft aus der Hand. So heiter und entspannt es in diesem Buch in vielen Passagen zugeht, so unverkennbar ist, dass darin auch Zonen des Schreckens berührt werden, dass es hier wie in der Natur einen horror vacui gibt: das Grauen angesichts einer Sprache, die sich in sich selbst zurückzieht, die das Dunkel der Klarheit vorzieht und darauf verzichtet, Mitteilung zu sein. Der Essay „Über dunkles Schreiben” gehört daher zu den erhellendsten Texten des Autors Levi über sich selbst.
Ausgangspunkt ist Levis Unwille angesichts der in den siebziger Jahren aufkommenden Rhetorik des Schweigens und der Loblieder auf Texte, die „an der Grenze des Unsagbaren, des Nicht-Existenten, des tierischen Klagelautes ertönen”. Dagegen setzt er sein eigenes Credo als Schriftsteller: „das Sagbare ist dem Unsagbaren vorzuziehen, das menschliche Wort dem tierischen Gewinsel.” Und er grenzt sich gegen zwei Helden des „dunklen Schreibens” ab: Ezra Pound und Paul Celan. Bei Pound fällt die Abgrenzung summarisch-unwirsch aus. Ihn liest Levi als pathologischen Fall, für den gilt, „dass seine poetische Dunkelheit dieselben Wurzeln hat wie sein Übermenschentum, das ihn erst in den Faschismus und dann in die selbstgewählte Isolation trieb: das eine wie das andere erwuchs aus seiner Verachtung des Lesers.”
Gegenüber dem verblendeten Pound erscheint Paul Celan als der legitime Antipode der Klarheit: „Celans Dunkelheit entspringt weder der Verachtung des Lesers noch unzulänglichem Ausdrucksvermögen, noch kommt sie aus einem trägen Sichtreibenlassen auf dem Strom des Unbewussten; sie ist wirklich das Spiegelbild der Dunkelheit seines Schicksals und des Schicksals seiner Generation, und immer dichter schließt sie sich um den Leser, wie eine eisern-eisige Umklammerung. . . Ich meine, über den Dichter Celan sollte man nachdenken und ihn betrauern, man sollte ihm aber nicht nacheifern.” Als „Sprache eines Sterbenden”, des Alleinseins im „Augenblick des Todes” deutet Levi die späte Lyrik Celans. Seine eigene Prosa ist ebenso streng dem Leben verpflichtet: „Da wir Lebenden aber nicht allein sind, sollten wir auch nicht so schreiben, als wären wir es.” Diese Miniaturen sind mehr als Nebenarbeiten. Sie sind ein Selbstporträt ihres Autors.
LOTHAR MÜLLER
PRIMO LEVI: Anderer Leute Berufe. Glossen und Miniaturen. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Hanser Verlag, München 2004. 188 S., 17,90 Euro.
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"Das Buch besticht durch ein Zusammenspiel von eindrucksvollem Ernst und an den exakten Wissenschaften geschultem Geist mit prägnantem Witz und komödienhaftem Humor." Renate Wiggershaus, Frankfurter Rundschau, 17.11.05