Marktplatzangebote
12 Angebote ab € 2,61 €
  • Gebundenes Buch

Der Lyriker Rolf Haufs ist seit Jahren eine der profiliertesten Stimmen der deutschen Poesie. Christoph Buchwald hat eine Auswahl zusammengestellt, die einen repräsentativen Überblick über Haufs Gesamtwerk gibt, von den frühesten Sammlungen bis hin zu dem gerühmten "Augustfeuer" und ergänzt durch eine Reihe neuer, bisher unveröffentlichter Gedichte.

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Der Lyriker Rolf Haufs ist seit Jahren eine der profiliertesten Stimmen der deutschen Poesie. Christoph Buchwald hat eine Auswahl zusammengestellt, die einen repräsentativen Überblick über Haufs Gesamtwerk gibt, von den frühesten Sammlungen bis hin zu dem gerühmten "Augustfeuer" und ergänzt durch eine Reihe neuer, bisher unveröffentlichter Gedichte.
Autorenporträt
Haufs, Rolf
Rolf Haufs, 1935 in Düsseldorf geboren, lebte in Berlin. Er starb am 26. Juli 2013. Für sein lyrisches Werk wurde er u. a. mit dem Hans-Erich-Nossack-Preis und dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet. Bei Hanser erschienen zuletzt Augustfeuer (Gedichte, 1996) und Aufgehobene Briefe (Gedichte, 2001).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2002

Seelenwagen mit Reifenpanne
Ein Gedicht ist nicht nichts: Rolf Haufs zieht lyrische Bilanz

Vor fast vierzig Jahren, im Jahr nach der Mauer, erschien "Straße nach Kohlhasenbrück", der erste Gedichtband eines siebenundzwanzigjährigen Rheinländers, der seinen Job als Exportkaufmann aufgegeben und beschlossen hatte, in Berlin als freier Schriftsteller zu leben. Den jungen Rolf Haufs interessierten die Wundränder der geteilten Stadt, darunter ebenjene Straße nach Kohlhasenbrück, von der aus Steinstücken erreicht werden konnte. In dem Gedicht "Steinstücken" heißt es: "Wir sind nicht viele. Doch berühmt. / Willy Brandt braucht einen Passierschein. / Die Pappeln sind spitz. Die Schranke / sieht aus wie eine Kanone." Unter dem Text steht heute die notwendige Anmerkung: Steinstücken: "ehem. Westberliner Exklave".

In seinem dritten Gedichtband "Vorstadtbeichte" (1967) stehen die Zeilen: "Über der schwarzen Havel / gehorchen auch die Wälder." Dieses Wissen hat Haufs davor bewahrt, in den Aufgeregtheiten der außerparlamentarischen Bewegung auf Schlagworte zu setzen und das Gerede vom Ende der Literatur mitzumachen. Aber wenn es ein Gedicht gibt, das den Beginn des politischen Aufbruchs anschaulich und plausibel macht, dann ist es Haufs' "Ein Augenblick im Juni". Es beginnt: "Sie gab mir eine rote Tomate / Ich aß sie statt sie zu werfen / Ich sagte jetzt schießen sie / sie lachte weil sie nicht wußte / Wie leise Pistolenschüsse sind / In einem Hof." Mit der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg verbanden viele junge Leute ihre politische Initiation.

Haufs widerstand der Versuchung zur ideologischen Radikalisierung. Was er in den siebziger Jahren schrieb, demonstrierte eher die sukzessive Distanzierung des Autors von Freunden, die sich in dogmatischen Positionen eingeigelt hatten und verbissen schwiegen. Es war für den Dichter eine "Größer werdende Entfernung". Unter diesem Titel faßte Haufs drei Jahre später seine "Gedichte 1962-1979" zusammen. Ein sprechender Titel für Sichtung und Abschied, die erste große Bilanz des Lyrikers. Aber sie enthielt auch Verse, die die Zukunft offenhielten und ein Weitermachen des Lyrikers ermöglichten: "komm wir reden, sagst du. / Aber jetzt."

Heute, gut zwei Jahrzehnte später, haben wir mit dem Band "Aufgehobene Briefe" die Bilanz eines Mannes Mitte Sechzig und damit so etwas wie ein Lebenswerk oder doch dessen Extrakt aus dreizehn Bänden Lyrik und lyrischer Prosa. Dazu ein knappes Dutzend neuer Gedichte. Nicht der Autor selbst hat ausgewählt, sondern ein befreundeter Lektor, Christoph Buchwald. Er hat dem Band ein gutgelauntes Nachwort beigegeben, die Nachzeichnung eines Kneipengesprächs. Da versucht er, bei fünf Bardolino Riserva, dem auskunftsscheuen Poeten das eine oder andere Bekenntnis zu entlocken. Er bringt "Malte" ins Spiel, ein scherzhaft so genanntes alter ego des Dichters: Was der strenge Haufs nicht aussprechen mag, darüber ist von Malte durchaus etwas zu hören - etwa: "Anders als in seinen lyrischen Anfängen, sagt Malte und tut, als sei er der Dichter persönlich, geht Haufs heute eher von Sprache und Sprachklang aus als von einem Inhalt." Malte behauptet sogar, "daß die Geschichte per se den Haufs immer nur vordergründig interessiert hat. Aber da sie nun mal ,parallel' zur Biographie verläuft, kann man sie nicht ausklammern, ohne im Esoterischen oder Belanglosen zu landen."

Ob Malte, ob Haufs - dem kann sich der gegenwärtige Leser durchaus anschließen. Er möchte auch nicht den "OEuvrephasenfetischisten" herauskehren und darauf insistieren, daß sich nach dem Sammelband von 1979 ein gelösterer, souveränerer Haufs zeigt. Denn er muß zugleich einräumen, daß es einen unverwechselbaren Ton gibt, der von Anfang an da ist. Das zeigt sich in der Komposition des Bandes. "Aufgehobene Briefe" ist nämlich nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet.

Interessant aber sind die Mischungen und Übergänge. Nicht erst seit "Kinderjuni" (1984) gibt es die lyrischen Stenogramme einer durch den Krieg traumatisierten Kindheit: "Brandroter Himmel über den Steinen / Schrie daß die Seele / Beschädigt lebenslang." Es gibt wenige Lyriker, die so unsentimental und genau über Kindheit im Nazireich geschrieben haben wie Haufs. Etwa über die Verschüttung nach einem Bombenangriff, über einen autoritären Vater oder die Erziehung in Kinderheimen: "Ich trat / In eine Scherbe mein Fuß / Blutete Hitler / Sah weg."

Biographie hat immer mit Geschichte zu tun. Auch in den Gedichten, in denen das Berliner Lokalkolorit der Hintergrund ist, vor dem sich das bekannte lyrische Ich mit den Problemen von Liebe und Sex, Ehe und Partnerschaft herumschlägt. Der flotte Titel "Rote Stiefel", der über der einschlägigen Abteilung lockt, sollte uns nicht täuschen. Haufs ist ein Meister in der Darstellung von Frust und Resignation. Etwa in jenem Gedicht, in dem das frisch miteinander bekannte Paar eine Ausstellung aufsucht ("Salon Imaginaire"), miteinander zu Abend ißt und zu diesem Schluß kommt: "Als es dann endlich soweit war / Sagte sie wir könnten doch / Auch eine Platte anhören / Bob Dylan auf CBS S 62739."

Die schönsten und wichtigsten Gedichte des Bandes finden sich in dem Kapitel "Galerie". Es sind Hommagen auf Kollegen wie Franz Schonauer, Günter Grass, Erich Arendt, Günter Bruno Fuchs, Johannes Bobrowski und Peter Huchel. Aber auch auf die rheinische Großmutter oder den legendären "Peppino Portiere" aus der Villa Massimo. "Galerie" beginnt mit einem Gedicht, das "Was ist eigentlich das Glück" überschrieben ist. Ohne Fragezeichen, denn es gibt ja keine Antwort. Auch das Ich des Gedichts, das Probleme mit einer Frau hat, findet sie nicht.

Das ist das "Haufsche Paradox". Malte erklärt es so: "Du kannst in deinem Leben so viele Erfahrungen machen wie du willst, letzten Endes weißt du gar nichts, nothing, null, nada." Letzten Endes, meint Buchwald, ist es der Antrieb für alle Kunst. Um aber auf "Was ist eigentlich das Glück" zurückzukommen - das erwähnte lyrische Ich, das im Café "unauffällig" ein wenig verzweifelt, macht - am Ende des Gedichts - eine Erfahrung, die das Nihil transzendiert: "Dann kommt sie zurück", die Frau nämlich. Ob in Wirklichkeit, ob in der Phantasie? Auf jeden Fall aber im Gedicht von Rolf Haufs.

HARALD HARTUNG

Rolf Haufs: "Aufgehobene Briefe". Ausgewählte und neue Gedichte. Zusammengestellt und mit einem Nachwort von Christoph Buchwald. Carl Hanser Verlag, München Wien 2001. 150 S., geb. 14,90 .

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Als Vorstufe zur Werkausgabe bezeichnet Jochen Zwick einen Auswahlband mit Gedichten, die Bestand haben sollen und als Wegbegleiter gedacht sind. Textmaterial, das sich aufzuheben lohnt. Rolf Haufs' "Aufgehobene Briefe" decken ein langes Kapitel Zeitgeschichte und Lebensgeschichte ab: die frühesten stammen vom Beginn der 60er Jahre. Die Gedichte sind jedoch nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet, informiert uns Zwick. Ihm ist aufgefallen, dass Haufs häufig im Präteritum schreibt: das sei in der Lyrik relativ unüblich, da es die Unmittelbarkeit bremse. Für ihn ist Haufs ein Diagnostiker, ein Beobachter, kein "Rhetor oder Enthusiast". Entsprechend verzichte Haufs auf Pathos, er unterwerfe seine Sprache einer strengen Form und arbeite mit einfachen aber wirkungsvollen Mitteln: Wiederholungen, Verfremdung, Variationen, einfache Wechsel der logischen Bezüge. Auf diese Weise hält Haufs, lautet Zwicks Schlussfolgerung, Abstand von der Tradition und der Moderne zugleich, der er sich dennoch verpflichtet fühle.

© Perlentaucher Medien GmbH