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Vonneguts frühe Geschichten sind eine Art Zeitkapsel aus einer Epoche, in der es weder Computer noch Postmoderne gab. Mal geht es um das Drama eines unbegabten Kindes, das unbedingt in der Schulkapelle mitspielen will, mal um einen Mafioso, der als Weihnachtsmann verkleidet eine gräßliche Bescherung liefert, an der vor allem die Kinder ihre Freude haben. Und immer zeigt sich Vonneguts herrlich komisches Genie.

Produktbeschreibung
Vonneguts frühe Geschichten sind eine Art Zeitkapsel aus einer Epoche, in der es weder Computer noch Postmoderne gab. Mal geht es um das Drama eines unbegabten Kindes, das unbedingt in der Schulkapelle mitspielen will, mal um einen Mafioso, der als Weihnachtsmann verkleidet eine gräßliche Bescherung liefert, an der vor allem die Kinder ihre Freude haben. Und immer zeigt sich Vonneguts herrlich komisches Genie.
Autorenporträt
Kurt Vonnegut, 1922 in Indianapolis geboren, erlebte als Kriegsgefangener die Bombardierung Dresdens. Nach dem Studium der Anthropologie wurde er Werbefachmann bei General Electric. Er veröffentlichte zahlreiche Romane und Erzählungen. Er starb 2007.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2001

Das Ringen des einsamen Kapellmeisters
Fallstudien im Kleinformat: Kurt Vonneguts frühe Geschichten / Von Thomas Irmer

Die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren in den Vereinigten Staaten, der Heimat der Short Story, das goldene Zeitalter der Magazingeschichten. Jede große Illustrierte bot ihren damals noch nicht vom Fernsehen okkupierten Lesern Kurzgeschichten, spannend für eine halbstündige Lektüre, und angehenden Schriftstellern einen Broterwerb mit dieser kleinen Form. Auch der junge Kurt Vonnegut, der noch weit davon entfernt war, den "Schlachthof 5" seines Dresden-Kriegstraumas in einen Roman zu bannen, schickte Geschichten an "Collier's", "Cosmopolitan" und die "Saturday Evening Post", wo die Redakteure nicht um hohe Literatur rangen, sondern für gepflegte Leserunterhaltung sorgen sollten. Vonneguts Stories wurden gedruckt, gelesen und dann, mit der Zeitung von gestern, wieder vergessen. Angeblich hat er selbst nichts aufgehoben aus dieser Zeit, keine Manuskripte, keine Exemplare jener Blätter, die für gewöhnlich auch in Bibliotheken nicht gesammelt werden, denn er glaubte nicht, daß aus ihm noch viel werden würde. Jahrzehnte später begann sich der Literaturprofessor und Vonnegut-Experte Peter Reed für diese frühen Stücke zu interessieren und gab sie 1999 unter dem Titel "Bagombo Snuff Box. Uncollected Short Fiction" heraus. Der inzwischen weltberühmt gewesene Schriftsteller steuerte eine Memoirenskizze als Einleitung und eine Art Schlußwort zu den 23 wiederentdeckten Geschichten bei, von denen jetzt fünfzehn, von Harry Rowohlt übersetzt, für die deutsche Ausgabe ausgewählt wurden.

Um eine Sensation handelt es sich hier nicht. Vonnegut hat sich strikt an die Spielregeln gehalten, oft mehr als nötig die Erwartungen bedient und seine eigenen Tricks noch nicht gekannt, mit denen er ab den späten Sechzigern als Melankomiker der Apokalypse ein nach Millionen zählendes Publikum fesselte, das Bonmots wie den Menschheitsbefund "Gehirn zu groß, Verstand zu klein" mit kritischem Vergnügen goutierte.

Von den oft als "schwierig" eingestuften Postmodernisten der ersten Welle wurde er ohne Zweifel der populärste, seine schwarzhumorigen Erzählfinten brachten ihm den Ruf eines neuen Mark Twain ein, den er noch einmal 1997 mit einem Roman, "Zeitbeben", zu bekräftigen vermochte. Mit all dem haben die frühen Gelegenheitsarbeiten nicht viel zu tun, obwohl sie den Vonnegut-Verehrer als Anfänge unbedingt interessieren sollten.

Die meisten dieser zwischen 1954 und 1961 geschriebenen Geschichten sind in der Angestelltenwelt des sich wirtschaftlich erholenden Nachkriegsamerika angesiedelt und folgen dabei verhalten der Tradition der moralisch sozialkritischen Literatur der dreißiger Jahre. Beides ist autobiographisch grundiert: Der 1922 geborene Autor erlebte als Kind, wie die Weltwirtschaftskrise den Familienbesitz verdampfte, und der Kriegsheimkehrer ging zunächst in die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit von General Electric, wo er wohl einige der grauen Helden für seine ersten literarischen Versuche kennenlernte. Ein solcher ist zum Beispiel Alfred Moorhead, der sich nach einem Kurs über Mnemotechnik mit den Bestellungen seiner Firma verzettelt und dabei ausgerechnet die von ihm angehimmelte Sekretärin vergißt. Die Schlußpointe, daß er dann doch ausspricht, was er nicht auszusprechen wagt, ist schwach, und diese Geschichte als Auftakt für den Band gewählt zu haben zeugt von wenig verlegerischem Gespür. Die viel stärkere Geschichte "Thanatos", mit der die amerikanische Originalausgabe eröffnet, wurde wie sieben andere einfach weggelassen, was der deutsche Verlag als "mit Genehmigung des Autors leicht gekürzt" ausweist. Die Moorhead-Welt, wie sie hier nun einmal eingeführt ist, setzt sich fort in der nahe verwandten Welt von George M. Helmholtz, seines Zeichens "oberster Musiklehrer und Dirigent der Marschkapelle der Lincoln High School". Gleich drei Geschichten gelten dem einsamen Kapellmeister, der um pompöse Kostüme und spärliche Talente ringt, literarisch jedoch wenig hermacht. Eine ergiebigere, weil effektiver erzählte Probe ist die kleine Wirtschaftskrisenparabel "Hal Irwins Wunderlampe", in der ein kleiner Aktienspekulant im Sommer 1929 der umworbenen Frau vormacht, wie sich der Traum von Haus, Auto und Wohlstand buchstäblich herbeizaubern läßt. Nach dem großen Börsencrash ist es mit dem Wunder vorbei, und die geliebte Mary kehrt ins Haus ihres Vaters zurück. Lakonisch brummt der als Antwort auf die Frage, was wohl aus den Obdachlosen werde: "Um die Armen kümmern sich die Armen."

Aus dem Rahmen des insgesamt doch sehr Behäbigen fällt die Mafia-Groteske "Ein Geschenk für den Weihnachtsmann". Big Nick, der "neueste Erbe von Al Capones Machtfülle", veranstaltet für seine Untergebenen und deren Kinder eine Weihnachtsfeier, bei der er selbst den Weihnachtsmann spielt. Zweck der Posse ist, an diesem Abend die Ergebenheit seiner sich beiläufig mit "Ho ho" grüßenden Männer zu testen, die ihm der dankbare Kindermund verraten soll. Ein Kind verrät jedoch noch mehr: "Mama sagt, an allem, was wir vom Weihnachtsmann kriegen, klebt Blut", worauf dieser einen Tobsuchtsanfall bekommt und alle umzubringen droht. Die Geschichte kulminiert darin, daß Santa Claus beim Öffnen einer Geschenkbombe aus Italien der Kopf weggefetzt wird und die Polizei den kostümierten Paten vor den Augen der Kinder wegschafft. Aber Vonnegut, und hier zeigt sich, was später aus ihm werden wird, zieht im letzten Absatz einen Trumpf, der die Perspektive der eigentlich völlig überzogenen Story überraschend kippt: "Es stand allen jedoch noch ein unsanftes Erwachen bevor. Die Väter mußten neue Jobs finden, ho ho." So geht das.

Kurt Vonnegut: "Suche Traum, biete mich". Verstreute Kurzgeschichten. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Harry Rowohlt. Carl Hanser Verlag, München und Wien 2001. 251 S., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Um eine Sensation handelt es sich nach Ansicht von Thomas Irmer bei diesen frühen Short-Stories nicht. Vonnegut habe hier "oft mehr als nötig" Lesererwartungen bedient und die Tricks, noch nicht gekannt, mit denen er später ein Millionenpublikum fesseln sollte. Die Wiederentdeckung dieser frühen Erzählungen schreibt Irmen dem Literaturprofessor und Vonnegut-Experten Peter Reed zu, der sie aus verschiedensten, zwischen 1954 und 1961 erschienenen Magazinen und Illustrierten ausgegraben hat. Vonnegut selber habe "keine Manuskripte, keine Exemplare jener Blätter" aufgehoben. Denn damals habe er daran gezweifelt, "dass aus ihm noch viel werden würde". Die meisten Geschichten sind nach Auskunft des Rezensenten in der Angestelltenwelt angesiedelt. Von den dreiundzwanzig Erzählungen des 1999 in den USA erschienenen Originals, finden sich in der deutschen Ausgabe jetzt fünfzehn Geschichten, die Harry Rowohlt übersetzte. Doch den Buchmachern bescheinigt der Rezensent "wenig verlegerisches Gespür". Eine vergleichsweise schwache Geschichte eröffne den Band. Die in Irmers Augen stärkste Erzählung der Sammlung ist in die deutsche Auswahl gar nicht aufgenommen worden. Aus dem Rahmen des "insgesamt doch sehr Behäbigen" falle lediglich eine Mafia-Groteske.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das Buch ist ein Festtag für alles Story-Puristen. ... Vonnegut at his best!"
Peter Henning, Maxim, 02/02