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Barney Panofsky ist ein alter Jude aus Montreal, der ein mittlere Vermögen gemacht hat mit Import/Export, später mit der Produktion von unaussprechlich schlechten Seifenopern. Die 'wahre Geschichte seines vergeudeten Lebens' ist zugleich die seiner drei Ehefrauen. Da ist Clara Chambers, die er aus Versehen heiratet, die zweite Mrs.Panofsky ist eine jüdisch-kanadische Prinzessin, und Miriam, die dritte, ist die richtige. Aber nach 30 Ehejahren hat auch sie die Nase voll von ihrem saufenden, fremdgehenden, ordinären, dreckschleudernden Barney. Überdies wird er verdächtigt, seinen besten Freund…mehr

Produktbeschreibung
Barney Panofsky ist ein alter Jude aus Montreal, der ein mittlere Vermögen gemacht hat mit Import/Export, später mit der Produktion von unaussprechlich schlechten Seifenopern. Die 'wahre Geschichte seines vergeudeten Lebens' ist zugleich die seiner drei Ehefrauen. Da ist Clara Chambers, die er aus Versehen heiratet, die zweite Mrs.Panofsky ist eine jüdisch-kanadische Prinzessin, und Miriam, die dritte, ist die richtige. Aber nach 30 Ehejahren hat auch sie die Nase voll von ihrem saufenden, fremdgehenden, ordinären, dreckschleudernden Barney. Überdies wird er verdächtigt, seinen besten Freund umgebracht zu haben, hat zunehmend Probleme mit dem Herzen, der Prostata und vor allem mit dem Gedächnis. Dass dem Leser dieser verstockte alte Sünder dennoch ans Herz wächst, liegt nicht zuletzt an seiner unbändigen, mitreißenden Lebenslust.
Autorenporträt
Mordecai Richler wurde 1931 in Montreal, Kanada, als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer geboren. Er lebte in Paris, London und New York und arbeitete als erfolgreicher Schriftsteller, Journalist und Drehbuchautor, bis es ihn wieder zurück nach Kanada zog. Mordecai Richler starb im Juli 2001 in Montreal.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2000

Ein herrlich verpfuschtes Leben
Abgedeckelter Sauertopf: Mordecai Richler wirft schräge Blicke

Seit seinem ersten Roman, "Der Traum des Jakob Hersch" von 1980, ist es Mordecai Richler zu verdanken, dass Kanada am weit verbreiteten Genre des jüdischen Romans, einer Art Post-Holocaust-Darstellung jüdischen Wesens, beteiligt ist, zu der weltberühmte Schriftsteller wie Bernard Malamud, Saul Bellow und Philip Roth beigetragen haben. Aber Richlers neues Buch, "Wie Barney es sieht", übertrifft alle bisherigen Versuche an Humor und Komplexität.

Wie oft bei Richler handelt es sich eigentlich um ein Amalgam: außer der Variante des mit allen Wassern gewaschenen, aber psychisch deformierten Juden, dem nichts Menschliches fremd und nichts Moralisches heilig ist, um den neuzeitlichen Schelmenroman, wo der wenig heldenhafte Held sich lavierend durch eine ebenso undurchsichtige wie verderbte Welt wurstelt, um sich von den Tücken des modernen Lebens nicht unterkriegen zu lassen. Dazu gesellen sich Elemente des Kriminalromans sowie solche der Gesellschaftssatire, etwa der kulturelle Zusammenstoß expatriierter amerikanischer Literaten mit Paris, die lächerlichen oder beschämenden Seiten des sexuellen Lebens, die Ahnungslosigkeit der Psychiater gegenüber der menschlichen Psyche, den selbstzerstörerischen Separatismus der Frankokanadier, die Teenager im Allgemeinen und die ehemaligen Jugendbewegten der sechziger Jahre im Besonderen: ein zum lauten Lachen zwingendes Kaleidoskop von satirischen Kabinettstückchen, die beileibe nicht auf Kanada beschränkt sind. Auf diesen Schriftsteller trifft Juvenals alter Satz, difficile est satiram non scribere, in einem neuen Sinn zu.

Was aber den alten Säufer, Schwindler und Lebemann Barney trotz seiner eklatanten Schwächen liebenswürdig macht, ist seine Selbstironie, durch die auf alle persönlichen und gesellschaftlichen Schäden das mildernde Licht der Toleranz fällt. In diesem lebenslustigen Greis und Frauenhelden wird die jüdische Andersartigkeit und Abwegigkeit ins Sympathische gewendet. Freilich, wer sich durch den Anklang im Titel an Peter Altenbergs "Wie ich es sehe" erinnert fühlt und ähnlich vage, impressionistische Skizzen erwartet, wird bald eines anderen belehrt. Hier versucht ein alter Sünder Ordnung in sein Leben zu bringen, indem er es sich noch einmal hübsch der Reihe nach vorerzählt und dabei oft gezwungen ist, mit einem dreimaligen "Verdammt, verdammt, verdammt" die Verdrehtheit seiner Handlungen zu verurteilen.

Die äußere Ordnung ergibt sich daraus, dass er zwar chronologisch vorgeht und seine drei Ehen schildert, aber durch Rückblicke eine große Vielfalt an anderen Personen und Begebnissen hochspült, die seinen Memoiren eine reizvolle Fülle und Dichte verleihen. Die Fiktion einer Autobiographie wird dadurch aufrechterhalten, dass sich ein "Herausgeber" einschaltet, der Sohn des Erzählers, der die Fehlangaben im Text durch häufige Fußnoten berichtigt und ein Nachwort anhängt. Dass es sich in der Tat um eine höchst willkürliche und einseitige Sicht der Dinge handelt, in der es nicht ohne Selbstbeschönigung abgeht, wird durch den Einschub von Briefen und Gesprächsfetzen aus der Perspektive anderer erhärtet, in denen Barney keineswegs so glimpflich davonkommt wie in seiner eigenen Darstellung.

Zu den Absurditäten im Charakterbild dieses Produzenten von TV-Schund und Käseimporteurs, der sich selbst als unangenehm, unattraktiv und sauertöpfisch bezeichnet, gehören ein guter künstlerischer Geschmack und ausgedehnte literarische Kenntnisse, die so weit gehen, dass er neben vielen gekennzeichneten Zitaten aus der Literatur mehrerer Länder manchmal auch stumme Zitate mit einfließen lässt, sogar von Goethe.

In diesem Feuerwerk von verblüffenden Formulierungen und skurrilen Gestalten tritt das Jüdische letzten Endes doch wieder in den Hintergrund, so wie die Juden in Kanada, den Vereinigten Staaten und Westeuropa ja auch aufgehört haben, etwas anderes zu sein als ein Farbtupfer auf einer großen ethnischen Palette. Alles traf schon auf Richlers altes Buch "Der Traum des Jakob Hersch" zu, nur ist es in seinem neuen Roman "Wie Barney es sieht" ins Meisterhafte und Virtuose gesteigert.

EGON SCHWARZ

Mordecai Richler: "Wie Barney es sieht", Roman. Mit Fußnoten und einem Nachwort versehen von Michel Panofsky. Aus dem Englischen übersetzt von Anette Grube. Carl Hanser Verlag, München Wien 2000. 475 S., geb., 45,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.06.2000

Gift und Galle nonstop
Mordecai Richler erzählt: „Wie Barney es sieht”
Man schüttelt den Kopf, es schüttelt einen vor Lachen – und zwischendurch immer wieder vor Abscheu: Dieser Barney Panofsky, der kurz bevor er ganz verblödete, sein Leben aufgeschrieben hat, ist ein Ekel, ein veritabler Kotzbrocken!
Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Barneys Vater, ein jüdischer Emigrant aus Ungarn, fand Arbeit bei der Polizei in Montreal und stand dort seinen Mann als mieser, gewalttätiger, versoffener Bulle, einziger Jude unter lauter Antisemiten, und wenn es um Schwarze ging, selbst rassistisch bis in die Knochen.
Außer dem Hang zum Alkohol und der proletenhaften Lust am Zotigen hat Barney allerdings wenig mit seinem Vater gemein. Physische Gewalt ist ihm zuwider. Er gehört eher zu denen, die sich auf Kosten anderer durchlavieren. Barney lebt ein Leben aus zweiter Hand, er ist ein geistiger Schmarotzer, ohne sich das in den entscheidenden Momenten bewusst zu machen. Und ohne zu begreifen, dass alle um ihn herum es wissen und sich weidlich darüber lustig machen. Ein armer Tropf, irgendwie. Das wenige an Hirn hat ihm mit den Jahren der Alkohol weg gefressen. Und selbst, als er die Namen der „Sieben Zwerge” nicht mehr zusammen bringt und bei seinem Sohn in London anrufen muss, um den Namen des Gegenstandes zu erfragen, in dem man Spaghetti abgießt, schluckt er noch kräftig weiter. Deshalb haben sich wohl in seine Lebensbeichte etliche Fehler eingeschlichen, die Sohn Michael Panofsky mit der Akribie eines Buchhalters in Fußnoten zurecht rückt.
Dennoch liest sich Barneys Lebensbilanz gar nicht schlecht. In der Pariser Bohème der jungen Jahre konnte er zwar als Künstler kaum reüssieren. Aber das nötige Geld machte er späterhin mit allerlei Geschäften und als Produzent einer allerbilligsten Fernsehserie, die er zudem nach seinem beneideten Schriftsteller-Freund-Feind „McIver” benannte. Dreimal verheiratet war Barney, mit der letzten, einzig geliebten Frau Miriam hatte er sogar drei Kinder. Soweit alles normal – bis auf den wirklich starken Fleck in seiner Biografie, den rätselhaften Tod seines Freundes Boogie: Barney hat den Drogensüchtigen angeblich umgebracht. Aus Eifersucht?!
Der vermeintliche Mord und Barneys Ehen bilden den roten Faden in der Biografie dieses dirty old man, setzen die Fixpunkte von seinen wilden Zwanzigern im Paris der frühen fünfziger Jahre bis zur Mitte der neunziger Jahre, in denen er der fortschreitenden Alzheimer-Krankheit seine Erinnerungen abringt.
Barneys Lebensstationen, seine jeweiligen Familienbindungen samt ihren Verwicklungen und tragikomischen Folgen sind Spiegel der Zeit, ihrer politischen und sozialen Bewegungen und Veränderungen. Und natürlich hat Barney zu allem und jedem eine Meinung. O-Ton-Barney bedeutet Gift und Galle nonstop, gegen jeden und gegen alles, gegen, zum Beispiel, die politische Korrektheit im Sexualverhalten; sich an fröhlich-promiskuitive Zeiten erinnernd, schwärmt Barney: „Mondscheinnächte auf Deck, nette Mädchen, die Petticoats, enge Gürtel, Fußkettchen und zweifarbige Halbschuhe trugen, und man konnte sich darauf verlassen, dass sie einen nicht vierzig Jahre später wegen sexuellen Missbrauchs belangen würden, nachdem virile Psychoanalytikerinnen ihre verdrängten Erinnerungen an Vergewaltigung ans Tageslicht gezerrt hatten. ” Barneys Hass richtet sich gegen neuzeitliche US-amerikanische Werte und ihre Auswüchse, die auch vorm Literaturbetrieb und dessen hoch gejubelten Starschreibern nicht Halt machten: „Wir haben alle zuviel in Literaturzeitschriften über zu Unrecht verkannte Romanautoren gelesen, aber selten ein Wort über zu Recht verkannte, die Schmierfinken . . . eine Übersetzung ins Isländische oder ein Auftritt bei einem Commonwealth-Kunstfestival in Auckland (zusammen mit ein paar ,weißen Autoren’, wie es das neue Benennungssystem will, und einer Minderheiten-Mischung aus Maori, Inuit und amerikanischen Indianern, die das Alphabet beherrschen). ” Und wenn es nicht der sogenannte Zeitgeist ist, den Barney geißelt, dann schießt er gegen Kanada: „Kanada ist a. eine Diktatur, b. eine postkoloniale Demokratie mit beschränkter Kultur, c. eine Theokratie.  – Keine der Anworten trifft zu. Die Wahrheit ist, dass Kanada ein Wolkenkuckucksheim ist, ein unerträglich reiches Land, das von Idioten regiert wird. ”
Kaum zu glauben, welche Kreativität Barney in seiner zwerchfellerschütternden Bosheit entwickelt, dieser Mann, der doch sonst nicht fähig ist, sich irgend etwas selbst auszudenken oder etwas zu erfinden. Zu absoluter Höchstform läuft er auf, wenn er seine anonymen Briefe verfasst, Briefe an Leute, die ihm irgendwann Unrecht getan oder gar die Frau ausgespannt haben. Dann diktiert ihm die Perfidie brillanteste Formulierungen mit tödlichen Spitzen. Daran hat man, die Schadenfreude ihres Verfassers teilend, als Leser die größte Freude.
Und wittert doch schnell und allzu deutlich hinter Barneys exakt austarierten Paraden ihren wahren Erfinder, den Autor schneidend scharfer kanadischer Gesellschaftsromane mit dem Titel Der Traum des Jakob Hersch und Solomon Gursky war hier, dem mit Wie Barney es sieht ein weiterer glänzender Coup gelungen ist. Mordecai Richler hat sich in der Gestalt des Barney Panofsky eine besonders hässliche Maske übergezogen, die des von irrwitzigen Geistesblitzen durchzuckten, in seiner überwiegenden Banalität bisweilen mitleiderregenden und in seiner nie versiegenden Bosheit stets unterhaltsamen Versagers.
Schnell liest er sich nicht, dieser gegen diverse Zeitströmungen und ihre Repräsentanten geführte Rundumschlag in Form einer grotesken Autobiografie. Dazu sind die Handlungsstränge zu verzweigt, die Zeitsprünge zu abrupt. Und zwischendurch muss man sich auch immer mal wieder eine Pause gönnen, um sich von Barneys Schimpftiraden zu erholen. Aber die Stunden, die man mit ihm verbringt, sind ein Gewinn – auch wenn das Ende dieses kläglichen Helden für den Leser fast so desillusionierend ist wie für Barney selbst.
EVA-ELISABETH FISCHER
MORDECAI RICHLER: Wie Barney es sieht. Roman. Aus dem Englischen von Anette Grube. Hanser Verlag, München 2000. 474 Seiten, 45 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Egon Schwarz war schon von Richlers Roman "Der Traum des Jakob Hersch" außerordentlich begeistert. Die Qualitäten dieses früheren Buchs findet er nun bei "Wie Barney es sieht" ohne Abstriche "ins Meisterhafte und Virtuose gesteigert". Zunächst geht er jedoch auf das Genre des jüdischen Romans der Gegenwart ein - "eine Art Post-Holocaust-Darstellung jüdischen Wesens", wie Schwarz es nennt. Hier habe Richler einige Konkurrenz wie beispielsweise Saul Bellow oder Philip Roth. In Sachen "Humor und Komplexität" sieht Schwarz deren Versuche von Richler jedoch übertroffen. Richlers Protagonist stolpert von einer Pleite in die nächste, nichts ist ihm fremd oder heilig, und stets plagt er sich mit den Widrigkeiten des gemeinen Lebens ab, so Schwarz. Er hebt vor allem Richlers Gespür für satirische Feinheiten hervor, aber auch die Selbstironie, mit der er seinen Protagonisten ausgestattet hat. Was die formale Gestaltung betrifft, so weist Schwarz darauf hin, dass Richler hier eine fiktive Autobiografie konstruiert hat, die durch Anmerkungen und Fußnoten des "Herausgebers" kommentiert wird. Gleichzeitig liegt ein besonderer Reiz dieser Darstellung in der eitlen Selbstbespiegelung Barneys, die in gewissem Kontrast zu den Schilderungen Dritter (z. B. in Briefen) steht. Dass das Jüdische hinter diesem "Feuerwerk von verblüffenden Formulierungen und skurrilen Getalten" zurücktritt, tut der Qualität dieses Buchs nach Ansicht des Rezensenten keinen Abbruch.

© Perlentaucher Medien GmbH
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