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50 Jahre deutscher Bundestag. Der Historiker Christian Meier hat ein Buch für alle Bürger geschrieben, die genauer wissen wollen, was es für sie bedeutet, dass ihre Interessen von einem Parlament vertreten werden. Ein Standardwerk, das nicht nur die Entstehung der Parlamentarischen Demokratie und ihre Arbeitsweise erklärt, sondern auch verdeutlicht, dass unser demokratischer Alltag keineswegs ein Regelfall, sondern vielmehr eine unwahrscheinliche politische Ausnahme ist.

Produktbeschreibung
50 Jahre deutscher Bundestag. Der Historiker Christian Meier hat ein Buch für alle Bürger geschrieben, die genauer wissen wollen, was es für sie bedeutet, dass ihre Interessen von einem Parlament vertreten werden. Ein Standardwerk, das nicht nur die Entstehung der Parlamentarischen Demokratie und ihre Arbeitsweise erklärt, sondern auch verdeutlicht, dass unser demokratischer Alltag keineswegs ein Regelfall, sondern vielmehr eine unwahrscheinliche politische Ausnahme ist.
Autorenporträt
Christian Meier, geboren 1929 in Stolp, studierte Geschichte, Klassische Philologie und Römisches Recht. Er lehrte Alte Geschichte an der Universität München und war bis 2002 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.1999

Im Parlament geschieht nicht wenig
Des Althistorikers Meier gelehrte Einführung in den Bundestag und um den Bundestag herum

Christian Meier: Die parlamentarische Demokratie. 50 Jahre Deutscher Bundestag. Carl Hanser Verlag, München 1999. 272 Seiten, 17 Abbildungen, 45,- Mark.

Am 7. September dieses Jahres feierte man den 50. Geburtstag des Deutschen Bundestages. Aus diesem Anlass entstand das hier anzuzeigende Buch, gewissermaßen die Festschrift für das Herzstück unserer Demokratie. Im 70. Jahr des Autors geschrieben, ist es zugleich ein Denkmal für den Münchener Emeritus selbst. Dass ein gelernter Althistoriker sich mit einer zeitgenössischen Thematik befasst, entspricht einerseits der in jener Teildisziplin der Geschichtswissenschaft nicht seltenen Neigung, auch in den Revieren der Nachbardisziplinen zu wildern, und ergibt sich andererseits daraus, dass die Demokratie nun einmal eine Erfindung der alten Griechen ist. Meier hat sich mit ihr in mehreren viel gelesenen Büchern auseinander gesetzt und hat sich darüber hinaus zu vielen aktuellen Fragen geäußert (Deutsche Einheit als Herausforderung 1990; Die Nation, die keine sein will, 1991), so dass ein Buch über unsere Staatsform durchaus auf der Linie seiner Publikationen liegt.

Das Buch ist für alle Bürger geschrieben, die nicht genau wissen, was es für sie bedeutet, dass ihre Interessen von einem Parlament vertreten werden - einmal vorausgesetzt, dies wäre der Fall. Der Adressatenkreis wäre mithin vorrangig die politisch bildungsbedürftige Jugend. Der Kerntext ist ein historisch angereicherter, durch Anekdoten gewürzter Anfängerkurs in Staatsbürgerkunde über Zusammensetzung, Aufgaben und Arbeitsweise des Parlaments. Abgesehen von einer stupenden Fülle von Informationen aus dem Bereich des politischen Handbuchwissens lernen wir ganz elementare Dinge: so, dass die Abgeordneten gewöhnlich Parteien angehören und "vom Volk gewählt" werden, dass die Arbeit des Bundestages durch dessen Geschäftsordnung geregelt wird und dass die Spielräume der Politiker durch die Verfassung begrenzt sind. Der Bundesrat, so Meier treffend, kann Gesetze verhindern, ebenso das Bundesverfassungsgericht, wie Meier an dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung kleingartenrechtlicher Vorschriften und am Eisenbahnkreuzungsgesetz bündig darlegt. Deutlich wird zudem, dass es in der Bundesrepublik ein Verhältniswahlrecht und ein Zweiparteiensystem von CDU und SPD gibt, dass die Bildung neuer Parteien nichtsdestoweniger "denkbar" ist. Wir erfahren, dass die Fünf-Prozent-Klausel ein Hindernis für kleine Parteien darstellt, aber gleichwohl grundsätzlich überwunden werden kann, wie Meier an den Grünen aufzeigt.

Was er über die Parlamentsausschüsse berichtet, ist dann eher politischer Unterricht für Fortgeschrittene, so seine Ausführungen über das zehnte Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 21. Dezember 1984 oder über die Petitionen zum Schutz der Karett-Schildkröte im Dalyan-Delta der Türkei. Eher Bekanntes berührt er wieder mit einer bauästhetischen Detailanalyse der Raumausstattung und der Sitzordnung im Parlament. Deren Geometrie wird veranschaulicht, das Vorkommen "abgeflachter Halbkreise" bleibt als Faktum im Raum stehen. Wir erfahren, dass die Sitzreihen für die Fraktionen sehr viel zahlreicher sind als die für die Regierung und Bundesrat, erraten vielleicht auch, weshalb. Leider erfahren wir nichts über die Polsterung (wenn, wie? warum?).

Wenn das Parlament sich die Diäten erhöht, fordert Meier dafür Verständnis, schließlich steigen ja auch die Einkommen anderer arbeitender Bundesbürger. Dennoch: bis 1906 erhielten die Parlamentarier lediglich freie Fahrt auf der Eisenbahn. Meier übt Nachsicht, sofern ein Abgeordneter während einer Debatte einmal Zeitung liest. Den Fraktionszwang begrüßt Meier, trotz Artikel 38 des Grundgesetzes, denn er fürchtet Handlungsblockade, sobald statt strenger Disziplin jeder Abgeordnete seinem Gewissen folgte. Trotzdem empfiehlt Meier Zivilcourage. Gähnt Leere im Saal, sei das mit Überlastung durch andere Aufgaben zu erklären. Meier respektiert die außerordentliche Arbeitsleistung des Hohen Hauses, auch wenn sie sich mitunter "so brav wie langweilig" darstelle. "Im Parlament geschieht nicht wenig."

Als Historiker greift Meier weit in die Vergangenheit zurück und schildert ebenso sachkundig wie sprachgewandt die Vor- und Frühformen der Volksvertretung bis zurück zu Perikles, wo sich das Volk noch selbst vertreten hat. Denn die gewählten Ratsherren hatten, anders als unsere Parlamentarier, nichts zu entscheiden und haben auch nicht, wie Meier schreibt, die Volksversammlung zwischen den Tagungen "vertreten". Ausführlich geht Meier auf die englische Verfassungsgeschichte ein und schildert dann die Entwicklung in Deutschland mit all ihren Umwegen. Sehr zu Recht bemerkt er: "Man soll die Vorgeschichte des deutschen Parlamentarismus nicht gering schätzen." Schließlich gibt es auch in Mitteleuropa historische Ansätze für eine Politik der Mit- und Selbstbestimmung des Volkes.

Als einem Zunftgenossen von Theodor Mommsen fehlt es Meier nicht an politischer Pädagogik. Er "kann die parlamentarische Demokratie nicht einfach der Routine überlassen. Sie bedarf ganz gewiss, wie stets, so auch heute der Reflexion" - hier vorgeführt und mit Zitaten von Josef Alois Schumpeter, Carl Schmitt, Otto Hintze, Dolf Sternberger, Max Weber und anderen Meisterdenkern unterbaut. Meier erinnert daran, dass "zumal in Deutschland alles Mögliche als möglich erscheint". Da heißt es: Vorbeugen! Es gibt etwas zu verlieren. Meier bestätigt selbst seine Einsicht: "Ängste der besitzenden Schichten gibt es immer in der Weltgeschichte." Wir brauchen einen starken Staat, denn "natürlich ist der ,Wille des Volkes' eine Fiktion".

Folgen wir Meiers Wunsch, "dass ein gewisses Ausmaß an Bildung in der gesamten Bürgerschaft verbreitet" sei, so ist es "dringend nötig, zu wissen, was überhaupt vor sich geht, was sich verändert in unserer Welt und an und mit uns selbst, und sich ein Urteil darüber zu bilden". Also bilden wir uns ein Bild! Meier wendet sich an die, über die er schreibt: "Es müssen die Parlamentarier ihre Rolle auch als Parlamentarier wahrnehmen", ebenso an die, für die er schreibt: "Man sollte die Möglichkeiten demokratischer Willensteilhabe nicht unterschätzen", und an alle: "Für die Erledigung größerer Missstände braucht es einigen Schwung", sehr wahr. "Die Demokratie braucht Bürger", sehr richtig. Der Autor verfasst mit spürbarem Pathos ein "Plädoyer für die parlamentarische Demokratie", von deren Vorzügen er zutiefst überzeugt ist. Dass er damit die letzten Verfassungsfeinde umstimmen wird, wäre nicht auszuschließen, ist doch sogar der von Meier gern herangezogene Ernst Forsthoff schließlich Demokrat geworden. In jedem Fall beweist Meier eindrucksvoll, dass er selbst im Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung fest verwurzelt ist. Gelehrter Ballast wie Quellennachweise, Literaturangaben und Register bleiben dem Leser erspart. Meiers Aufmunterung zur Politik besticht durch Fadenheftung in Leinen und blind geprägten Bundesadler in Stahlblau.

ALEXANDER DEMANDT

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Leonhard Neidhart ist des Lobes voll für das seiner Ansicht nach allgemein verständliche, gut recherchierte und auf Fachterminologie verzichtende Buch des Althistorikers und Essayisten Christian Meier. Meier fragt, ob das parlamentarische System noch geeignet sei, in Zeiten der schwindenden Bedeutung der Politik auf gesellschaftliche Probleme zu reagieren, und er antwortet laut Neidhart mit einem "kompromisslosen Ja". Meiers Buch enthält einen historischen Teil, der Rückschau hält auf die Errungenschaften der Demokratie und das damit verbundene Fortschrittsverständnis. Dieses hat sich insofern verändert, als dass die Impulse für gesellschaftliche Veränderungen nicht mehr von der Politik ausgehen - eine Herausforderung des parlamentarischen Systems, die Meier schwierig, aber für zu bewältigen erscheint. Eine Geschichte des Bundestages und historische Vergleiche über die "Herkunft des Parlaments" runden dieses für Neidhart gelungene Buch ab.

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"Ein glänzender Essay." Die Welt