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Hohlers Spaziergänge - eine Erkundung dessen, was Heimat sein könnte
Vor gut einem Jahr hat Franz Hohler mit einem außergewöhnlichen Projekt begonnen. Er hat jede Woche einen besonderen Spaziergang unternommen und er hat Woche für Woche festgehalten, was ihm auf diesen Spaziergängen begegnet ist. Ein Jahr lang ist er zu diesen Spaziergängen losgezogen, 52 mal hat er die nähere und weitere Umgebung von Zürich und anderen Orten erkundet, an denen er sich in diesem Jahr aufgehalten hat - und herausgekommen ist dabei eine Schule der Wahrnehmung und eine Erkundung dessen, was Heimat sein könnte, die einmalig ist und ihresgleichen sucht.…mehr

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Produktbeschreibung
Hohlers Spaziergänge - eine Erkundung dessen, was Heimat sein könnte

Vor gut einem Jahr hat Franz Hohler mit einem außergewöhnlichen Projekt begonnen. Er hat jede Woche einen besonderen Spaziergang unternommen und er hat Woche für Woche festgehalten, was ihm auf diesen Spaziergängen begegnet ist. Ein Jahr lang ist er zu diesen Spaziergängen losgezogen, 52 mal hat er die nähere und weitere Umgebung von Zürich und anderen Orten erkundet, an denen er sich in diesem Jahr aufgehalten hat - und herausgekommen ist dabei eine Schule der Wahrnehmung und eine Erkundung dessen, was Heimat sein könnte, die einmalig ist und ihresgleichen sucht.

Autorenporträt
Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren. Er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes. Hohler ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Alice-Salomon-Preis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis. Sein Werk erscheint seit über fünfzig Jahren im Luchterhand Literaturverlag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2012

Ambulanz als Schule der Wahrnehmung
Er protokolliert präzise, doch manchmal lauert der Greenpeace-Kitsch: Franz Hohler geht spazieren

Franz Hohler ist gern unterwegs, und er liebt Systematik ebenso wie die kleinen Formen. Im Schreiben gelingt es ihm, diese Vorlieben miteinander zu verbinden. Vor sieben Jahren erschien der Band "52 Wanderungen", in dem der 1943 geborene Schweizer von der Verwirklichung des Vorsatzes erzählt, den er an seinem sechzigsten Geburtstag gefasst hatte: Ein Jahr lang war Woche für Woche eine Wanderung zu absolvieren und getreulich davon Bericht zu geben. Jetzt durchlebte Franz Hohler ein Jahr als Spaziergänger.

Das Grundprinzip ist unverändert: 52 kleine Texte, nie länger als drei Druckseiten und immer exakt datiert, berichten von Spaziergängen und auch kleineren Wanderungen, die Hohler, allein oder in Gesellschaft, gewissenhaft im Wochenrhythmus unternommen hat. Unterwegs war er vom Spätwinter des Jahres 2010 bis in den nächsten Vorfrühling. Viele der Ausflüge beginnen in Hohlers Wohnquartier, dem Zürcher Stadtteil Oerlikon, andere führen ihn durch weitere Schweizer Städte, auf Berge und Alpwiesen oder durch fremde Länder. Auch während seiner Reisen hielt Hohler an seinem Prinzip der wöchentlichen Dokumentation beharrlich fest, ob in Korea, Kanada oder beim Besuch der Frankfurter Buchmesse. Dort flanierte er freilich nicht zwischen Bäumen oder Wohnblocks, sondern ließ sich über Rollbänder dorthin transportieren, wo, so das blutrünstige Bild, "frisches Bücherfleisch aus der Herbstschlachtung" auf die buchsüchtigen Reisenden wartet.

Der kritische Blick auf die Zivilisation und das, was sie aus der einst unberührten Natur gemacht hat, gehört zu den Konstanten in Hohlers Berichten, der selten auf besondere Pointen aus ist, sondern präzis protokolliert, was ihm begegnet. Dazu gehören die Schwierigkeiten, zu Fuß die nächste Ikea-Filiale zu erreichen, ebenso wie der zweifellos gutgemeinte Hinweis auf all die freundlichen Afrikaner, Asiaten und betenden Muslime, die in der Schweiz zu Hause sind. Die Rhetorik von Reiseprospekten klingt an, wenn Hohler das Glück beschreibt, in Juf, dem höchsten Dorf Europas, auf die Bäuerin zu treffen, "welche das wunderbarste Kräutersalz herstellt, das ich kenne".

Bei aller Freude über so viel Natur, Ursprünglichkeit und Menschenfreundlichkeit verfällt Hohler nur selten in eine pauschal kritische Haltung gegenüber der modernen Lebenswelt. Sein Ausflug in "das seltsame Tal" beschreibt unsentimental alte Eisenhaken, die noch heute fest in einer steilen Felswand stecken. Nicht für abenteuerlustige Wanderer waren sie montiert worden, sondern für die Sennen früherer Zeiten, die hier mühselig an Seilen hochklettern mussten, um in gefährlicher Höhe das Wildheu zu mähen, das sie anschließend in große Tücher verschnürten und über die Felsen hinab ins Tal warfen.

Nur angesichts des immer kleiner werdenden Morteratschgletschers im Engadin verfällt der sonst recht stilsichere und eher lakonische Berichterstatter in triefenden Kitsch, wie er von Greenpeace-Aktivisten kaum plakativer erfunden werden könnte: "Trotz der tiefen Temperatur tropft es von den Lippen dieses Schlunds, und auf einmal sehe ich, was es wirklich ist: ein breiter, geöffneter Mund, der einen unhörbaren Schrei ausstößt, einen Schrei eines Lebenswesens in Agonie, einen jahrzehntelangen, jammervollen Todesschrei."

Mag sein, dass solch herzergreifender Schmelz Leser beeindrucken kann, die sich nach Johanna Spyris heiterer Heidi-Welt sehnen. Wesentlich eindringlicher sind Hohlers Naturbeschreibungen dort, wo er unsentimental die "Geburt" eines Flusses beschreibt, der sich als Wasserfall in eine riesige urzeitliche Höhle ergießt, aus der er dann als "tosende Wasserwalze" herausschießt. Hier reiht sich Hohler in die lange Reihe der Schweiz-Reisenden ein, die seit dem achtzehnten Jahrhundert immer wieder die Erhabenheit der alpinen Landschaft beschrieben haben. Wortkarger und zurückhaltender wird der Spaziergänger, wenn es um seine persönlichen Verhältnisse geht. Nur verhalten berichtet er von dem Gang, der ihn ins Spital zu einer Operation führt. Noch stiller werden Hohlers Sätze, wenn er in leisen Andeutungen von der Krankheit und dem Tod seiner Mutter berichtet.

Wenn sich am Ende der Jahresreigen schließt, wird deutlich, wie sehr sich Hohler das Spazierengehen als wohltuende Routine angeeignet hat: Ambulanz als Schule der Wahrnehmung und als Lebenshilfe. Wem es gefällt, der mag sich mit Hohlers Buch in der Hand oder im Rucksack selbst auf die Erkundung seiner Umgebung machen. Gesund sind Spaziergänge allemal.

SABINE DOERING

Franz Hohler: "Spaziergänge".

Luchterhand Literaturverlag, München 2012. 158 S., geb., 18,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sabine Doering hat Franz Hohlers "Spaziergänge" freundlich aufgenommen. Sie schätzt die Lakonie und Genauigkeit des Schweizer Autors, der in kurzen Texten 52 Spaziergänge eines Jahres - durch Schweizer Städte, die Alpen, andere Länder - protokolliert. Besonders hebt sie Hohlers Naturbeschreibungen, seine menschenfreundliche Haltung und seinen kritischen, nur selten pauschalen Blick auf die Zivilisation hervor. So stellt sich der Band für sie geradezu als eine "Schule der Wahrnehmung" dar. Bisweilen allerdings verliert der Autor zum Bedauern der Rezensentin seine Stilsicherheit und verfällt in einen "Greenpeace-Kitsch", etwa wenn er die kleiner werdenden Gletscher beklagt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das Gewöhnliche wird in seiner Ungewöhnlichkeit ersichtlich, wenn man es so virtuos erzählt bekommt wie hier." Neue Zürcher Zeitung