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Irrungen und Wirrungen eines katholischen Provinzpfarrers
Isidor Rattenhuber, geschlagen mit roten Haaren, einem hartnäckigen Stottern und seiner Herkunft aus einem armen, lieblosen Elternhaus, wird Priester, um all dem zu entgehen. In der Liturgie erlebt er Ordnung und Geborgenheit, beim Vorlesen der Heiligen Schrift verliert sich sein Sprachfehler. So wirkt er jahrzehntelang in einer kleinen Gemeinde namens Bodering, lernt innerhalb und außerhalb des Beichtstuhls die Schicksale und Sünden seiner Schäfchen kennen, hadert mit der Einsamkeit und den veralteten Strukturen der Kirche. Und…mehr

Produktbeschreibung
Irrungen und Wirrungen eines katholischen Provinzpfarrers

Isidor Rattenhuber, geschlagen mit roten Haaren, einem hartnäckigen Stottern und seiner Herkunft aus einem armen, lieblosen Elternhaus, wird Priester, um all dem zu entgehen. In der Liturgie erlebt er Ordnung und Geborgenheit, beim Vorlesen der Heiligen Schrift verliert sich sein Sprachfehler. So wirkt er jahrzehntelang in einer kleinen Gemeinde namens Bodering, lernt innerhalb und außerhalb des Beichtstuhls die Schicksale und Sünden seiner Schäfchen kennen, hadert mit der Einsamkeit und den veralteten Strukturen der Kirche. Und verliert zum Schluss beinahe, was ihm all die Jahre Motor war: den Glauben.
Autorenporträt
Petra Morsbach, geboren 1956, studierte in München und St. Petersburg. Danach arbeitete sie zehn Jahre als Dramaturgin und Regisseurin. Seit 1993 lebt sie als freie Schriftstellerin in der Nähe von München. Bisher schrieb sie mehrere von der Kritik hoch gelobte Romane, u.a. »Opernroman«, »Gottesdiener« und »Justizpalast«. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Jean-Paul-Preis. 2017 erhielt sie den Roswitha-Literaturpreis der Stadt Bad Gandersheim und den Wilhelm-Raabe-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2004

Das schönste Wahnsystem der Welt
Wer, wenn nicht Gott, hätte es erschaffen können? Petra Morsbachs gnadenreicher Pfarrersroman / Von Martin Halter

Selbst wenn die Kirche noch im Dorf bleibt und Hochwürden mehr Respekt als in der städtischen Diaspora erfährt: Das Leben der Dorfpriester ist, wie wir nicht erst seit Georges Bernanos' "Tagebuch eines Landpfarrers" wissen, eine harte Prüfung, wo nicht die Hölle. Auch im erzkatholischen Bodering im Bayerischen Wald. Der Pfarrer darf hier ruhig ein Kindl haben oder das Gebot eucharistischer Nüchternheit brechen, solange er nur gottgefälligen Pomp und würdige Beerdigungen ("Fuffzg Euro für an Chor? Kamma da net a CD spuin?") zelebriert, die Sprache des Volkes spricht und ein Auge zudrückt, wenn Baulöwen und CSU-Gemeinderäte ein Pilgerkreuz für den neuen Golfplatz opfern wollen. Der "Verbindungsmann zum Himmel" soll bei seinen Leisten bleiben: schwarze Seelen reinwaschen, ohne den Pelz naß zu machen, und absegnen, was dem Seelenheil nicht direkt schadet.

Von der Frühmesse bis zur Abendandacht, von Weihnachten bis Mariä Himmelfahrt, von der Taufe bis zur Letzten Ölung muß er als Seelsorger und Friedensrichter, Sinnstifter und Animateur da sein: die Quartalskatholiken mit den erforderlichen Sakramenten versehen, mit den Beladenen die Last teilen, den Verzweifelten Hoffnung und den Ministranten Dienstpläne geben, das Weihnachtsfest der Feuerwehr und die Seniorenfastnacht mit seiner Gegenwart schmücken, verirrte Schäflein und Touristen mit "Meditationspfaden" locken, ohne die Altgläubigen zu verprellen, die lieber zur Resl von Konnersreuth pilgern oder eine erbauliche Predigt hören wollen. Und wenn der Märtyrer des zeitgenössischen Christentums dann abends, zwischen hastig verschlungenen Aldi-Weißwürsten und pastoralem Senf, alle kirchlichen Rundschreiben studiert und den letzten Krankenbesuch erledigt hat, erhebt womöglich die altböse Schlange ihr Haupt, um ihn mit fleischlichen Gelüsten und Glaubenskrisen heimzusuchen.

Warum tun Menschen sich das an? "Was bleibt einem anderes übrig, wenn man Isidor Rattenhuber heißt, rothaarig ist und stottert?" Für den Sohn armer Bauern, der von seinen schweigsamen, lieblosen Eltern geschlagen, von seinen Mitschülern gehänselt und von den Mädchen übersehen wurde, war die Kirche Freiraum und Zufluchtsort. Als Kind wurde Isidor vom Gemeindepfarrer aus dem Hochwasser gezogen, und seit dieser "persönlichen Errettungslegende" ist Pfarrer Stettner sein Ersatzvater, die Kirche seine Mutter, St. Emmeran seine Heimat. In der Liturgie erlebte Isidor Ordnung und Geborgenheit, beim Vorlesen der Heiligen Schrift verlor sich sein Sprachfehler; bei den Benediktinern fand er verständnisvolle Lehrer, im Passauer Priesterseminar Freunde, und es kümmerte ihn wenig, daß unter den guten Hirten auch schwarze Schafe waren: Päderasten, Alkoholiker, Heuchler, verkrachte Künstler. Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein. Es war die Aufbruchszeit des Konzils; die Priesterweihe war für Isidor eine Erlösung, die Primiz sein Hochzeitsfest. Die Ernüchterung kam rasch; aber der Dorfpfarrer hat sich eine stoische Privatphilosophie zurechtgelegt, die ihm über den Stumpfsinn seiner Herde, über Zweifel und Kleinmut hinweghelfen. "Satz eins: Das Heil liegt in der Erkenntnis. Satz zwei: Man muß sich anständig benehmen, auch wenn's nichts nützt." Der Schmerz geht vorüber, "Gewohnheit ist stärker als Sexualität".

Isidor fühlt sich oft elend wie eine "Religionsmaschine im Zustand der Implosion"; aber der Zölibat war für ihn eher Schutz als Zwang. Gott allein weiß, wie sehr er die zarte, blasse Judith verehrte, wie enttäuscht er, als Mensch und Seelsorger, war, als sie den ungehobelten Hotelkönig Pachl heiratete. Aber er hat nie die Grenzen des Kirchenrechts überschritten, im Gegensatz zu seinem Freund Gregor, einem smarten Pfarrer-Fliege-Typ, der keine "Pfarrernudel" ungetröstet läßt, Glauben als Witz und Berufung als Job versteht. Gewiß, Isidor legt manchmal selbst Hand an sich, trinkt zuviel und grübelt sich in Depressionen; aber verglichen mit seinen Amtsbrüdern, die sich in Zynismus, Machträusche oder Dienst nach Vorschrift flüchten, sich mit Drewermann, Deschner oder gar physisch geißeln, ist er ein vorbildlicher Gottesdiener, geduldig und demütig bis zur Selbstverleugnung. Sein bester Freund, ein atheistischer Spötter, kann ihm nichts über Kirche und Religion sagen, was er nicht schon tausendfach gedacht und verworfen hätte. Der Katholizismus ist das "schönste Wahnsystem der Welt"; und wer, wenn nicht Gott, hätte so etwas erschaffen können? "Unser Kerngeschäft ist der Mummenschanz", stottert Rattenhuber. "Dazu gehört auch das P-pathos unseres grotesken, einsamen Lebens. Wenn wir darauf v-verzichten, löst sich das ganze Ding in Luft auf." Nein, dieser Gottesknecht ist nicht der Fels, auf den man eine Kirche bauen kann. Er ist nur ein tapferer, geplagter und verzagter Mensch, der einst hochgemut aufs Meer hinausfuhr und nun, da sein Schifflein leck geschlagen ist, vor lauter Wasserschöpfen nicht mehr zum Navigieren kommt und sein Ziel aus den Augen verliert. Mit seinem aus Zweifel und Verzweiflung, Scham und Schuld genährten credo quia absurdum ist er ein Held, wie ihn Böll nicht besser hätte erfinden können.

Gottesdiener" ist weder ehrfürchtige Verklärung noch antiklerikale Satire. Morsbach ist keine katholische, nur eine sehr gute Erzählerin. Ihr Roman ist voller Komik, göttlicher Ironie und moderner Dorfschwänke, ohne Herz-Jesu-Romantik und tragisches Pathos, aber beseelt von einem unzeitgemäßen existentiellen Ernst. Natürlich beschäftigt sich Isidor auch mit theologischen und ethischen Fragen; manchmal gerät er angesichts der "geistigen, moralischen und spirituellen Verwahrlosung" sogar in einen heiligen Zorn. Aber die Wahrheit ist bei Morbach immer konkret, und was sie über das Leben zu erzählen weiß, hat sie nicht aus Bibel und Katechismus. 1995 debütierte sie mit einem Roman über den alltäglichen Kampf ums Überleben und ein bißchen Würde im postsowjetischen Rußland ("Plötzlich ist es Abend"). In "Gottesdiener" nähert sie sich jetzt auf ebenso nüchterne und episch ausgreifende Weise einem anderen bröckelnden System der Orthodoxie, und wieder gelingt es ihr, Zustandsbeschreibungen und Reflexionen in scharf gezeichneten Porträts, ergreifenden Schicksalen und Alltagsdramen aufzulösen.

"Gottesdiener" entwirft ein Gesellschaftspanorama; im Zentrum steht Rattenhuber, an seiner Seite eine mitfühlende, aber nie parteiische Autorin, die über eine schlichte, aber ungemein kraftvolle Sprache verfügt. Aber so wie der Pfarrer nicht mehr der Mittelpunkt des Dorfes ist, zerfällt auch die Totalität seiner Gemeinde in ein Nebeneinander von Figuren, Erinnerungen, Anekdoten und Miniaturtragödien. Es gibt keine Entwicklung, keine Handlung, keinen befriedigenden Schluß. Isidors Kampf mit verstockten Sündern und Betschwestern, Kirchenfunktionären, Pfarrhaushälterinnen und seinem Gewissen wird erst enden, wenn Gott ihn zu sich holt. Morsbach hat ihm schon mal die Ohren- und Augenbeichte abgenommen und in einem begnadeten Roman Absolution erteilt.

MARTIN HALTER

Petra Morsbach: "Gottesdiener". Roman. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2004. 378 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Martin Halter schwelgt in der göttlichen Ironie, der Komik der Dorfschwänke und den ergreifenden Alltagsdramen dieses, aus seiner Sicht "begnadeten" Gesellschaftsromans, in dessen Zentrum ein rothaariger, stotternder Pfarrer namens Isidor Rattenhuber stehe. Petra Mosebach ("keine katholische, nur eine sehr gute Erzählerin") habe sich auf eine ebenso nüchterne wie episch ausgreifende Weise dem bröckelnden System der Orthodoxie genähert. Nach Ansicht des außerordentlich beeindruckten Rezensenten ist es ihr bravourös gelungen, Zustandsbeschreibungen und Reflexionen in "scharf gezeichneten Porträts" und "ergreifenden Schicksalen" aufzulösen. Wie nämlich der Pfarrer nicht mehr der Mittelpunkt des beschriebenen Dorfes sei, zerfalle auch seine Gemeinde in ein Nebeneinander von Figuren, Erinnerungen, Anekdoten und Miniaturtragödien. Es gebe keine Entwicklung, keine Handlung, keinen befriedigenden Schluss, nur eine mitfühlende, aber nie parteiische Autorin, vor deren schlichter, aber ungemein kraftvoller Sprache der Rezensent in großer Bewunderung tief seinen Hut zieht.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Ein begnadeter Roman." FAZ