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Alle haben es ja jetzt mit dem Osten, vor allem die im Westen. Strenggenommen ist Deutschland erst in den Neunzigern in die beiden Teile zerfallen. Deshalb ist es jetzt mal gut mit den Freundlichkeiten. Wenn schon die Landschaften nicht blühen, dann wenigstens die Vorbehalte. Peter Richter versuchte in dieser Zeit, ein Westdeutscher zu werden. Dabei wurde er zu dem Ostdeutschen, der er vorher unmöglich gewesen sein konnte. Aus dem Tal der Ahnungslosen in die vielleicht selbstgewisseste Stadt der BRD: Hamburg. Er landete in Harburg, und es sah aus wie Halle-Neustadt. Nur dass die Zimmer so viel…mehr

Produktbeschreibung
Alle haben es ja jetzt mit dem Osten, vor allem die im Westen. Strenggenommen ist Deutschland erst in den Neunzigern in die beiden Teile zerfallen. Deshalb ist es jetzt mal gut mit den Freundlichkeiten. Wenn schon die Landschaften nicht blühen, dann wenigstens die Vorbehalte. Peter Richter versuchte in dieser Zeit, ein Westdeutscher zu werden. Dabei wurde er zu dem Ostdeutschen, der er vorher unmöglich gewesen sein konnte. Aus dem Tal der Ahnungslosen in die vielleicht selbstgewisseste Stadt der BRD: Hamburg. Er landete in Harburg, und es sah aus wie Halle-Neustadt. Nur dass die Zimmer so viel kosteten wie in Dresden ganze Straßenzüge. Ist nun eigentlich die BRD oder die DDR größer geworden? Wirtschaftlich und politisch prägt zwar (noch) der Westen das wieder vereinigte Land ? habituell aber zunehmend der Osten. Mit scharfem Witz häkelt der vom Westen erfundene Ostler seine Geschichten ein in die sogenannte große Geschichte ? und verteilt seine Ressentiments in alle Richtungen. Deür milde Nostalgie besteht kein Anlass. Dafür entdeckt er zuviel Unrat in den blinden Winkeln der Westens und in den Erinnerungslücken des Ostens.
Autorenporträt
Peter Richter ist Organisations- und Verwaltungssoziologe an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam. Dort promovierte er 2008 mit vorliegender Arbeit.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als ein "Abenteuer für sich" stellt es sich Julia Encke vor, das Buch des Berliner Journalisten parallel zu Helmut Kohls Erinnerungen an die Wiedervereinigung zu lesen, die bisher noch auf sich warten lassen. Den Erwartungen der Rezensentin entgegen, also weder larmoyant noch ostalgisch, schildere der Autor anekdotisch sein Verhältnis zu DDR-Errungenschaften, zu bestimmten Vorbehalten und Klischees in Ost und West, "denen er selbst erliegt, die er zurücknimmt oder resigniert stehen lässt". Zwar fühlt sich unsere Rezensentin in einer Passage über die "aufgeschäumte Latte-Macchiato-Kultur" "kulturkritisch gegeißelt", dennoch freut sie sich über Neuigkeiten zur DDR-Ersatzdroge "Nuth", einem schnüffelbaren Fleckentferner, über "fantastische Geschichten" zur Plünderung des Einzelhandels durch ostdeutsche Kinder und den Verzicht des Autors auf die Worte "wir" und "Generation" - und fühlt sich zu Dank verpflichtet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2004

Der geplünderte Osten
Was sind das für Menschen? Peter Richters erstaunliche Heimatkunde „Blühende Landschaften”
Man ist sich in diesen Tagen gar nicht sicher, ob die Kohl-Ära jemals zu Ende gegangen ist. Jedenfalls nicht, wenn man an einem Samstagvormittag am Eingang eines großen Buchgeschäfts auf jemanden wartet und mitansieht, wie jeder Fünfte zuverlässig nach den gerade erschienenen Kanzler-„Erinnerungen” greift, die dort in großen Stapeln aufgebahrt liegen. Niemand scheint im Moment so dringend gebraucht zu werden wie Helmut Kohl, der jetzt wieder antritt, um den „Geschichtsfälschern”, die seit 1998 „auf breiter Front unterwegs sind”, entgegenzutreten und endlich mitzuteilen, „wie es wirklich war”.
Die „Geschichtsklitterer” sind Kohls eigentliche Feinde. Und aus diesem Grund ist es fast schade, dass in der letzten Woche nur der erste Band seiner „Erinnerungen” erschienen ist und der zweite, in dem es um die Wiedervereinigung geht, noch auf sich warten lässt: Zeitgleich mit den Memoiren des Ex-Staatsmanns nämlich ist noch ein anderes Erinnerungsbuch erschienen, schmaler natürlich und so gar nicht staatsmännisch, das den vielversprechenden Kohl-Titel „Blühende Landschaften” trägt. Geschrieben hat es der Berliner Journalist Peter Richter, der aus Dresden kommt. Seine „Blühenden Landschaften” mit Kohls Wiedervereinigungs-Kapiteln parallel zu lesen, wäre ein Abenteuer für sich gewesen. So bunt hätten deutsche Landschaften überhaupt noch nie geblüht! Denn ohne dass Kohl in seinem Buch vorkommt, ist Peter Richter sozusagen ein Kohlscher „Geschichtsklitterer” im besten Sinn – und die Deutsche Einheit zuletzt dann doch eine Frage der Perspektive.
Es beginnt nicht erwartungsgemäß, wie in dieser kleinen deutsch-deutschen „Heimatkunde” überhaupt wenig Erwartbares steht, was ein großes Glück ist. Im Grunde wundert man sich die ganze Zeit und bedauert an manchen Stellen sogar, dass man, im Westen geboren, gewisse Dinge so nicht erlebt hat. „Blühende Landschaften”, das muss vorweg gesagt werden, ist nämlich kein trauriges oder larmoyantes Buch – im Gegenteil. Es ist auch nicht ostalgisch, obwohl dem Autor bestimmte DDR-Errungenschaften erklärtermaßen ans Herz gewachsen sind, wie zum Beispiel die Trabis: Dass ein Großteil der Ostdeutschen diese nach der Wende gegen einen Opel-Kadett eintauschte, gegen einen West-Trabi also, der seit 1984 gar nicht mehr gebaut wurde, löst bei ihm noch immer Empörung aus. Und man versteht das sehr gut: „Kadett! Was sind das für Menschen, die im Augenblick ihres größten Triumphes schon wieder von militärischer Unterordnung träumen und sich Autos zulegen, die das Kleine, Zurückgestufte und Streberhafte schon im Namen führen?”
Tätowiert bin ich nicht
Da in Ost und West, weit mehr als die Landschaften, vor allem die Vorbehalte blühen, ruft Peter Richter diese gleich zu Beginn schon mal wach: „Mein Name ist Peter Richter, ich bin 30 Jahre alt, und, ja, ich habe fast alles von den Böhsen Onkelz.” Das funktioniert natürlich. Reflexhaft fragt man sich, was denn das für jemand ist, der so schaurige Musik hört und dies als wilde Pose auch noch feiert. Und schon sitzt man in der Falle – wird im nächsten Satz allerdings behutsam wieder hinausgebeten: „Ich sage das lieber gleich, sonst finden mich wieder alle nett. Tätowiert bin ich übrigens nicht. Ich habe einmal mit dem Gedanken gespielt, mir DRESDEN auf den Bauch tätowieren zu lassen, in Fraktur natürlich. Wenigstens dort wäre die Stadt in der letzten Zeit erheblich größer geworden, und nicht immer kleiner, wie in der Wirklichkeit. Dresden hat ja in den letzten Jahren unheimlich viele Einwohner verloren. Zum Beispiel mich. Ich bin 1993 nach Hamburg gezogen.” Und erst dort sei er zu etwas geworden, von dem er vorher gar nicht wusste, dass es das überhaupt gibt: „zum Ostdeutschen”.
Die Koordinaten stehen damit fest: Dresden und Hamburg. Mit ihnen verbindet sich automatisch, reflexhaft also wieder, ein beeindruckendes Arsenal weiterer Vorbehalte und Klischees, die auf den Autor hereinbrechen, denen er selbst erliegt, die er zurücknimmt oder resigniert stehen lässt. Zum einen ist das die Bombenstadt Dresden: Was er denn „für ein Landsmann” sei, fragt ihn bei der Wohnungssuche in Hamburg die alte Vermieterin mit dem Bratapfelgesicht und der Hannelore-Kohl-Frisur, die ihr schönes Haus vor allem deshalb so schön findet, weil es in ihm weder Tiere, noch Kinder und Ausländer gebe. „Drsdn”, haucht der Befragte kleinlaut und löst sogleich einen Feuersturm aus: „DREESDEN!”, schreit die Dame, als würden die Menschen dort immer noch brennen und auf der Flucht vor den Tieffliegern über die Elbwiesen rennen. Flugs ist sie dann aber schon bei den Juden, die natürlich krumme Geschäfte mit dem Elend der Ausgebombten gemacht hätten, und das obwohl sie angeblich alle vergast worden seien. Ob er zum Beispiel wisse, dass Ignatz Bubis, dem heute, also 1993, halb Frankfurt gehöre, möglicherweise auch halb Dresden gehörte, wenn ihn die Russen nicht wegen seiner Schiebergeschäfte von dort verjagt hätten, und ob damit nicht klar sei, was in diesem Land los ist!
Andere, zu denen man sich zugegebenermaßen selbst zählt, denken bei „Dresden” sofort an „Sachsen” und sind der festen Überzeugung, dass jemand von dort naturgemäß auch sächsisch spricht. „Hört man ja gar nicht”, sagen die Leute jedes Mal, wenn Richter erklärt, woher er kommt, was ihm beträchtlich auf die Nerven geht. Dabei ist man ja erleichtert, sich beim Lesen getrost eine hochdeutsche Stimme vorstellen zu dürfen. An manchen Vorbehalten hält man gerne fest. Und der Autor tut das, auf seine Weise, glücklicherweise auch.
Man muss Peter Richter dankbar dafür sein, dass er niemals „wir” sagt und das Wort „Generation” in seinem Buch nicht vorkommen lässt. „Blühende Landschaften” ist keine „Generation Golf” für den Osten und auch keine „Zonenkinder”-Phantasie. Nach den kollektiven Bekenntnissen führt das Buch vielmehr vor, wie einfach es sein kann, nur für sich zu sprechen. Eine Passage gibt es, die man in den Generationsbüchern schon gelesen hat und auf die man gerne verzichtet hätte. Es geht darin erneut um die aufgeschäumte Latte-Macchiato-Kultur. Und fast möchte man darum bitten, seinen Milchkaffee endlich in Ruhe trinken zu dürfen, ohne sogleich kulturkritisch gegeißelt zu werden. Was man dagegen überhaupt noch nie gehört hat, sind die Ausführungen zur DDR-Ersatzdroge, dem Fleckenentferner „Nuth”, oder die fantastischen Geschichten über die „Große Ostdeutsche Kollektive Kleptomanie”, die nach 1989 mit dem plötzlichen Warenüberangebot einherging. Die Klagen älterer Ostdeutscher erweisen sich hier als berechtigt: Der Osten ist ausgeplündert worden! Auf der Ebene des Einzelhandels allerdings von den eigenen Kindern, die in den Läden alles mitnahmen, was sie tragen konnten.
Helmut Kohl hat es anders gemeint. Aber er behält Recht. Die Landschaften blühen tatsächlich.
JULIA ENCKE
PETER RICHTER: Blühende Landschaften. Eine Heimatkunde. Goldmann Verlag, München 2004. 220 S., 18,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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"... Die `Geschichtskitterer´ sind Kohls eigentliche Feinde. Und aus diesem Grund ist es fast schade, dass in der letzten Woche nur der erste Band seiner `Erinnerungen´ erschienen ist und der zweite, in dem es um die Wiedervereinigung geht, noch auf sich warten lässt: Zeitgleich mit den Memoiren des Ex-Staatsmanns nämlich ist noch ein anderes Erinnerungsbuch erschienen, schmaler natürlich und so gar nicht staatsmännisch, das den vielversprechenden Kohl-Titel `Blühende Landschaften´ trägt. Geschrieben hat es der Berliner Journalist Peter Richter, der aus Dresden kommt. Seine `Blühenden Landschaften´ mit Kohls Wiedervereinigungs-Kapiteln parallel zu lesen, wäre ein Abenteuer für sich gewesen. So bunt hätten deutsche Landschaften überhaupt noch nie geblüht! Denn ohne dass Kohl in seinem Buch vorkommt, ist Peter Richter sozusagen ein Kohlscher `Geschichtsklitterer´ im besten Sinn - und die Deutsche Einheit zuletzt dann doch eine Frage der Perspektive. Es beginnt nicht erwartungsgemäß, wie in dieser kleinen deutsch-deutschen `Heimatkunde´ überhaupt wenig Erwartbares steht, was ein großes Glück ist. Im Grunde wundert man sich die ganze Zeit und bedauert an manchen Stellen sogar, dass man, im Westen geboren, gewisse Dinge so nicht erlebt hat `Blühende Landschaften´, das muss vorweg gesagt werden, ist nämlich kein trauriges oder larmoyantes Buch - im Gegenteil. ... .... `Blühende Landschaften´ ist keine `Generation Golf´ für den Osten und auch keine `Zonenkinder´-Phantasie. Nach den kollektiven Bekenntnissen führt das Buch vielmehr vor, wie einfach es sein kann, nur für sich zu sprechen. ..."
Süddeutsche Zeitung, 12.03.04
"…Cool aus der Hüfte schießt er [Peter Richter] seine Pointen ab, zielt mal in Richtung Osten, mal in Richtung Westen, und oft trifft er genau in die neue Mitte. So klug und witzig zugleich ist die Lage der wiedervereinten Nation noch nicht beschrieben worden."
KulturSPIEGEL Nr. 03/04
"… Gott sei Dank gänzlich frei von Ostalgie, dafür herrlich ironisch geschrieben. `Generation Golf´ intelligent getunt. Das verdient viele Leser." ´
Amica, 04/2004
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"Spöttisch und pointiert, aber ohne jede Spur von prononciertem Willen nach Grundsatzdebatte und Weltveränderung. (...) Auffallend ist der scharfe Blick, der die Präzision eines Gerichtsmediziners verbindet mit der zwanglosen Fröhlichkeit eines Zauberers." (Der Spiegel)
"Peter Richter wollte ein ernsthaftes Buch schreiben. Heraus kam ein unterhaltsames Buch, über einen ernsthaften Gegenstand. Richters Pointen gleichen den Spitzen von Eisbergen: unterhalb der leicht erzählten Geschichten liegt manches Beunruhigende. Die feuilletonistische Form ist dabei genau die richtige: dem Anspruch, den der Autor 'durchaus missionarisch' nennt, tut dies keinen Abbruch. Ein lesenswertes Buch." (DeutschlandRadio Berlin)
"Gott sei Dank gänzlich frei von Ostalgie, dafür herrlich ironisch geschrieben. 'Generation Golf' intelligent getunt. Das verdient viele Leser." (Amica)
"Eine Achterbahn, die quer durch alle Ressorts des Lebens rast" Der Spiegel