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Produktdetails
  • Verlag: Rotbuch Verlag
  • Seitenzahl: 238
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 315g
  • ISBN-13: 9783434530398
  • ISBN-10: 3434530398
  • Artikelnr.: 09441095
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.02.2002

Prinzip Hoffnung
Rolf Schwendters Sammlung von Gesellschaftsbildern
Rolf Schwendter ist ein Unikum. Der gebürtige Wiener, Jahrgang ‘39, ist Dramaturg, Regisseur, Schriftsteller, Liedermacher und Hochschulprofessor in einem; er lehrt Devianzforschung an der Gesamthochschule Kassel. Dort beschäftigt er sich naturgemäß mit allem was abweicht, mit Subkulturen beispielsweise, oder mit Utopien aller Art. Das prägt das eigene Denken. Die Einleitung zu seinen fünfzehn „Gesellschaftsbildern des 20. Jahrhunderts” beschließt der Satz: „Denn keines der hier vorliegenden Gesellschaftsbilder ist in der zeitgenössischen Wirklichkeit eingelöst – in jedem ist noch so viel ,überschießendes Bewußtsein‘ ... enthalten, daß es bis weit in das 21. Jahrhundert reichen dürfte.”
Bertha von Suttner, Mahatma Gandhi, Franco Basaglia, Paolo Freire: Die Auswahl zeigt ein Interesse für Gesellschaftstheoretiker, die ihr Denken mit der Frage nach seiner praktischen Umsetzung verknüpft haben, ja selbst handelnd aktiv wurden. Schwendter beschreibt ihr Leben, reflektiert die wichtigsten Passagen ihrer Werke. Über den Brasilianer Freire und dessen „Pädagogik der Unterdrückten” heißt es zusammenfassend: „Das Gesellschaftsbild Paolo Freires besteht aus einem Ensemble selbständiger, dialogischer, mythenarmer, kommunikativer, existentieller Menschen, konfliktfähig und emotional genug, um durch ihre Wörter die Welt zu verändern.”
Schwendter macht sich stark für engagierte Zeitgenossenschaften, die dem zunehmenden Vergessen anheim fallen. Dabei scheut er nicht das Pathos; ein lange nicht vernommener Tonfall, der so angenehm quer steht zu all dem Gerede dieser Tage und Wochen und Jahre, das von nüchternem Pragmatismus bestimmt ist. Nicht selten dürfte der Österreicher den Vorwurf zu hören bekommen, er sei altmodisch, überholt, naiv. Ein linkes Auslaufmodell, das, einmal abgewichen in Richtung Utopie, nicht mehr auf den Weg zurückfindet.
Herbert George Wells, Marshall McLuhan und Stanislaw Lem: Schwendters Interesse gilt auch dem Konnex von Medien, Technik und Gewalt. Doch den umständlich-mäandernden Beschreibungen merkt man an, dass er ganz offensichtlich den praktischen Bezug vermisst.
Gegen Ende wird noch mal Fahrt aufgenommen. Es werden zwei Autoren diskutiert, die man als Gegengewicht ruhig mal wieder in die aktuellen Debatten einführen könnte: Johan Galtung mit seiner Theorie der „personalen und strukturalen Gewalt” und Ivan Illich mit seiner Kritik der „Radikalen Monopole” – er zählt auch die Schulen dazu. Das Kopfschütteln unserer pisastudiengeschüttelten Kultusminister möchte man sehen.
FLORIAN WELLE
ROLF SCHWENDTER: Gesellschaftsbilder des 20. Jahrhunderts. Rotbuch Verlag, Hamburg 2001. 239 Seiten, 16,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Florian Welle schätzt den österreichischen Autor als "Unikum", und er lobt die fünfzehn Gesellschaftsbilder, deren Urheber beschrieben und deren Werke rekapituliert werden, als Versuch, sie vor dem Vergessen zu bewahren. Dabei seien es speziell diejenigen Gesellschaftstheoretiker, die auch versucht hätten, ihre Theorien in die Praxis umzusetzen, für die sich der Autor am meisten interessiere. Besonders gut hat Welle dabei ein gewisses "Pathos" gefallen, das wie er findet, so "angenehm quer steht" zum üblichen Tonfall des "nüchternen Pragmatismus". Es wundert den Rezensenten allerdings gar nicht, dass Schwendter eher theorielastige Gesellschaftsutopien, wie die von Wells, McLuhan und Lem in einem "umständlich-mäandernden" Stil beschreibt, denn hier, meint Welle, fehlt dem Autor wohl der "praktische Bezug".

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