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Die Verfassung der USA stellt Religionsfreiheit und weltanschauliche Neutralität des Staates an die Spitze ihres Grundrechtskataloges. Die Auslegung des "First Amendment" durch die Verfassungsrechtsprechung der vergangenen zwei Jahrhunderte zeugt von der Bedeutung und Vielfalt von Religion in Nordamerika.
Von den Pilgervätern bis zum Rehnquist Court zeichnet der Autor die Entwicklung der Religionsfreiheit nach. Schulgebet, Bekleidungsvorschriften, Sonntagsschutz und Tieropfer werden ebenso behandelt wie der Schutz der nordamerikanischen Ureinwohner. Im Zentrum steht dabei die aktuelle
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Produktbeschreibung
Die Verfassung der USA stellt Religionsfreiheit und weltanschauliche Neutralität des Staates an die Spitze ihres Grundrechtskataloges. Die Auslegung des "First Amendment" durch die Verfassungsrechtsprechung der vergangenen zwei Jahrhunderte zeugt von der Bedeutung und Vielfalt von Religion in Nordamerika.

Von den Pilgervätern bis zum Rehnquist Court zeichnet der Autor die Entwicklung der Religionsfreiheit nach. Schulgebet, Bekleidungsvorschriften, Sonntagsschutz und Tieropfer werden ebenso behandelt wie der Schutz der nordamerikanischen Ureinwohner. Im Zentrum steht dabei die aktuelle Frage, ob nur kollidierende Verfassungsgüter oder schon die allgemeinen Gesetze einen Eingriff rechtfertigen. Die weltanschauliche Neutralität verbietet in den USA finanzielle Zuwendungen an Religionsgemeinschaften und setzt der Darstellung von religiösen Symbolen enge Grenzen. Andererseits darf der Staat die Religionsgemeinschaften auch nicht wegen ihres weltanschaulichen Charakters benachteiligen.

Ein weitgehender Schutz von Religion führt in einer weltanschaulich heterogenen Gesellschaft zu Konflikten. Der Autor beschreibt den Lösungsansatz des US-amerikanischen Verfassungsrechts und schließt mit einigen Parallelen zur aktuellen Diskussion in Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Jesus kehrt in die Gerichtssäle zurück
In Gottes eigenem Land kennt der Staat kein Glaubensbekenntnis: Thomas Funke über die Religionsfreiheit in Amerika / Von Heinrich Wefing

Von Nicholas D. Kristof, dem angesehenen liberalen Leitartikler der "New York Times", stammt die Bemerkung, nichts unterscheide die Vereinigten Staaten so fundamental vom Rest der westlichen Welt wie die Rolle der Religion. Tatsächlich ist Amerika, zur Irritation vieler Europäer, ein tiefreligiöses Land. Es ist gar nicht zu denken ohne die sonntäglichen Gottesdienste in tausenderlei Kirchen, Sekten und Erweckungsbewegungen. Dabei wird die demonstrative Anrufung des Herrn, das öffentliche Bekenntnis nicht nur von Wertkonservativen, Traditionalisten oder Eiferern praktiziert. Auch eine aufgeklärte Dame wie Hillary Clinton hat vor Jahren ganz selbstverständlich in ihren Memoiren von dem Gebetskreis geschrieben, der ihr in den Krisenzeiten ihrer Ehe Kraft gegeben habe. Man mag derlei Schaustellungen des eigenen Glaubens peinlich oder verlogen nennen, aber sie berühren zuverlässig das Publikum.

Der Glaube gehört in einem Maße zum amerikanischen Alltag, wie dies im weithin säkularisierten Europa nicht mehr vorstellbar ist, und seine Bedeutung nimmt nicht ab, sondern ständig zu, stärker als in irgendeinem anderen industrialisierten Land der Erde. So glauben über achtzig Prozent der Amerikaner, mehr als je zuvor, an die jungfräuliche Geburt Jesu, aber kaum dreißig Prozent halten die Evolution für eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache. Erst dieser Tage ist eine neue Studie zu dem Ergebnis gekommen, daß nur etwas mehr als zehn Prozent aller Amerikaner keiner religiösen Gruppierung angehören. Als Atheisten bezeichneten sich laut dem "Baylor University Religion Survey" nur fünf Prozent der Bevölkerung. Die Vereinigten Staaten befänden sich mitten in einem neuen spirituellen großen Erwachen, hat Kristof schon vor drei Jahren notiert, und eben hat Präsident Bush ihm recht gegeben (was selten genug vorkommt), als auch er von einem dritten "Awakening" sprach.

Nun zählt es freilich zu den in Europa mitunter gern übersehenen Eigentümlichkeiten Amerikas, daß derlei Präsidentenworten zum Trotz Kirche und Staat in "Gottes eigenem Land" streng geschieden sind, viel strikter als beispielsweise in der Bundesrepublik. Was hierzulande selbstverständlich ist: theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten, Religionsunterricht in öffentlichen Schulen, Steuererhebung für die Kirchen durch das Finanzamt - ist in den Vereinigten Staaten seit bald zweihundert Jahren undenkbar. Selbst über öffentliche Subventionen für den Denkmalschutz an historischen Kirchen wird in Washington mit Hingabe gestritten. Spätestens seit Thomas Jeffersons "Bill for Establishing Religious Freedom in Virginia" gehöre es "zum Kernbereich der weltanschaulichen Neutralität des Staates", schreibt Thomas Funke in seiner verfassungsrechtlichen Studie über die Religionsfreiheit in den Vereinigten Staaten, "daß Steuermittel für religiöse Zwecke nicht verwendet werden dürfen".

Das war auch in Nordamerika keineswegs immer so, wie Funke in einem knappen historischen Überblick zur Entwicklung der Religionsfreiheit zu Recht darlegt. Die ersten Siedler in der Neuen Welt errichteten veritable Gottesstaaten. In Massachusetts etwa wurden gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts nicht nur die Pfarrer aus Steuergeldern bezahlt; der Glaube an einen anderen Gott als den der Bibel war ebenso mit der Todesstrafe bedroht wie Hexerei und Blasphemie: Presbyterianer und Baptisten wurden aus Massachusetts vertrieben, mehrere Quäker hingerichtet. Erst langsam, unter dem Druck immer neuer Einwanderungswellen unterschiedlichster Bekenntnisse, wurden die engen Bande zwischen Staat und Kirche gelockert, bis schließlich der 1791 in Kraft getretene erste Verfassungszusatz, das "First Amendment", die Trennung von Kirche und Staat wie die individuelle Religionsfreiheit in bemerkenswert knapper und ungewöhnlich beständiger Form garantierte. Seither gilt in den Vereinigten Staaten der alles in allem bewährte Grundsatz, daß die wachsende Heterogenität der Bevölkerung in weltanschaulichen und religiösen Fragen den Staat nur um so stärker zur Neutralität verpflichtet.

Es ist natürlich diese historische Erfahrung der Organisation eines friedlichen Zusammenlebens einer religiös gleichermaßen aktiven wie zersplitterten Gesellschaft, die den verfassungsvergleichenden Blick nach Amerika derzeit so interessant macht - und Thomas Funkes nüchterne Analyse der Rechtsprechung des "Supreme Court" zu einer aktuellen und anregenden Lektüre. Denn mit dem Zustrom von Menschen nichtchristlicher Bekenntnisse nach Westeuropa haben auch hierzulande fast notwendig die religiös unterlegten Auseinandersetzungen neuerlich zugenommen. Die vom Grundgesetz in Artikel 4 garantierte Religionsfreiheit, in Zeiten verbreiteter religiöser Indifferenz ein "uninteressantes Grundrecht", wie Dieter Grimm, der ehemalige Bundesverfassungsrichter, unlängst in einem Vortrag vor dem Berliner Wissenschaftskolleg formulierte, ist wieder zum erbittert umkämpften Streitgegenstand geworden.

Dabei gleichen sich die Dispute beiderseits des Atlantiks trotz aller Unterschiede im Glaubenseifer der Mehrheitsbevölkerung. Das vom Supreme Court abgewiesene Begehren eines jüdischen Psychologen der U.S. Air Force etwa, im Dienst die Yarmulke, die traditionelle Kopfbedeckung orthodoxer Juden, tragen zu dürfen, unterscheidet sich kaum von dem Wunsch muslimischer Lehrerinnen, während des Unterrichts an öffentlichen Schulen in Deutschland ein Kopftuch anzulegen. Und die Weigerung von Jonas Yorder, eines Anhängers der "Old Order Amish Religion", seine Kinder auf eine staatliche Schule zu schicken, wo sie allzu weltlichen Einflüssen ausgesetzt wären, ähnelt dem Wunsch mancher muslimischer Eltern hierzulande, ihre Töchter vom Schwimm- oder Sexualkunde-Unterricht zu befreien.

Auch die Ansätze zur Lösung solcher Streitfälle, in denen sich Elternrechte, Bildungsfragen und Moralvorstellungen verknoten, gingen lange in eine vergleichbare Richtung. Nur überragend wichtige andere Interessen, so die Regel, rechtfertigten einen Eingriff in die Religionsfreiheit. So hatte der Supreme Court 1972 in der berühmten Entscheidung "Wisconsin v. Yorder" noch dem Amish-Vater recht gegeben und seine Kinder von der allgemeinen Schulpflicht befreit. 1990 warf das Oberste Gericht in Washington seine Rechtsprechung in einem heftig kritisierten, von Justice Antonin Scalia verfaßten, mit knapper Mehrheit erlassenen Urteil um und entschied, die Religionsfreiheit könne keinen Bürger der Pflicht entheben, sich an die allgemeinen Gesetze zu halten. Keine Gesellschaft könne sich den Luxus erlauben, schrieb Scalia düster, nur solche Regeln gegenüber religiösen Minderheiten durchzusetzen, die einem überragenden staatlichen Interesse dienten, alle anderen aber kurzerhand aufzugeben. Das fördere die Anarchie, und zwar um so mehr, je zersplitterter die religiösen Bekenntnisse innerhalb der Bevölkerung seien.

Noch ist ein derartiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht ergangen und wohl auch nicht zu erwarten. Die deutschen Gerichte sind bislang bei ihrer Einzelfallprüfung und subtilen Abwägung der widerstreitenden Interessen geblieben. Allenfalls in der Tendenz läßt sich beobachten, daß unter dem Eindruck wachsender Empfindlichkeiten zwischen den Religionsgruppen auch hierzulande von den Gerichten versucht wird, nicht allzu viele Ausnahmen von den allgemein verbindlichen Regeln zuzulassen. Je weiter allerdings die Pluralisierung der Lebensstile und religiösen Bekenntnisse fortschreitet, desto schwieriger wird es für die Richter werden, auf diese Weise befriedend zu wirken. Ganz gleich, ob man das, was wir gerade erleben, nun als "Rückkehr der Religionen" bezeichnet oder als "De-Säkularisierung", wie der amerikanische Religionssoziologe Peter Berger - der Prozeß hat längst die Gerichtssäle erreicht. In Amerika, wie üblich, ein wenig früher als in Deutschland.

Thomas Gerrith Funke: "Die Religionsfreiheit im Verfassungsrecht der USA". Historische Entwicklung und Stand der Verfassungsrechtsprechung. Duncker & Humblot, Berlin 2006. 184 S., br., 68,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Instruktiv findet Rezensent Heinrich Wefing diese Studie über die Religionsfreiheit in den USA, die Thomas Gerrith Funke vorgelegt hat. Deutlich werde, dass die USA ein tiefreligiöses Land sind, in dem zugleich eine viel striktere Trennung von Staat und Kirche herrscht als in Europa. In einem gelungenen historischen Überblick zeige Funke die Entwicklung der Religionsfreiheit in den USA. Gerade die historische Erfahrung eines friedlichen Zusammenlebens überaus heterogener religiöser Gruppen in der amerikanischen Gesellschaft macht für ihn den vergleichenden Blick nach Amerika so interessant. Insofern würdigt er Funkes Analyse der Verankerung der Religionsfreiheit im amerikanischen Verfassungsrecht auch als eine "aktuelle und anregende Lektüre".

© Perlentaucher Medien GmbH
»Funkes Abhandlung [kann] jedem deutschen Leser, der sich kurz und knapp über Inhalte und Urteilsbegründungen zentraler Entscheidungen des U.S. Supreme Court zu den Religionsklauseln des Ersten Amendment informieren möchte, empfohlen werden. In dieser Hinsicht füllt es eine auf dem deutschen Buchmarkt seit langem bestehende Lücke.«
Manfred Brocker, in: Neue Politische Literatur, 52/2007

»Schließlich erreicht der Autor es so, ein leicht lesbares Buch vorzulegen, das auf 160 Seiten alles Wesentliche von der Verfassungsgeschichte bis hin zur Rechtsprechung des Supreme Court darlegt und zum weiteren Nachdenken anregt.«
Ansgar Grochtmann, in: De processibus matrimonialibus, 15-16/2008-2009