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Dezember 1977: Alles sollte anders werden, als Susanne Schädlich die DDR verließ. Doch es war der Beginn einer dramatischen Zerreißprobe: Der Westen war fremder als gedacht, und der lange Arm der Stasi verfolgte die Familie auch hier. Erst Jahre später, im geeinten Deutschland, gelang es Susanne Schädlich, anzukommen. Aber Geschichte vergeht nicht, sie holt einen immer wieder ein ...

Produktbeschreibung
Dezember 1977: Alles sollte anders werden, als Susanne Schädlich die DDR verließ. Doch es war der Beginn einer dramatischen Zerreißprobe: Der Westen war fremder als gedacht, und der lange Arm der Stasi verfolgte die Familie auch hier. Erst Jahre später, im geeinten Deutschland, gelang es Susanne Schädlich, anzukommen. Aber Geschichte vergeht nicht, sie holt einen immer wieder ein ...
Autorenporträt
Susanne Schädlich, geb. 1965 in Jena, ist literarisch tätig und arbeitet als freiberufliche Autorin, Journalistin und Übersetzerin aus dem Amerikanischen und Spanischen. Sie lebte elf Jahre in den USA; 1999 kehrte sie nach Berlin zurück.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2009

Der böse Hirte

Onkel war ein Verräter: Susanne Schädlich, die Tochter des vom eigenen Bruder bespitzelten Schriftstellers Hans Joachim Schädlich, hat ein unversöhnliches Erinnerungsbuch geschrieben. Im Gedenkjahr 2009 sollte man es lesen.

Susanne Schädlich, geboren 1965, ist die Tochter des Schriftstellers Hans Joachim Schädlich. Wie er arbeitet sie auf dem Gebiet der Literatur, als Autorin und Übersetzerin. Den Bekanntheitsgrad des Vaters erreichte sie bisher nicht und wird ihn wohl auch nicht erreichen, was nicht zuletzt daran liegt, dass er ihr in erzählerischer Kunstfertigkeit und Sprachbeherrschung erheblich überlegen ist. Doch über Geschichten, die zu erzählen sich lohnt, verfügt sie durchaus. Dies beweist sie in ihrem Erinnerungsbuch "Immer wieder Dezember".

Der Untertitel gibt den ersten Einblick in die Geschichte, die uns hier erwartet: "Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich". Natürlich, die Familie Schädlich stammt aus dem deutschen Osten, und wer von der Tochter Susanne bislang noch nichts wusste, der hat gewiss schon vom Vater und von dessen Schicksal gehört. Hans Joachim Schädlich war einer der widerborstigen Schriftsteller, mit denen das DDR-Regime nicht zurechtkam. Zu Ulbrichts Zeiten wurden solche Leute ins Zuchthaus geschickt, unter Honecker geschunden, indem man sie ihrer bürgerlichen Rechte beraubte - oder in den Westen abschob.

Das fand vor allem in den späten siebziger Jahren statt, nachdem viele DDR-Schriftsteller gegen den hinterhältigen Hinauswurf Wolf Biermanns 1976 opponiert hatten. Auch Schädlich zählte zu den Unterzeichnern des Biermann-Protests. Zudem veröffentlichte er im Jahr 1977 den Erzählungsband "Versuchte Nähe", in dem er die Begegnung von Mensch und Herrschaftsstaat abseits aller diktatorischen Trompetentöne ausleuchtete. Eine seiner Figuren sagt darin: "Das ist ja der Poeten Amt, ... dass sie das Üble mit Bitterkeit verfolgen." Natürlich konnte ein solches Buch in keinem DDR-Verlag erscheinen; der Autor überließ es dem westdeutschen Rowohlt Verlag.

Das war ihm selbstverständlich nicht erlaubt, und so geriet er, wie viele seiner Kollegen aus gleichem Grund, in das Kreuzfeuer staatlicher Schikanen, bis er es nicht mehr aushielt. Hans Joachim Schädlich stellte einen Ausreiseantrag, der zunächst abgelehnt, dann aber doch genehmigt wurde. Im Dezember 1977 verließ die Familie die DDR, und hier setzt der Bericht der Tochter ein. Susanne Schädlich zählt zu jener Zeit zwölf Jahre, ein Alter, in dem man zwar auf Unbekanntes neugierig sein kann, aber auch leidet, wenn man vertraute Umgebungen aufgeben muss und seine Freunde verliert. Soweit die Erzählung der Autorin das eigene Dasein betrifft, erleben wir mit ihr den Schock der Fremde, den schmerzenden Mangel an Beständigkeit. Dauernd droht die Auflösung der Familie, weil Vater und Mutter auch örtlich entlegene Chancen wahrnehmen müssen, um Geld zu verdienen und Susanne und ihre kleine Schwester zu versorgen. Weil sie nicht, wie früher, zu Hause Gemeinschaft pflegen können. Und tatsächlich zerbricht schließlich die Ehe der Eltern.

Dies alles wird uns erzählt, doch keineswegs geklagt. Susanne Schädlich konstatiert die aus der politischen Situation resultierenden Belastungen, doch sie jammert nie. Sie nimmt uns mit auf ihrem schwierigen Weg durch vielerlei Schulen in verschiedenen Wohnorten, schließlich, als sie eine junge Erwachsene ist, mit in die Vereinigten Staaten, wo sie sich elf Jahre lang in mannigfachen Tätigkeiten ausprobierte. 1999 kehrte sie heim. Da gab es seit einem Jahrzehnt die Mauer nicht mehr, Deutschland war wieder vereinigt, die finsteren Kräfte der DDR-Herrschaft hatten ausgespielt, ihre Unterlagen waren nicht länger geheim, jeder konnte sie lesen. Susanne Schädlich ging zur Gauck-Behörde und nahm Einblick in die Stasi-Berichte, die in Sachen ihrer Familie, vor allem ihres Vaters, gefertigt wurden.

Hans Joachim Schädlich, der diese Unterlagen schon 1992 studiert hatte, wusste seither, dass sein Bruder, der Historiker Karlheinz Schädlich, für die Staatssicherheit gearbeitet hatte. Auf die Tochter Susanne fuhr erst jetzt der Donner nieder, den alle vorherigen Erlebnisse und Bedrückungen nicht auslösen konnten. Sie las, dass Onkel Karlheinz eine Ewigkeit lang im Dienste der Staatssicherheit den Vater ausgespäht hatte. Dass es keinen Augenblick gab, in dem die DDR-Büttel nicht wussten, was Hans Joachim Schädlich im Westen plante, unternahm, dachte, erlitt. Der liebe Onkel, an dem die Nichte hing, dem sie vertraute, dem sie sich oft genug offenbarte - er war Arm und Waffe der Verfolger gewesen, hatte den eigenen Bruder und dessen Familie Jahre hindurch belogen und an ihre Feinde verkauft. "IM Schäfer" nannten ihn die Stasi-Papiere - abscheulich passend, fand Nichte Susanne: Schäfer gleich Hirte, und zwar ein Hirte, der alles tat, um die Schafe zur Schlachtbank zu treiben. Denn es hatte eine Zeit gegeben, in der die Mielke-Männer erwogen, den Dichter Schädlich in die DDR zurückzuholen, des Propagandaeffekts wegen. Onkel Karlheinz versuchte sogar, seine alte Mutter einzusetzen, auf dass die dem aufmüpfigen Sohn eine Rückkehr schmackhaft mache.

Das Kind Susanne hatte mehrmals vom Westen aus den Onkel besucht. Der erwachsenen Susanne laufen Schauer über den Rücken beim Gedanken an das Risiko, das sie damit einging. Sie verzeiht dem "IM Schäfer" nicht. Sie beschimpft ihn auch nicht, sondern deckt einfach auf, was in den Stasi-Papieren über ihn geschrieben steht. Dies allerdings unbarmherzig präzis. Sie weiß, wie wir alle, dass der Fall Schädlich nicht einzig dasteht. Mielkes Mannen haben viele Menschen bespitzelt und viele Familien zerstört, indem sie aus deren Kreis ihre Spitzel rekrutierten.

Der Titel des Buches, aus dem wir die bedrückenden Einzelheiten der DDR-Schreckenspolitik entnehmen, ist weniger politisch als privat. Der Zufall wollte es, dass fast sämtliche wichtigen Ereignisse im Leben der Autorin sich in irgendeinem Dezember zutrugen. Das müssten wir nicht sonderlich beachten, wäre da nicht der 16. Dezember 2007: An jenem Tag setzte sich der einstige Stasi-Spitzel Karlheinz Schädlich auf eine Bank in einem Ost-Berliner Park, steckte eine Pistole in seinen Mund und erschoss sich. Das Ende der DDR war auch das Ende seiner Karrieren gewesen, der geheimpolizeilichen wie der persönlich-privaten. Er hatte 1992 noch versucht, durch ein Bekenntnis Mitleid zu erregen, um vielleicht die Chance auf einen Neuanfang zu erlangen: "Ich habe meine Identität verspielt. Ich bin ein Nichts. Mir ist nicht zu helfen. Ich kann mir auch selbst nicht mehr helfen. Ich kann die Scham, die ich empfinde, nicht mehr ertragen." Er ertrug sie noch fünfzehn Jahre, ehe er endgültig aufgab. Seine Nichte Susanne kommentiert das mit den Worten: "Der Onkel war kein ,Gentleman-IM', kein Opfer des politischen Systems, er war überhaupt kein Opfer. Er war ein Täter, ein politisch überzeugter Täter." Sie dachte nicht darüber nach, ob man wenigstens dem Toten eine Prise Nachsicht erweisen könne. Für sie ist er erledigt.

SABINE BRANDT

Susanne Schädlich: "Immer wieder Dezember". Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich. Droemer Verlag, München 2009. 240 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2009

Lebens-Vernichtung
Susanne Schädlichs Abrechnung mit ihrem Stasi-Onkel
Wenn man Susanne Schädlichs Buch „Immer wieder Dezember” zu lesen beginnt, ist man zunächst etwas ungeduldig und genervt. Das ist erzählerisch doch arg zusammengerührt, es wimmelt von grammatikalischen Unebenheiten, und man staunt über so manche unerschrockene Stilblüte. Ja musste denn, fragt man sich, nur weil dies ein Familienbuch ist, ausgerechnet die eigene Mutter das Manuskript lektorieren? Der Untertitel, denkt man dann grummelnd, trifft’s wirklich: „Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich”. Hier wird einfach mal alles, was die Verfasserin bewegt, zwischen zwei Buchdeckel gepackt. Und vor allem an diesem „ich” stößt man sich am Anfang. Nimmt es nicht eine zu große Rolle ein?
Dieses Buch erzählt die Familiengeschichte des Schriftstellers Hans Joachim Schädlich, der über Jahrzehnte von seinem Bruder Karlheinz Schädlich für die Stasi ausspioniert, manipuliert und denunziert wurde. Susanne Schädlich, Hans Joachims Tochter, ist eine privilegierte Zeitzeugin, wir lesen ihr Buch nicht aus literarischer Genusssucht, sondern aus Interesse für einen Stoff, zu dem sie einen besonderen biographischen Zugang hat. Wir wollen ihren Stoff, nicht ihre poetische Selbstreflexion über Erinnerungsarbeit, Vergangenheitsdämonen und Pubertätsprobleme. „Nichts ist so uneindeutig wie der Konjunktiv, besonders, wenn er das Leben betrifft.” Dieser Stoff ist doch zu gut, um solcher Nachdenklichkeits-Garnituren zu bedürfen!
Aber dann stellt man sehr bald fest, dass trotz dieser Einwände das Buch den Sog geradezu eines Thrillers entfaltet. Dass die Autorin, obwohl der Einzelsatz nicht unbedingt ihre Stärke ist, gar nicht so schlecht ist im Entwurf der größeren Szenerien, in denen sich diese deutsch-deutsche Geschichte abspielt. Dass sie ihren Figuren mit leichter Hand Leben einhaucht. Und schließlich räumt man reumütig ein, dass die Forderung „Mehr Stoff, weniger Ich” unmenschlich und künstlich wäre bei einem Buch, das von einer brutalen seelischen Verletzung, einem unerhörten Vertrauensbruch handelt. Zumal Susanne Schädlichs Innenschau zwar manchmal allzu brave Metaphern hervorbringt, aber nie prätentiös, aufgeblasen oder gar egoman wirkt.
Die Geschichte, die sie erzählt, ist atemberaubend. Widerlich, aberwitzig, abgefeimt und grotesk wie alle diese gebrochenen Lebensgeschichten, die aus dem Mielke-Ministerium mit aller sadistischen Lust an der Seelenvergewaltigung torpediert wurden. Die Grundstrategie ist dabei immer die selbe: Möglichst nah an jenen innersten Vertrauenskern eines Menschen herankommen, der eigentlich vor aller Politik, Ideologie und Gesinnung liegt. Als wollte der Manipulationsstaat zeigen, dass vor der bindenden Macht seiner Ideologie und seiner Organe auch die engsten verwandtschaftlichen Bindungsverhältnisse nur auf Sand gebaut sind. Als wäre das Menschliche ohnehin nur bürgerliche Fassade, die sofort zusammenbricht, wenn die Diktatur des Proletariats nur resolut und unsentimental genug anklopft. Als wäre der Mensch ein Haufen Dreck, den man zu allem bringen kann. Und leider, natürlich, geht das Kalkül der Stasi nur zu oft auf.
Was für ein Nihilismus allein steckt hinter der gewohnheitsmäßigen Routine, mit der die Stasi immer wieder versucht, Susanne Schädlichs Mutter zu bewegen, sich von ihrem Ehemann zu distanzieren oder gleich scheiden zu lassen! Indem „Immer wieder Dezember” die Erinnerungen der Beteiligten mit der lüstern-gemeinen Prosa der Stasi-Akten gegenschneidet, entsteht ein erschreckend transparentes Bild, wie ein Leben von fremden Mächten in jedem einzelnen Gefühlsmoment beobachtet, manipuliert und ausgeschlachtet wird.
Hans Joachim Schädlich, Jahrgang 1935, war gut vernetzt in den Schriftstellerkreisen der DDR um Christa Wolf, Sarah Kirsch, Adolf Endler, Elke Erb, Klaus Schlesinger und Günter Kunert. Die Schädlichs wohnten in Köpenick, im sogenannten Märchenviertel, Susanne, Jahrgang 1965, erinnert sich an viele Dichtertreffen im Haus ihrer Eltern. In regelmäßigen Abständen und wechselnden Privatwohnungen fanden inoffizielle deutsch-deutsche Schriftstellerbegegnungen statt, an denen von westlicher Seite fast immer Günter Grass und Hans Christoph Buch teilnahmen, auch Hermann Peter Piwitt und Peter Schneider und einmal sogar Max Frisch.
Der Bruder Karlheinz war Historiker, keine große Figur, gewiss nicht gemessen an seinem Selbstbild. Er arbeitete für die Akademie der Wissenschaften und pflegte einen britisch-exzentrischen Stil mit Tweed-Jackett, Pfeife und trockenem Humor. Ein ostentativer Frauenliebhaber. Eine Attitüde, die insgesamt etwas Trotziges gehabt haben musste, etwas Rebellisches und Unangepasstes und als Maske gut funktionierte. Karlheinz Schädlich wollte immer an den Schriftsteller-Treffen teilnehmen, wurde aber nicht zugelassen. Doch wurde er selbst in heiklen Angelegenheiten wie der Westveröffentlichung eines Buches von Lutz Rathenow – den er prompt ans Messer lieferte – als Vertrauensperson behandelt. Sein Einstieg bei der Stasi ist kaum zu glauben, aber die Akten belegen es: Er verpfeift eine Freundin aus dem Westen, von der er sich trennen will, als Schleuserin, so dass dieser künftig die Einreise in die DDR verwehrt blieb. „Sch. ist froh”, vermerken die Stasi-Akten aufmerksam, „dass sie nun nicht mehr zu ihm kommen kann.”
1976 kommt es zur Biermann-Ausbürgerung. Die meisten aus dem Schädlich-Kreis unterschreiben die Protestnote gegen die Ausbürgerung. Schädlich selbst hat keine Aussicht mehr auf Publikation im Osten. Irgendwann stellt die Familie den Ausreiseantrag. Alles dies besprechen die Schädlichs mit Karlheinz, dem Onkel, der stets eine enge, emotionale Verbindung zu seiner Nichte Susanne pflegte – und der alles bereitwillig, ja eifrig seinem Führungsoffizier meldet.
Als die Schädlichs Dezember 1977 in Hamburg eintreffen und Hans Joachim die Entwurzelung und Fremdheit zu schaffen machen und er in eine Depression verfällt, fasst die Stasi den Plan, ihn zu einer demonstrativen Rückkehr zu bewegen. Karlheinz Schädlich soll sie herbeiführen. Zwar schlägt der Plan fehl, aber die Stasi hat die Familie bis in ihre Hamburger Wohnung verfolgt und dort demonstrativ Zeichen hinterlassen.
Von Gewissenszweifeln kann bei Karlheinz Schädlich nicht die Rede sein. Im Gegenteil schien er, der den britischen Superagenten Kim Philby bewunderte, seine Rolle wie ein besonders exzentrisches Vergnügen zu genießen. Für eine konspirative Wohnung hatte er sich das Erkennungszeichen ausgedacht: „Grüße von Jochen, ich möchte das Manuskript abholen.” Susanne Schädlich kommentiert: „Der Zynismus ist kaum zu überbieten, der Name und die Tätigkeit des Vaters als Losungswort.”
Erst im Dezember 1989 wird IM Schäfer „entpflichtet”: Unter „Einschätzung der Zusammenarbeit” ist zu lesen: „Offene, ehrliche Zusammenarbeit. Abbruch der Verbindung wegen Perspektivlosigkeit bei Umstrukturierung.” Da war die Mauer schon offen. 1992 findet Hans Joachim Schädlich den Namen seines Bruders in seiner Akte. Zu einer echten Aussprache kommt es nicht. Onkel und Nichte werden sich nicht mehr sehen. 2006 wird bekannt, dass Karlheinz auch Günter Grass ausspioniert hat. Im Dezember 2007 erschießt sich Karlheinz Schädlich in einem Park in Berlin. Susanne Schädlich ist eine bewegende, spannende und exemplarische Geschichte aus der lächerlich-gemeinen Spitzel-Diktatur DDR gelungen. IJOMA MANGOLD
SUSANNE SCHÄDLICH: Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich. Droemer Verlag, München 2009. 240 Seiten, 16,95 Euro.
Als wäre der Mensch ein Haufen Dreck, zu allem zu verbiegen
Der Spitzel-Onkel hielt sich für einen britischen Exzentriker
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Susanne Schädlichs Buch über ihren Onkel Karlheinz Schädlich, der die Familie jahrelang für die Stasi bespitzelte, hat Rezensent Kai Schlieter als Beleg dafür gelesen, wie sich der "Verrat" durch eine ganze Familie frisst. Als scheinbar nur "mittelbar" betroffen, erzählt die Autorin sehr um Distanz bemüht von dem Bruder ihres Vaters, Hans Joachim Schädlich, der nicht nur den Schriftsteller für die Stasi bespitzelte, sondern sich über ihn auch Zugang zu anderen wie Günter Grass, Gerd Poppe oder Katja Havemann verschaffte, erklärt der Rezensent. Nach der Ausreise der Familie Schädlich folgen Trennung der Eltern, Depression des Vaters und große Schwierigkeiten der Autorin, sich im Westen einzuleben und hier versucht der Onkel gar, sie zu einer Ausbildung in Ost-Berlin zu überreden, teilt Schlieter mit. Das Buch demonstriert ein Bemühen um Abstand, das sich im betont protokollarischen Stil ausspricht, zugleich aber macht sich Susanne Schädlich darin "Luft" über die Verletzung durch einen Menschen, der ihr mal "der beste Freund" war, so der Rezensent betroffen.

© Perlentaucher Medien GmbH