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Die Briefe Peter Schwieferts an die Mutter, die mit den Töchtern Angelika und Bettina im bulgarischen Exil lebt, sind ein einzigartiges Dokument: Es sind die Briefe eines jungen Mannes, der mit zärtlicher Sehnsucht an seiner Mutter hängt und nichts mehr erhofft als ein Wiedersehen, während der Krieg die beiden für immer trennt. Peter, der junge einundzwanzigjährige Sohn aus bürgerlichem, assimiliertem Haus, verlässt Deutschland 1938. Er, der "Halbjude", erklärt sich als Jude und begibt sich auf eine Odyssee durch halb Europa und den Nahen Osten, bevor er schließlich mit den Truppen des Freien…mehr

Produktbeschreibung
Die Briefe Peter Schwieferts an die Mutter, die mit den Töchtern Angelika und Bettina im bulgarischen Exil lebt, sind ein einzigartiges Dokument: Es sind die Briefe eines jungen Mannes, der mit zärtlicher Sehnsucht an seiner Mutter hängt und nichts mehr erhofft als ein Wiedersehen, während der Krieg die beiden für immer trennt.
Peter, der junge einundzwanzigjährige Sohn aus bürgerlichem, assimiliertem Haus, verlässt Deutschland 1938. Er, der "Halbjude", erklärt sich als Jude und begibt sich auf eine Odyssee durch halb Europa und den Nahen Osten, bevor er schließlich mit den Truppen des Freien Frankreich gegen Hitler kämpft. Ein politischer Kampf, aber auch ein persönlicher für das, was für ihn größte Bedeutung hat: neben Kunst und Schönheit, Freiheit und Würde.
Ein einzigartiges, intimes und zeitgeschichtliches Dokument mit zahlreichen Photographien und Faksimiles.
Autorenporträt
Angelika Schrobsdorff wurde am 24. Dezember 1927 in Freiburg im Breisgau geboren.1939 musste sie mit ihrer jüdischen Mutter aus Berlin nach Sofia emigrieren. Ihre Großeltern wurden in Theresienstadt ermordet. 1947 kehrte sie aus Bulgarien nach Deutschland zurück. Ihr erster Roman, 'Die Herren', sorgte 1961 wegen seiner Freizügigkeit für Aufruhr. 1971 heiratete sie in Jerusalem den Filmemacher Claude Lanzmann, wohnte danach in Paris und München und beschloss 1983, nach Israel auszuwandern. Seit 2006 lebt sie wieder in Berlin. Angelika Schrobsdorffs erfolgreichstes Buch ist der Bestseller »Du bist nicht so wie andre Mütter«, der bislang allein im Taschenbuch fast 500.000 mal verkauft und mit Katja Riemann in der Hauptrolle verfilmt wurde. Im Deutschen Taschenbuch Verlag sind zahlreiche ihrer Bücher erschienen, neben »Du bist nicht so wie andre Mütter« u.a. >Jericho. Eine Liebesgeschichte< und >Jerusalem war immer eine schwere Adresse<. In Originalausgabe erschienen bei dtv >Grandhotel Bulgaria. Heimkehr in die Vergangenheit<, das von einer bewegenden Reise der Autorin 1997 nach Bulgarien, dem Land ihres Exils 1939 bis 1947, erzählt, sowie der Erzählungsband >Von der Erinnerung geweckt<. Ihr Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt. 2007 wurde sie vom Deutschen StaatsbürgerinnenVerband als Frau des Jahres ausgezeichnet. Die Jurybegründung: »Wir ehren Frau Angelika Schrobsdorff für ihr schriftstellerisches Gesamtwerk, in dem sie den Zeitgeist verschiedener Abschnitte der jüngeren Geschichte lebensnah gradlinig darstellt und uns damit und besonders mit ihrem Buch >Du bist nicht so wie andre Mütter< zeitgeschichtliche Dokumentationen und eine tiefgreifende, berührende Beschreibung ihrer Familiengeschichte und ihres persönlichen Lebensweges präsentiert.«
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Tief bewegt scheint Wiebke Porombka durch die Briefe des jungen Peter Schwiefert an seine Mutter. Für Porombka liegt mit dem von Schwieferts Schwester Angelika Schrobsdorff herausgegebenen, mit Bildmaterial versehenen Buch ein Stück bewegender Literatur und Zeitgeschichte vor. Emphase, Ungeschütztheit, das "Muttilein" der Anrede ebenso wie die Momente des Aufbegehrens gegen den Nationalsozialismus berühren die Rezensentin beim Lesen. Zu dem Drama der Mutter-Sohn-Beziehung, meint Porombka, gesellt sich das Drama der politischen Unmstände.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2013

Eine zerrissene Familie

Die Briefe, die Angelika Schrobsdorffs Bruder Peter Schwiefert aus dem Exil an seine Mutter geschrieben hat, erzählen von historischen und privaten Zwangslagen.

Ein junger Mann schreibt Briefe an seine Mutter. Zärtlich sind diese Briefe und voller Sehnsucht, einmal nennt er die Mutter "Mein geliebtes Muttilein", einmal "Mein Liebes" oder "Meine Gute". Dann wieder sind seine Zeilen aufgebracht, vorwurfsvoll, mitunter hoffärtig. In einer Passage schillern sie vor Emphase, um in der nächsten von der stillen Traurigkeit eines Menschen durchzogen zu sein, der mit gerade einundzwanzig Jahren seine Familie und seine Heimat verlassen hat und nun auf sich allein gestellt im Exil lebt. Weil ihm die historische Situation in Nazi-Deutschland keinen anderen Ausweg gelassen habe, wie er sagt. Aus jugendlicher Anmaßung und romantischer Spinnerei, wie seine Familie urteilt, auch die mit innigen Briefen bedachte Mutter.

Wer diese Briefe schreibt? Peter Schwiefert, geboren 1917 in Berlin, der Sohn von Else Schrobsdorff und dem Bühnen- und Filmautor Fritz Schwiefert. Seine Schwester ist die Autorin Angelika Schrobsdorff. Claude Lanzmann, den Angelika Schrobsdorff Anfang der siebziger Jahre heiratete, hat die Briefe bereits 1974 in Frankreich veröffentlicht - als Hochzeitgeschenk für seine Frau. Nun hat die mittlerweile fünfundachtzigjährige Angelika Schrobsdorff, die in ihren Büchern immer wieder die Geschichte ihrer Familie zum Gegenstand gemacht hat, sich zu einer Veröffentlichung in Deutschland entschlossen, mit der sie bisher gezögert hatte. "Der Vogel hat keine Flügel mehr" heißt der Band, in dem sich neben den Briefen von Peter Schwiefert und dem Kommentar von Lanzmann einige wenige Briefe der Mutter an Peters Vater und an eine enge Freundin finden, dazu Bildmaterial und ein Nachwort von Ulrike Voswinckel.

Womöglich hatte Angelika Schrobsdorff sich deshalb gegenüber einer Veröffentlichung in Deutschland verhalten gezeigt, weil ihr Bruder nicht nur mit seiner Mutter immer wieder hart ins Gericht geht, sondern auch die Mentalität der deutschen Gesellschaft voller Verachtung und zugleich mit scharfem, durchdringendem Blick kommentiert: "Die Verantwortlichen werden gerichtet werden", schreibt er über die Verbrechen der NS-Diktatur, um fortzufahren: "Aber wer sind die Verantwortlichen? Verantwortlich ist das Volk, aus dem solche Kreaturen hervorgehen." An anderer Stelle heißt es: "Hitler ist kein Zufall, er ist ein Symbol."

Peter Schwiefert emigrierte 1938 nach Portugal, von dort wollte er weiter nach Südamerika, wohin er aber nie gelangte. Als Sohn einer jüdischen Mutter fühlte er sich in Deutschland nicht mehr sicher und wird in seinen Briefen auch die Mutter immer wieder beschwören, Deutschland zu verlassen. Vater und Stiefvater verdächtigten den jungen Mann der Selbststilisierung und entzogen ihm alle finanzielle Unterstützung. Er trage einen unzweifelhaft deutschen Familiennamen, mithin drohe ihm also keine Gefahr, so argumentierten sie.

Auch die Mutter äußerte sich skeptisch über die Motivation des Sohnes. Ihre Briefe an die Freundin Ilse, die nach Palästina ausgewandert war und bei der Peter in den vierziger Jahren immer wieder für einige Zeit wohnen würde, zeugen von Argwohn dem Sohn gegenüber, der sich für Rimbaud und Rilke begeisterte, offenbar ähnlich impulsiv war wie die Mutter selbst und dessen Zug zur Dekadenz kaum zu übersehen war: "Wozu verpatzt er sich sein Leben, gefährdet es sogar?", schreibt sie 1939 an ihre Freundin: "Seine Überzeugung, seine Empörung, seine Solidarität - lauter Unehrlichkeit und zu fünfzig Prozent Bequemlichkeit."

Erschreckend ist die Blindheit, mit der Else Schrobsdorff noch im Jahr 1939 geschlagen ist. Kaum minder bewegend ist das menschliche Drama, das die Beziehung von Mutter und Sohn grundiert. Else Schrobsdorff, die ein gutsituiertes und zugleich exzentrisches Leben in der Berliner Boheme führte, hatte drei Kinder mit drei Männern. Der älteste Sohn Peter scheint auch vor seiner Emigration nie wirklich Teil dieser Familie gewesen zu sein. Große Teile seiner Kindheit und Jugend verbrachte er bei den Großeltern und im Internat.

Liest man nun seine Briefe, die von Liebes- und Sehnsuchtsbekundungen durchzogen sind, dann muten diese an wie ein Versuch, sich in diese Familie hineinzuschreiben, wie der tiefe Wunsch, die Liebe der Mutter und damit die eigene Aufgehobenheit zu beschwören, trotz oder gerade wegen der räumlichen Trennung, die nun weiter ist und bald auch aus politischen Gründen unüberwindbarer als je zuvor.

Genauso heftig aber, wie er sich in die Familie hineinzuschreiben versucht, wie er immer wieder um die Besuche der Mutter bittet, distanziert er sich an anderer Stelle von ihr, vielleicht aus Kränkung über die Zurückweisung, vielleicht deshalb, weil er sich unverstanden fühlt. War es einerseits das tägliche Bemühen um ein Auskommen, um Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, das ihn umtrieb, galt andererseits seine Anstrengung zudem dem Versuch, zum Judentum zu konvertieren. Während der Sohn seine inneren Überzeugungen und Wurzeln mit aller Konsequenz umsetzen wollte, tat die Mutter das Gegenteil: Sie verleugnete ihr Judentum, versuchte, die Naziherrschaft im Schatten ihrer Männer und schließlich geschützt durch eine Scheinehe mit einem Bulgaren zu überstehen. Die Kluft zwischen Mutter und Sohn könnte kaum symbolischer zum Ausdruck kommen.

Nachdem Peter Schwiefert die Ausreise nach Südamerika verwehrt blieb, meldete er sich als Freiwilliger unter de Gaulle zum Kampf gegen Hitler (von der Bequemlichkeit, die ihm die Mutter unterstellte, kann mithin keine Rede sein). Mehr als vier Jahre musste Else Schrobsdorff warten, bis sie endlich wieder einen Brief bekam. Als sie ihn im Sommer 1945 in Händen hielt, war ihr Sohn, was sie erst später erfahren würde, bereits ein halbes Jahr tot. Im Januar 1945 wurde er von einer Granate getroffen und tödlich verwundet.

Dieser tragischen Wendung hätte es indes nicht bedurft, um diese Briefe zu einem bewegenden Stück Literatur und Zeitgeschichte zu machen. Ungeschützt und hochfahrend und mit zuweilen intensiver Maßlosigkeit erzählt Peter Schwiefert in den Briefen von sich selbst als einem Heranwachsenden, der zerrissen wird durch die familiären und politischen Umstände. Schwiefert, auch das liest man seinen Briefen ab, hat stets Schriftsteller werden wollen. Dies aber sollte ihm genauso wenig vergönnt sein wie die Verheilung der familiären Wunden.

WIEBKE POROMBKA

Angelika Schrobsdorff (Hrsg.): "Der Vogel hat keine Flügel mehr". Briefe meines Bruders Peter Schwiefert an unsere Mutter.

Mit Kommentaren von Angelika Schrobsdorff und Claude Lanzmann. Mit einem Nachwort von Ulrike Voswinckel. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2012. 294 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Diese Briefe geben einen tiefen Einblick, wie es kein Geschichtsbuch kann, was Menschen erlebt und erlitten haben, was sie gedacht und gefühlt haben. Cornelia Elsholz WDR 20131213
»Nein, kein Heldenepos, aber das Zeugnis eines Familiengeschicks, das die Leser, wie jung sie auch sein mögen, respektvoll und tief berührt aus der Hand legen werden.« Klaus Harpprecht, Die Welt / Literarische Welt, Buch der Woche 23.03.2013