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"Nah oder fern gibt es nicht mehr, nur noch nah oder fremd." Vier Menschen in vier Ländern: Ada aus Berlin hat mit ihrer Freundin Judith einen Dokumentarfilm über das Leben im Gazastreifen gedreht. Judith aber stirbt kurz nach Fertigstellung des Films. Die junge japanische Pianistin Makiko ist nach Paris gezogen und gibt in ganz Europa Konzerte. Als sie erfährt, dass sie ein Kind erwartet, ist sie schockiert. Jason arbeitet für eine amerikanische Investmentfirma. In Tokio soll er den Kauf eines japanischen Traditionsunternehmens organisieren. Der Zoologe Luiz, der in Brasilien aufwuchs, lebt…mehr

Produktbeschreibung
"Nah oder fern gibt es nicht mehr, nur noch nah oder fremd."
Vier Menschen in vier Ländern: Ada aus Berlin hat mit ihrer Freundin Judith einen Dokumentarfilm über das Leben im Gazastreifen gedreht. Judith aber stirbt kurz nach Fertigstellung des Films. Die junge japanische Pianistin Makiko ist nach Paris gezogen und gibt in ganz Europa Konzerte. Als sie erfährt, dass sie ein Kind erwartet, ist sie schockiert. Jason arbeitet für eine amerikanische Investmentfirma. In Tokio soll er den Kauf eines japanischen Traditionsunternehmens organisieren. Der Zoologe Luiz, der in Brasilien aufwuchs, lebt mit seiner jüdischen Frau und den zwei gemeinsamen Kindern in Tel Aviv, will aber weg aus Israel, weil er den politischen Wahnsinn im Land nicht mehr erträgt.

Ein Roman in vier miteinander verwobenen Geschichten. Über unsere Gegenwart, über Menschen, die zwischen Kulturen wandeln. Sie alle lieben, trauern, arbeiten, kämpfen wach und voller Sehnsucht um ihr Leben, ihre Zukunft. Hannah Dübgen erzählt bewegend und mit immenser Kraft von Nähe und Ferne, von Fremde, von alten und neuen Grenzen, von dem Strom, der unsere Zeit ist.
Autorenporträt
Dübgen, Hannah
Hannah Dübgen wurde 1977 geboren. Sie studierte Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaft in Oxford, Paris und Berlin. Sie arbeitete für Schauspiel und Musiktheater, und schrieb die Libretti mehrerer international erfolgreicher Opern. Ihr Debütroman 'Strom', ausgezeichnet mit Preisen der Landeshauptstadt Düsseldorf und des Literaturfestivals von Chambéry, erschien 2013 bei dtv.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2013

Man muss gewappnet sein, falls der Taifun plötzlich durch den Gang wirbelt

So fern und doch so nah: Hannah Dübgen erzählt in ihrem Debütroman "Strom", in dem vier Erzählungen verschränkt werden, vom Verschwinden der Grenzen.

Dass er es mochte, der verstreichenden Zeit zuzuschauen, heißt es relativ zu Anfang von "Strom" über Jason, einen aufstrebenden Investmentbanker, der die digitale Uhr auf dem Computerbildschirm bis auf die Hundertstelsekunde genau eingestellt hat. "Wenn er die Abfolge der Ziffern beobachtete und irgendwann nicht mehr das Vergehen, sondern nur noch das Fließen spürte, fühlte er, dass er existierte. In diesem kraftvoll nach vorne ziehenden Strom."

Die digitale Zeitanzeige als Sinnbild eines kraftvollen Stroms? Darüber lässt sich streiten. Dem nicht eben komplexen Gemüt aus der Investmentbranche, das den Sinn seines Lebens vornehmlich aus Zahlen schöpft, mag man diesen kaum tiefsinnigen Brückenschlag noch zugestehen. Was jedoch bedeutet es, wenn dieses Bild zur Leitmetapher eines ganzen Romans wird? - Mehr oder weniger explizit zwar, immerhin aber ist "Strom" der Titel des Debüts von Hannah Dübgen. Die 1977 geborene Autorin, die neben einem Schauspiel bisher Opernlibretti geschrieben hat und dieses Jahr zum Bachmannpreis nach Klagenfurt eingeladen war, gliedert ihren Roman in vier Episoden, die nur lose miteinander in Verbindung stehen. Der Amerikaner Jason, der in Tokio die Übernahme einer alteingesessenen japanischen Firma zum Abschluss bringen soll (und daran scheitert), ist der Protagonist einer Episode. Im Mittelpunkt einer anderen steht die erfolgreiche japanische Pianistin Makiko, die durch eine ungewollte Schwangerschaft aus ihrem wohltemperierten Leben geworfen zu werden droht.

In Tel Aviv lässt Hannah Dübgen den brasilianischen Zoologen und Familienvater Luiz seine jüdische Frau Rachel mit einer südamerikanischen Landsmännin betrügen. Vielleicht ist es das Empfinden des eigenen Fremdseins, das Luiz empfindet, wenn die angespannte Lage in Israel zu Spannungen und Diskussionen in Rachels Familie führt, das ihn Zuflucht bei einer anderen Frau suchen lässt, mit der ihn neben der Leidenschaft auch die Herkunft verbindet. Schließlich gibt es noch Ada, eine engagierte deutsche Filmemacherin, die mit ihrer Freundin und Gleichgesinnten Judith an einer Dokumentation über die menschenunwürdige Lage der Palästinenser im Gazastreifen arbeitet. Judith kann den Film nur noch unter starken Schmerzen und Medikamenten zu Ende bringen: Nach einem Zusammenbruch ist bei ihr ein Hirntumor diagnostiziert worden, dem sie schließlich erliegt, gepflegt und bis zuletzt begleitet von Ada.

Die Figuren, von denen Hannah Dübgen erzählt, stammen mithin nicht nur aus verschiedenen Ländern, gemeinsam ist ihnen zudem, dass sie sich in fremden kulturellen Kontexten bewegen oder dort sogar ihren Lebensmittelpunkt haben. Das ist im Zeitalter der Globalisierung nichts Ungewöhnliches, genauso wenig, wie es überraschend ist, dass Habitus und Überzeugungen von Land zu Land variieren. Dass man also zwar äußere Entfernungen überwinden kann, die inneren Distanzen aber häufig bleiben. Weil es sich im Grunde um eine Binsenweisheit handelt, fällt umso mehr die Beflissenheit auf, mit der Hannah Dübgen immer wieder von diesen kulturellen Besonderheiten erzählt. Eher: über sie doziert. Das ist gewiss nicht verwerflich, interessant allerdings ist es ebenso wenig.

Überhaupt ist diesem Roman mehr Verspanntheit als literarische Spannung oder innere Notwendigkeit eigen. Auch wenn Hannah Dübgens Konzept zu sein scheint, ihre vier Protagonisten existentiellen Lebensphasen auszusetzen - die ungewollte Schwangerschaft der Pianistin, der frühe Tod der Freundin bei Ada, das vermeintliche Zerbrechen einer Ehe bei Luiz, das Scheitern der Beziehung mit einer verheirateten Frau bei Jason -, dann gelingt es der Autorin doch nicht, über die pure Behauptung dieser existentiellen Konflikte hinauszukommen. Stattdessen scheint sie ihre gesamte Energie darauf verwendet zu haben, ihre Figuren möglichst viel über die Länder, in denen sie sich gerade aufhalten, reflektieren zu lassen. Dem Leser wird dieses Wissen in kleinen, schön verpackten Dosen serviert.

Jason etwa stellt bei seinem ersten Besuch in einem Büro in Tokio fest: "Die Europäer und Amerikaner liefen selbstverständlich in der Mitte des Ganges, die Japaner stets dicht an der rechten Wand. Damit sie sich für den Fall, dass plötzlich eine U-Bahn oder ein Taifun durch den Gang rauscht, möglichst schnell flach an die Wand pressen können." Mag sich hier noch ein gewisser Humor verstecken, dann dominieren Passagen wie jene, in der Makiko über das Jerusalemer Orchester nachdenkt. Das, so hat sie von ihrem Agenten erfahren und so erfährt es nun auch der Leser, sei "kein Spiegel des ganzen Landes, die ursprünglich aus Europa eingewanderten, aschkenasischen Juden dominierten schon seit Generationen die Orchester Israels, was insofern verständlich war, als die klassische Musik für jene Menschen ein Teil ihrer Kultur, ein Stück ihrer alten Heimat war".

Besserer Reiseführer-Zierrat wie dieser schmückt den Roman zuhauf. Welchen Sinn aber das Nebeneinander der vier Episoden am Ende hat, bleibt schleierhaft. Könnte man zunächst noch auf die Idee verfallen, dass sich die Geschichten auf unerwartete, womöglich im weitesten Sinne kriminalistische oder politische Weise verschränken, dann bleibt auch das Finale des Romans, bei dem sich alle Protagonisten auf einem Konzert von Makiko in Jerusalem treffen, betrüblich nichtssagend in der auf Makellosigkeit bedachten, von Irritationen freien Erzählweise Dübgens, die darin dem Klavierspiel von Makiko nur allzu ähnlich ist. Und während nur von dem Genuss die Rede ist, den die Pianistin selbst durch ihr eigenes Spiel erfährt, nicht aber von den Reaktionen des Publikums, kann sich der Leser nur schwer dem Eindruck erwehren, dass er auf den zurückliegenden Seiten vor allem der Pflichtübung einer in der Welt herumgekommenen, musikalisch gebildeten Autorin beigewohnt hat. Das ist sicher nicht so fade, wie auf das Umspringen der digitalen Zeitanzeige auf einem Computerbildschirm zu schauen. Aber bevor man hier von einem Strom sprechen kann, der elektrisiert, muss erst noch die Kür gezeigt werden.

WIEBKE POROMBKA

Hannah Dübgen: "Strom". Roman.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2013. 272 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Judith von Sternburg bleibt in ihrer Besprechung dieses Debütromans von Hannah Dübgen sehr freundlich, ist aber alles andere als überzeugt von diesem gesamtglobalen Gebilde. In schnell wechselnden Perspektiven erzählt Dübgen von einem amerikanischen Banker in Tokio, einer japanischen Pianistin in Paris, einer deutschen Filmemacherin im Gazastreifen und einem brasilianischen Zoologen in Jerusalem, die sich alle (zusammen mit Barack Obama) auf das Finale im März in Jerusalem zubewegen. Die Figuren haben zwar alle Problem, aber kein Geheimnis, meint Sternburg und hätte so viel Unkompliziertheit vielleicht erfrischend gefunden, wenn nicht auch die Geschichte besonders alltäglich und schlicht erzählt wären und so bewusst positiv endeten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2015

Härten
des Lebens
„Sofort war sie hellwach, griff nach dem Schlauch am Infusionsgerät, steckte ihn Judith in den Mund und saugte ihr am Gaumen den Schleim ab, doch das Rasseln ließ sich nicht wegsaugen, es kam aus der Tiefe ihrer Bronchien, wurde mit dem nächsten Atemzug noch lauter, brodelte, als sauge Judith mit einem Strohhalm Wassertropfen aus einem Glas.“ Vornehm, diskret hält sich Hannah Dübgen in ihrem Debütroman zurück. Dabei werden Sterbende und Verzweifelte dennoch aus nächster Nähe betrachtet, Länder und Kulturen haarklein durchleuchtet, Sitten und Traditionen genau geprüft. Im Mittelpunkt stehen vier vom Schicksal geschüttelte Menschen, die in wechselnden Episoden auftreten: ein amerikanischer Investmentbanker in Japan, eine japanische Pianistin in Frankreich, ein brasilianischer Zoologe in Israel, eine deutsche Filmemacherin im Gazastreifen. Jeder von ihnen steht unter Leidensdruck, jeder von ihnen macht sich existenzielle Gedanken, jeder von ihnen sucht Wege aus der Krise. Die 1977 geborene Dübgen müht sich ernsthaft in der Darstellung und Charakterisierung ihrer Protagonisten, manchmal wird dabei aus der Erzählung eher ein Bericht.  KAI SPANKE
    
  
  
  
Hannah Dübgen: Strom. dtv, München 2015.
272 Seiten, 9,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Hannah Dübgens Debüt besticht durch feine Beobachtungsgabe und ein intelligentes Spiel mit der Dialektik von Nähe und Ferne."
Sigrid Brinkmann, BR 2, Diwan 03.08.2013