Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 7,80 €
  • Broschiertes Buch

1 Kundenbewertung

Caesars Entschluss, den Rubicon zu überschreiten und mit Soldaten in das Stadtgebiet einzumarschieren, weil der römische Senat ihm keine Zugeständnisse machen wollte, ist sprichwörtlich. Die Macht der großen Imperatoren war mit dem Gebot der Gleichheit in der römischen Führungsriege nicht mehr vereinbar. Die Entscheidung sorgte für das Ende der Republik. Caesars Gegenspieler Pompeius hätte sie vermutlich nicht getroffen.
Caesar wich mehrfach von etablierten Verhaltenstraditionen ab und verweigerte sich dem Sachzwang. Es gab damals einen Veränderungstrend hin zur Monarchie, die Diagnose des
…mehr

Produktbeschreibung
Caesars Entschluss, den Rubicon zu überschreiten und mit Soldaten in das Stadtgebiet einzumarschieren, weil der römische Senat ihm keine Zugeständnisse machen wollte, ist sprichwörtlich. Die Macht der großen Imperatoren war mit dem Gebot der Gleichheit in der römischen Führungsriege nicht mehr vereinbar. Die Entscheidung sorgte für das Ende der Republik. Caesars Gegenspieler Pompeius hätte sie vermutlich nicht getroffen.

Caesar wich mehrfach von etablierten Verhaltenstraditionen ab und verweigerte sich dem Sachzwang. Es gab damals einen Veränderungstrend hin zur Monarchie, die Diagnose des Verfalls der Republik und das Gefühl der Ohnmacht. Auch wenn die Umstände sich verändert haben, ist uns dieses Gefühl heute wieder sehr vertraut. In diesen Zusammenhang ordnet Martin Jehne seine Betrachtungen ein.

Mit Literaturhinweisen, Zeittafel und Personenregister.
Autorenporträt
Jehne, Martin
Martin Jehne, Dr. phil., ist Professor für Alte Geschichte an der TU Dresden sowie unter anderem Mitglied der Kommission für Alte Geschichte und Epigrafik des Deutschen Archäologischen Instituts und des Kuratoriums des Historischen Kollegs in München. Diverse Veröffentlichungen, u.a.:

'Der Staat des Dictators Caesar' (1987), 'Caesar' (1997, 4. Aufl. 2008, in gekürzter Fassung auch als Hörbuch), 'Die römische Republik. Von der Gründung bis Caesar' (2006, 2. Aufl. 2008).

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2009

Bei Pharsalos fielen die Würfel

Was wäre geschehen, wenn er die Iden des März überlebt hätte? Martin Jehne hat eine faszinierend aktuelle und brillante Interpretation der Karriere Julius Caesars geschrieben.

Alle gewichtigen Interpretationen der Laufbahn und Persönlichkeit Caesars haben zur historischen Erkenntnis beigetragen und sich zugleich als zeitbedingt erwiesen. So standen Eigenart und Ziel seiner Monarchie im Mittelpunkt, als Kaiser und Könige noch regierten. Der große Staatsmann wurde gesucht, solange man Staatsmännern noch Großes zutraute; als es damit vorbei war, betrat der kriegerische Schlagetot, der zynische Machtmensch und egomane Republikzerstörer die Bühne. Vollends als Chimäre erwies sich der demokratische Diktator. Und selbst Christian Meiers magische Formel von einem Politiker, der unbeschränkte Macht in den Verhältnissen, aber keine Macht über die Verhältnisse besaß, ist von einem Punkt aus angreifbar: Hätte sich Caesars Stellung nicht vielleicht konsolidieren lassen, eine längere Gewöhnungsphase, zeitweise Abwesenheit und einen allmählich aufzubauenden Nachfolger einmal vorausgesetzt? Denn tatsächlich gelang es dem Adoptivsohn Augustus ja - freilich bei erheblich geschwächten Gegenkräften -, mit Geschick und Geduld die monarchische Alternative, die indes nicht so genannt werden konnte, aufzubauen.

Martin Jehne hat zu dieser Diskussion maßgeblich beigetragen, indem er vor gut zwanzig Jahren zeigen konnte, dass Caesar bei seinem geplanten Aufbruch zum Partherkrieg in Rom keineswegs ein wackeliges Provisorium hinterließ, sondern eine durchaus gefestigte, auf seine Person als Diktator ausgerichtete Ordnung, einen "Staat des Dictators Caesar". Doch dieser Staat war eine Monarchie, und ihn zu konsolidieren hätte folglich nur die Beschleunigung eines Prozesses bedeutet, den schon Montesquieu als unvermeidlich klassifizierte. Spannender erscheint also die Frage, ob dieser Prozess der Selbstzerstörung eines den Anforderungen nicht gewachsenen stadtstaatlich-aristokratischen Regimes und die sich anschließende Monarchie tatsächlich unvermeidlich waren.

Freilich bewegt sich die Debatte um diese Frage längst nicht mehr auf der Ebene des anregenden Gedankenspiels, was gewesen wäre, wenn Caesar im Jahr 48 bei Pharsalos besiegt worden wäre oder wenn das Attentat an den Iden des März nicht stattgefunden hätte und so weiter. Vielmehr geht es darum, das Spannungsfeld von Struktur, Prozess, Varianz und Ereignis auszumessen. Bei diesen Bemühungen brechen Persönlichkeit und Individualität nicht länger als unerklärliche, die "Freiheit" repräsentierende Urgewalten in das historische Geschehen ein. Vielmehr gilt es, das Handeln in bestimmten Situationen am Radius erwartbaren Verhaltens zu messen und, ausgehend von der tatsächlich gewählten Option mit ihren Folgen, das geschichtliche Geschehen schrittweise weiterzuentwickeln.

Es gelingt Jehne in seinem neuen Buch, dieses anspruchsvolle Modell historischer Erklärung in eine Kette von glänzend geschriebenen, gedanklich glasklaren Essays zu fassen. Sieht man einmal ab vom Chiliasmus, Marxismus oder von aktuellen Bemühungen, die globale Erwärmung in Zeiträumen von fünfzig oder mehr Jahren zu stoppen, ist der "große Trend" einer sozialen und politischen Entwicklung eher eine Sache der Historiker als der Akteure, weil Letztere selten wissen, ob sie in einem solchen Prozess stecken. Handelnde sind eher mit Strukturen, Routinen und lenkenden Vorentscheidungen - Jehne nennt sie allzu vereinfachend Sachzwänge - konfrontiert, die ihre Optionen definieren. Dabei werden immer wieder bewusst und aus den Optionen auswählend Entscheidungen getroffen, die ihrerseits beabsichtigte Hauptfolgen und unbeabsichtigte Nebenfolgen haben und die das Entwicklungstempo eines Trends erheblich beeinflussen können.

Den großen Trend zur Monarchie in Rom hält Jehne freilich für unabweisbar. Auch bei einem etwas anderen Ereignisverlauf hätte man die strukturellen Aporien nicht lösen, sondern allenfalls weiterwursteln können. Viel mehr interessieren ihn daher die Entscheidungen, die Caesar im Laufe seines Lebens getroffen hat. So widerstand der noch nicht Zwanzigjährige dem Befehl des Dictators Sulla, sich von seiner Frau, einer Tochter von Sullas Bürgerkriegsfeind Cinna, scheiden zu lassen. Auch mit der Bewerbung um das angesehene, aber politisch nicht sehr bedeutende Priesteramt des Pontifex maximus ging Caesar ein hohes Karriererisiko ein, offenbar, weil er an den Erfolg glaubte.

Jehne hält diese Kandidatur für eine Fehlentscheidung Caesars, weil sie die konservative Kerngruppe im Senat gegen ihn aufbrachte und künftige Konflikte zu verschärfen geeignet war. Das zeigte sich bereits drei Jahre später, als seine Gegner ihn zwangen, zwischen dem erstrebten Triumphzug und der Bewerbung um das Konsulat zu wählen. Wieder entschied sich Caesar gegen das Wahrscheinliche und ließ den Triumph fahren, obwohl eine weitere Gelegenheit dazu viel ferner lag als eine neuerliche Konsulatsbewerbung. Aber für ein erfolgreiches Amtsjahr war das Zeitfenster schmal; nur durch eine schnelle Wahl zum Konsul konnte er dem mächtigen, jedoch vom Senat gelähmten Pompeius Hilfe anbieten und im Gegenzug Rückendeckung für den erwartbaren Konflikt mit der Aristokratie erhalten.

Das Kalkül ging auf, die Nebenfolgen indes waren erheblich: Schon während seines großen Kommandos in Gallien zeichnete sich ab, dass Caesars Rückkehr in die Innenpolitik zu einer gefährlichen Eskalation führen konnte. Um den absehbaren Konflikt bestehen zu können, musste er ein Maximum an Macht und Ansehen erwerben, um sich unangreifbar zu machen. "Er konnte nur noch weiter steigen oder fallen." Das bestimmte auch Politik und Kriegführung in Gallien.

Für den Vorabend des Bürgerkriegs konstatiert Jehne eine rechtlich und moralisch uneindeutige Lage. Beide Parteien hatten gute und weniger gute Gründe; zu einem Kompromiss zu gelangen erwies sich am Ende als unmöglich. Besonders schlecht sah dabei freilich die Senatsseite aus, denn sie hatte Caesar für völlig skrupellos gehalten, "und als er dann das tat, was genau dieser Einschätzung entsprach, war man völlig überrascht". Nach der Schlacht von Pharsalos hätte allenfalls ein lebendig gefangener Pompeius die Chance zu einer Befriedung geboten, weil Caesar damals noch nicht die Alleinherrschaft anstrebte. Den hilfeheischenden Pompeius ermorden zu lassen mochte aus der Sicht des ägyptischen Königs aktuell eine rationale Entscheidung sein; zugleich aber machte sie den reichsweiten totalen Bürgerkrieg unvermeidlich.

Caesars Begegnung mit Kleopatra und sein Agieren in Ägypten - "wie ein Elefant im Porzellanladen" - werden von Jehne ebenso originell beleuchtet wie die folgenreiche Entscheidung des Diktators, auf eine Leibwache zu verzichten. Noch einmal wählte Caesar die unwahrscheinlichere Handlungsvariante und bezahlte seine bis dahin durch Erfolg belohnte Neigung zum Abweichen von Strom des Naheliegenden am Ende mit dem Leben.

Jehne hat dieses Buch als ein politisch höchst wacher Zeitgenosse geschrieben. So erklärt er Patronage am Beispiel des - inzwischen wieder aufgehobenen - Petitionsbüros für die Ehefrau des sächsischen Ministerpräsidenten und hält ein überzeugendes Plädoyer für die republikanische Praxis der öffentlichen, kontroversen, auch zeitaufwendigen Diskussion und gegen den verbreiteten Bonus für das "Machen". Die so ferne Welt der nach Ruhm strebenden, traditionsbewussten, rachsüchtigen, ihre Ehre und ihre Republik verteidigenden Aristokraten erscheint hier faszinierend aktuell. Mit leichter Hand und gründlichem Nachdenken sind hier der Historie nicht nur für Rom neue Wege gewiesen.

UWE WALTER

Martin Jehne: "Der große Trend, der kleine Sachzwang und das handelnde Individuum". Caesars Entscheidungen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009. 159 S., br., 14,90 [Euro].

Den Blog von Uwe Walter "Antike und Abendland" findet man im Internet unter www.faz.net\antike.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das von Martin Jehne in seinem Buch vorgeschlagene und angewandte Modell historischer Erklärung findet Uwe Walter überzeugend. So anspruchsvoll es Walter erscheint, situatives Handeln am "Radius erwartbaren Verhaltens" zu messen, so gedanklich klar und glänzend formuliert tritt das Modell ihm auf diesen Seiten entgegen. Den Trend zur Monarchie in Caesars Rom als unabweisbar vorausgesetzt, interessiert sich der Autor für Caesars unkonventionelle Entscheidungspraxis. Walter findet sie hier originell, leichthändig, gut überlegt und mit Sinn für aktuelle Bezüge beleuchtet.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Jehne gelingt es außerordentlich gut, diese Kategorien und ihre Zusammenhänge seinen Lesern zu veranschaulichen."
Fabian Goldbeck, www.sehepunkte.de 20. Januar 2012