Rasante Spritztour durch vierzig Jahre BRD
Der Roman eines Autos, eines Mercedes 350 SL. Wer waren die Fahrer? Was sind ihre Geschichten? Anfang der Siebzigerjahre stellt sich der Chirurg Bellmann den Mercedes vor den Bungalow, weil er raus will aus kleinbürgerlichem Mief und Mittelmaß. Der Wagen bekommt die ersten Kratzer, das schicke Lederpolster einen Riss. Als Nächstes geht er an einen Italiener, wechselt wieder den Besitzer, kurvt durch Deutschland, fährt in den Osten und nach Frankreich. Am Ende ist das einstige Protzauto schrottreif und gelangt in einem Container nach Marokko, in Yazids Werkstatt, der die Einzelteile verkauft ...
Der Roman eines Autos, eines Mercedes 350 SL. Wer waren die Fahrer? Was sind ihre Geschichten? Anfang der Siebzigerjahre stellt sich der Chirurg Bellmann den Mercedes vor den Bungalow, weil er raus will aus kleinbürgerlichem Mief und Mittelmaß. Der Wagen bekommt die ersten Kratzer, das schicke Lederpolster einen Riss. Als Nächstes geht er an einen Italiener, wechselt wieder den Besitzer, kurvt durch Deutschland, fährt in den Osten und nach Frankreich. Am Ende ist das einstige Protzauto schrottreif und gelangt in einem Container nach Marokko, in Yazids Werkstatt, der die Einzelteile verkauft ...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2014NEUE TASCHENBÜCHER
Road Movie durch
die BRD-Geschichte
Es geht in Niklas Maaks „Fahrtenbuch – Roman eines Autos“ natürlich nur vordergründig um den Mercedes 350 SL, Baujahr 1971, der in vierzig Jahren über dreihunderttausend Kilometer weit gefahren ist. Der Fahrzeugbrief gibt eine Reiseroute vor, die quer durch die Geschichte der Bundesrepublik und der Welt führt. Zehn Besitzer sind in diesem Brief verzeichnet. Jede Biografie steht auch für ein Kapitel BRD, für die Zeitstimmungen und Leidenschaften: Der Aufbruch aus dem Wirtschaftswunder in den Wohlstand, an dem bald auch die Eingewanderten teilhaben dürfen, in die Wirren der Umwälzungen und die Euphorie des Neuanfangs. Es geht quer durch Europa. Bis der Wagen schließlich ganz allegorisch auf dem Schrottplatz landet und, in seine Einzelteil zerlegt, nach Afrika aufbricht. Es ist natürlich eine große feuilletonistische Tradition, die Welt über einen Gegenstand zu erklären. Weil aber Niklas Maak zu den charmantesten Autoren der Republik gehört, ist der Roman vor allem ein Road Movie, bei dem die Sätze souverän auf dem Asphalt der Gedanken bleiben (wobei – so ein kitschiges Bild würde dem virtuosen Erzähler nie unterkommen). ANDRIAN KREYE
Niklas Maak: Fahrtenbuch. Roman eines Autos. dtv, München 2014. 368 Seiten, 4,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Road Movie durch
die BRD-Geschichte
Es geht in Niklas Maaks „Fahrtenbuch – Roman eines Autos“ natürlich nur vordergründig um den Mercedes 350 SL, Baujahr 1971, der in vierzig Jahren über dreihunderttausend Kilometer weit gefahren ist. Der Fahrzeugbrief gibt eine Reiseroute vor, die quer durch die Geschichte der Bundesrepublik und der Welt führt. Zehn Besitzer sind in diesem Brief verzeichnet. Jede Biografie steht auch für ein Kapitel BRD, für die Zeitstimmungen und Leidenschaften: Der Aufbruch aus dem Wirtschaftswunder in den Wohlstand, an dem bald auch die Eingewanderten teilhaben dürfen, in die Wirren der Umwälzungen und die Euphorie des Neuanfangs. Es geht quer durch Europa. Bis der Wagen schließlich ganz allegorisch auf dem Schrottplatz landet und, in seine Einzelteil zerlegt, nach Afrika aufbricht. Es ist natürlich eine große feuilletonistische Tradition, die Welt über einen Gegenstand zu erklären. Weil aber Niklas Maak zu den charmantesten Autoren der Republik gehört, ist der Roman vor allem ein Road Movie, bei dem die Sätze souverän auf dem Asphalt der Gedanken bleiben (wobei – so ein kitschiges Bild würde dem virtuosen Erzähler nie unterkommen). ANDRIAN KREYE
Niklas Maak: Fahrtenbuch. Roman eines Autos. dtv, München 2014. 368 Seiten, 4,90 Euro.
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"Maaks Beschreibungen sind wunderbar atmosphärische Miniaturen, herrlich zu lesen." Ferdinand von Schirach
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2011NIKLAS MAAK, Feuilletonredakteur dieser Zeitung, hat den "Roman eines Autos" geschrieben - die Geschichten der Fahrer eines 1971 gebauten Mercedes 350 SL, den der Erzähler auf einem Schrottplatz findet. 350 000 Kilometer ist das Auto laut Tacho in vierzig Jahren gefahren, zehn Besitzer verzeichnet der Fahrzeugbrief. Der Erzähler begibt sich auf die Suche nach diesen Menschen: Ein Arzt fuhr ihn und ein italienischer Einwanderer, eine Studentin, ein Türke und ein gescheiterter Manager - Menschen, die sich nie kennenlernten, die nur der große Mercedes verband, in dem Affären, Entführungen und andere Abenteuer stattfanden. Ihre Geschichten fügen sich zu einem Epochenpanorama, das den Bogen spannt von den Wirren der Nachkriegszeit über den heißen Herbst bis zum Börsencrash von 2008; ihre Erlebnisse sind auch eine Fahrt durch die Geschichte eines Landes, seiner Träume und Abgründe. (Niklas Maak: "Fahrtenbuch". Hanser Verlag, München 2011. 350 S., geb., 19,90 [Euro].)
F.A.Z.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Ob Eberhard Falcke das Buch zu Ende gelesen hätte, wenn es nicht vom FAZ-Kunstkritiker Niklas Maak geschrieben wäre? Am Anfang kann er nämlich überhaupt nichts damit anfangen. Schon den Einfall, die Geschichte eines schicken Sportwagens über mehrere Jahrzehnte zu erzählen, hält der Rezensent für das Gegenteil einer Idee. Manierlich, aber vorhersehbar fabuliere Maak die Geschichte aus, die der Fahrzeugbrief vorgebe, die Figuren gewinnen kein Profil, dafür werden fleißig Kulissen geschoben und die Alltagsgegenstände aus fünfzig Jahren Bundesrepublik aufgelistet. Auf eine "Pizza-mit-alles-Poetik" erkennt Falcke hier spöttelnd. Ungefähr ab Kilometerstand 172.000 wird es für den Rezensenten allerdings erfreulicher, wenn sich der alte Mercedes der Gegenwart nähere, werde auch Maaks erzählerisches Talent sichtbar. Dann freut sich Falcke über Treuhand-Tragödien oder eine Soziologie des Berliner Prekariats.
© Perlentaucher Medien GmbH
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