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Poesie und Satire zugleich
»Phantastisch und verspielt, verblüffend einfallsreich ist dieses Buch und zugleich höchst realistisch.« Frankfurter Rundschau
Begonnen hatte alles ganz harmlos in München, wo sich der Schriftsteller Almund Grau von seiner Frau Kerrie dazu überreden lässt, mit ihr "in die Gruppe" zu gehen, nicht ahnend, dass solche Gruppenerfahrungen bisweilen Ausmaße griechischer Tragödien annehmen: Kerrie läuft ihm davon, und er flüchtet sich nach einem gescheiterten Selbstmordversuch verzweifelt nach London, um sich wiederzufinden und um Unabhängigkeit zu erlangen. Bald…mehr

Produktbeschreibung
Poesie und Satire zugleich

»Phantastisch und verspielt, verblüffend einfallsreich ist dieses Buch und zugleich höchst realistisch.« Frankfurter Rundschau

Begonnen hatte alles ganz harmlos in München, wo sich der Schriftsteller Almund Grau von seiner Frau Kerrie dazu überreden lässt, mit ihr "in die Gruppe" zu gehen, nicht ahnend, dass solche Gruppenerfahrungen bisweilen Ausmaße griechischer Tragödien annehmen: Kerrie läuft ihm davon, und er flüchtet sich nach einem gescheiterten Selbstmordversuch verzweifelt nach London, um sich wiederzufinden und um Unabhängigkeit zu erlangen. Bald schon genießt er das bunte Leben im multikulturellen Eastend und quartiert sich versehentlich in einem Asyl für psychisch Gefährdete ein, wo er sich allerdings unglaublich wohl fühlt. Durch Zufall, weil er nämlich einen Häusermakler aus dessen unfreiwilligem Gefängnis, einem mannshohen, defekten Kühlschrank, befreit, kommt er zu einem stolzen Grundbesitz, erlangt neues Selbstbewußtsein, wird auf Umwegen selbst Psychotherapeut und kehrt als solcher in die Münchner Gruppe und zu seiner Frau zurück.

Ein sprachlich präziser, witziger und bewegender Roman, der Flucht und Erkenntnis, Trivialität und Leidenschaft, Poesie und Satire auf gekonnte Weise miteinander verknüpft.

Autorenporträt
Ernst Augustin wurde 1927 in Hirschberg/Riesengebirge geboren. Er war als Neurologe und Psychiater tätig und arbeitete mehrere Jahre in Afghanistan, später als psychiatrischer Gutachter in München. Ernst Augustin war Mitglied der Gruppe 47, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Für sein literarisches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Lübecker Preis »Von Autoren für Autoren« (2013), dem Mörike-Preis (2009), dem Ernst-Hoferichter-Preis (2008), dem Literaturpreis der Landeshauptstadt München (1999), dem Tukan-Preis (1996), dem Kleist-Preis (1989) und dem Hermann-Hesse-Preis (1962). Sein Roman 'Robinsons blaues Haus' stand 2012 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Ernst Augustin, der vielfach als Geheimtipp gilt, gehört zu den großen deutschsprachigen Schriftstellern der Gegenwart. Er war ein virtuoser Erzähler, der einst von sich sagte: »Meine Fantasie ist zu allem fähig.

« Am 3. November 2019 starb Ernst Augustin im Alter von 92 Jahren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2005

Du, ich bin der Fried
Streicheleinheitsbrei: Ernst Augustins Satire auf die siebziger Jahre

"Encounter", Begegnung, lautete eines der hoffnungsfrohen Zauberworte, mit denen in den siebziger Jahren die Gesellschaft verändert werden sollte. Es war die Zeit der Schaffellmäntel und der langen Bärte, der Wollsocken, der Selbsterfahrungstrips und des ungebrochenen Vertrauens in die Wandelbarkeit der Verhältnisse. Was die politischen Revolutionäre im Großen nicht erreicht hatten, versuchten zahllose Psychogruppen im Kleinen: eine bessere Welt für alle zu schaffen, vor allem aber für diejenigen, die beharrlich in wöchentlichen Sitzungen zusammenkamen, um bei Räucherstäbchen und Kräutertee ihrer verschütteten Emotionalität freie Bahn zu verschaffen.

Ernst Augustin, der lange Jahre als psychiatrischer Gutachter tätig war, kennt sich gut aus im Selbsterfahrungs- und Betroffenheitsmilieu der gehobenen Kreise. In seinem Roman "Eastend", der 1982 zum ersten Mal erschien, schildert er die psychischen Verirrungen von Münchener Intellektuellen. Vor 23 Jahren waren das satirische Innenansichten aus einer lebendigen Szene. Heute, wo Vokabeln wie "Feng Shui" und "Ayurveda" längst viel vertrauter klingen als das einst so beliebte "Encounter", sind das Nachrichten aus einer fernen und leicht skurril wirkenden Welt. Um so vergnüglicher lesen sich die Abenteuer von Almund Grau, dem mäßig erfolgreichen Schriftsteller, der von seiner begeisterten Frau Kerrie in eine Selbsterfahrungsgruppe mitgenommen wird.

Dort nimmt das Verhängnis schnell seinen Lauf. Unter den strengen Augen des Gruppenleiters Friedjelm Bähr, der sich symbolisch "Fried" nennen läßt, benimmt Almund sich daneben, wo er nur kann. Auf der harten Bodenmatte wird ihm das Sitzen unbequem, die Probleme der anderen Gruppenmitglieder kommentiert er mit Ironie statt mit emotionaler Erschütterung, und bei den allgemeinen Streichelorgien kann er sich nicht dazu überwinden, den Silvi, den Klemens oder die Beate zärtlich zu berühren. Ob mit oder ohne bestimmten Artikel: Almund bleibt ein Außenseiter und wird von dem gar nicht friedfertigen Therapeuten Fried schnell zum schwierigen, gar therapieresistenten Fall erklärt. Die Sympathien der Leserschaft aber dürften ganz dem unbelehrbaren Schriftsteller gelten, der die Rituale der Psychogruppe als hohles Imponier- und Balzgehabe wahrnimmt.

Nachdem der von der Gruppe geschmähte Almund auch noch von seiner therapiegläubigen Ehefrau verlassen wird und willens ist, seinem Leben freiwillig ein Ende zu setzen, scheint die Romanhandlung zunächst eine tragische Wendung zu nehmen. Doch unversehens gibt Augustin seiner Geschichte einen völlig neuen Charakter. Statt weiter über Todespläne nachzusinnen, reist Almund Grau nämlich plötzlich nach London, und dort genießt er hingerissen das bunte Leben des multikulturellen Eastend. Fasziniert beobachtet er das Großstadtleben jenseits der Geschäftsviertel und quartiert sich versehentlich in einem Asyl für psychisch Gefährdete ein, wo er sich allerdings pudelwohl fühlt. Später kostet der Schriftsteller tapfer die exotischsten Gerichte (die detaillierte Beschreibung eines gefüllten Entenfußes dürfte auch weitgereisten Vielessern schwer im Magen liegen), besucht Hehlermärkte wie Striplokale und findet endlich ergiebiges Material für einen neuen Roman.

Die Satire über die deutsche Psychoszene wandelt sich so unterderhand in einen fröhlichen Reisebericht über das Swinging London, das in vielen bunten Facetten beschrieben wird. Einen besonderen Spaß macht sich Augustin mit der wörtlichen Übersetzung englischer Ausdrücke, was zu überraschenden Gedankenverbindungen führt. Die gesetzlichen Feiertage Englands, die "bank holidays", bezeichnet Almund beispielsweise als besondere Tage zur Feier der Banken - und schon erstrahlt der englische Festkalender ganz neu im Licht des kapitalistischen Geistes.

Im letzten Drittel verändert sich der Roman ein weiteres Mal, denn nun erzählt Augustin ein modernes Märchen, eine urbane Variante der alten Geschichte vom Geist in der Flasche. Zufällig nämlich befreit Almund Grau einen Häusermakler aus dessen unfreiwilligem Gefängnis, einem mannshohen, defekten Kühlschrank in Form einer Colaflasche. Moderne Geister wählen sich offenbar zeitgemäße Behausungen und Berufe. Zur Belohnung bekommt der Retter nun selbst ein niedliches Haus in bester Citylage zum Spottpreis angeboten und wandelt sich so vom fast mittellosen Touristen zum stolzen Grundbesitzer. Die Verwandlungen und Wunder haben damit allerdings noch kein Ende: Selbstbewußt geworden, durchforstet der moderne Hans im Glück nun die Londoner Antiquariate nach vergessenen medizinischen Traktaten, eignet sich umfassendes Wissen über Rauschpilze, geheimnisvolle Tees und andere natürliche Drogen an, ändert seinen Namen und kehrt triumphierend als der Psychotherapeut Almond Gray in die Münchener Encounter-Gruppe zurück.

Die Geschichte über den wundersamen Aufstieg des einstigen Außenseiters zum gefeierten Helden der Psychoszene sprengt bei weitem den Rahmen realistischen Erzählens. Es war allerdings nie das Ziel des vielseitigen Romanciers Ernst Augustin, ein dokumentarisch genaues Abbild seiner Zeit zu geben. Vielmehr verbindet er gern, wie vor wenigen Jahren sein München-Roman "Die Schule der Nackten" (2003) gezeigt hat, die Perspektive eines satirischen Zeitkritikers mit der eines modernen Märchenerzählers. Wie wenig zeitgebunden diese Erzählhaltung ist, zeigt der Roman "Eastend", der auch heute, fast ein Vierteljahrhundert nach seiner Entstehung, ungetrübte Lesefreude vermittelt.

SABINE DOERING.

Ernst Augustin: "Eastend". Roman. Verlag C. H. Beck, München 2005. 328 S., geb., 22,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ulrich Rüdenauer ist von diesem "wunderbar bizzaren" Buch, das bereits 1983 erstmals erschien und nun wieder aufgelegt wurde, entzückt. "Eastend" von Ernst Augustin hat bis heute kaum "Patina angesetzt", versichert der begeisterte Rezensent. Die Hauptfigur Almund Grau wird von seiner Frau in eine "Encounter-Gruppe" gedrängt, was dazu führt, dass die Ehe zerbricht und Grau sich umzubringen versucht. Herrlich "charmant und bissig" schildert der Autor die Psychoszene der 80er Jahre, schwärmt der Rezensent, wenn er auch der Meinung ist, dass die Wirklichkeit in den Achtzigern wahrscheinlich "noch komischer und gehässiger" aussah. Im zweiten Teil dann schwingt der Roman ins Phantastische, Surreale. Rüdenauer findet gerade die Verquickung von "urbanen und mentalen Stimmungen", die der Protagonist im Londoner Eastend erlebt, einfach "hinreißend".

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