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Ein Mann ist auf dem Weg nach Hause. Sein kleiner Sohn Philipp hat Geburtstag, und er fährt Hunderte von Kilometern für diesen Tag. Doch eigentlich ist nichts in Ordnung in seinem Leben: Seine beruflich bedingte ständige Abwesenheit bestimmt seine Rolle zu Hause und zerstört das Familienleben. Jetzt will er noch einen Versuch machen, sein Kind zurückzugewinnen, Wiedergutmachung leisten für 365 versäumte Tage - »jeder einzelne unverzeihlich«. Nicht eben hilfreich ist die Erinnerung an eine ähnliche Autofahrt vor genau einem Jahr: Damals ist er einige Kilometer vor dem Ziel umgekehrt - aus…mehr

Produktbeschreibung
Ein Mann ist auf dem Weg nach Hause. Sein kleiner Sohn Philipp hat Geburtstag, und er fährt Hunderte von Kilometern für diesen Tag. Doch eigentlich ist nichts in Ordnung in seinem Leben: Seine beruflich bedingte ständige Abwesenheit bestimmt seine Rolle zu Hause und zerstört das Familienleben. Jetzt will er noch einen Versuch machen, sein Kind zurückzugewinnen, Wiedergutmachung leisten für 365 versäumte Tage - »jeder einzelne unverzeihlich«. Nicht eben hilfreich ist die Erinnerung an eine ähnliche Autofahrt vor genau einem Jahr: Damals ist er einige Kilometer vor dem Ziel umgekehrt - aus Feigheit, aus der Befürchtung, sein Sohn könnte ihn hassen?

Christina hat vor kurzem ihre Schwester Lena durch einen Autounfall verloren. Seitdem hat sie sich ganz in sich selbst zurückgezogen. Der Versuch ihres Freundes Hendrik, sie wieder in die Welt hinauszulocken, hat fatale Folgen ...
Autorenporträt
Düffel, John von
John von Düffel, geboren 1966 in Göttingen, promovierte 23-jährig über Erkenntnistheorie und war danach als Theater- und Filmkritiker, als Schauspieldramaturg und Übersetzer tätig. 1998 schrieb er seinen Debütroman 'Vom Wasser', eine große Hommage an das fließende Element, und wurde dafür u.a. mit dem aspekte-Literaturpreis des ZDF ausgezeichnet. Zur Zeit arbeitet er als Dramaturg am Deutschen Theater Berlin und ist Professor für Szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2000

Weg von hier
John von Düffels Doppel-Monolog „Zeit des Verschwindens”
Natürlich ist Roman keine Kunst mehr, seit jede Hausfrau sich ausschwallen darf und jeder Journalist im Vorruhestand. Roman kann jeder, und am Strand braucht man immer was zu lesen. Roman ist alles, aber eine Handlung oder wenigstens die Parodie drauf wäre nicht schlecht.
John von Düffels zweites Buch ist kein Roman, heißt aber so, weil jedes Buch ab 150 Seiten Großdruck so heißt. Zeit des Verschwindens besteht aus zwei geläufig, gelegentlich virtuos vorgetragenen Monologen. Philipp und Christina, die sich nicht kennen und nichts miteinander zu tun haben, assoziieren frei vor sich hin, der eine im Auto, die andere zumeist im Bett. Handlungsreisender ist der eine, Freundin die andere. Philipp grämt sich wegen seines verlorenen Sohnes, der ihm durch die ständige Abwesenheit entglitten ist, Christina wendet sich an ihre bei einem Unfall verstorbene Schwester, „die neben meinem Bett steht jede Nacht”.
Düffel arbeitet als Dramaturg, er wird sich also mit dem Monolog auskennen, wird wissen, dass er die Handlung bremst im Hamlet und sie über eine See von Plagen zugleich weitertreiben kann. Romanhaft geht Leutnant Gustl die ganze Nacht herum und an seiner Feigheit schier zu Grund, und nochmal im Roman spricht Leopold Bloom den Stadtplan von Dublin ins Diktaphon, das ihm Joyce hinhält. Gibt es aber etwas Trostloseres, als den Autofahrer, der einsam durch die Nacht fährt und dabei, soweit ihm das Nachtradio frei gibt, vor sich hin denkt? Ich ist er, immer nur ich und kein anderer.
Beide Redner machen sich davon. Der Hausierer, wenn er zu Hause ist bei seiner Frau, möchte „nach Hause, weg von hier”. Christina erzählt ihr Leben mit Hendrik, und sie erzählt es wie früher ihrer Schwester. Hendrik, soll die Schwester wissen, rasiert sich zweimal täglich und riecht nach Sandelholz. Mit diesem bescheidenen Nachrichtenwert kann man allenfalls Tote unterhalten. Als Christina nichts mehr einfällt, geht sie. Warum? Weil seit Nora jede Frau einmal die Tür vom Puppenheim zugeschlagen haben muss? Aber Hendrik, er roch doch so gut! Versteh einer die Frauen.
Darf man einen Autor gegen sein Buch zitieren? „Aber ich weiß mir nicht anders zu helfen und lasse die Sprache sprechen. ” Das tut sie auch ungebremst, sie spricht, sie macht Tempo und bloß keine Pause. Bleifuß. Es gibt ein paar hübsche Sätze („Wer keinem Menschen nahe steht, sollte nicht sterben”), meist aber geht es dahin mit dem einförmigen Bass- und Grundton von Kraftwerk: „Wir fahrenfahrenfahren auf der Autobahn . . .”
Ganz selten ist der Bewusstseinsstrom unterbrochen, gerät der Monolog über den verlorenen Sohn ins Stocken, wenn der Vater von seinem Kind spricht, dessen „Ausdauer im Träumen übermenschlich” ist. „Er steht wie gebannt vor diesem Schaufenster, während ich dezent von einem Fuß auf den anderen trete und Ausschau halte nach Krankenwagen, Feuerwehr, berittener Polizei, nach allem, was geeignet wäre, seine Aufmerksamkeit von den faltbaren Duschkabinen abzuziehen, die er seit einer Viertelstunde anstarrt. ” Oder wenn der Vertreter als Verführer sich „zu allem bereit” nennt, „fest entschlossen, ohne zu wissen wozu”. Kaum aber ist ein solcher verzweifelter Satz gefunden, drängt es auch schon fort, der Wagen, der rollte weiter durch die dunkle Nacht. Es sind noch viele Kilometer und Seiten zu fressen.
Der Fürst Saurau in Thomas Bernhards Verstörung lauscht seinen Besuchern Ekel-Wörter ab, ganz gewöhnliche Wörter, die sie aber nicht ertragen können, und wendet diese Wörter dann gegen sie. Bei Düffel ist aus dem einen Wort schon ein Satz geworden: „Es gibt über jeden Menschen einen Satz, der ihn zerstört. ” Das ist kühn behauptet und wird in der Zeit des Verschwindens nicht eingelöst. Die beiden Monologisten sind womöglich verstört, aber zerstört wird nichts. Friedlich und fast gleichförmig treiben die Sätze dahin, und da ist keiner, der einen träfe.
WILLI WINKLER
JOHN VON DÜFFEL: Zeit des Verschwindens. Roman. Dumont-Buchverlag, Köln 2000. 208 Seiten, 34 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Der Sandelholzseifenduft
John von Düffels zweiter Roman / Von Gerhard Schulz

Vor zwei Jahren konnte John von Düffel mit seinem Romandebüt "Vom Wasser" viel Lob der Kritik und drei Literaturpreise einheimsen. Dagegen ist nicht leicht anzuschreiben. Er werde sich mit einem neuen Roman Zeit lassen, hatte Düffel deshalb verkündet. Nur hat sein Schaffensdrang die Ruhe nicht lange ausgehalten: das nächste Buch, "Zeit des Verschwindens" genannt, ist auf dem Markt. Im Untertitel steht "Roman". Zu erzählen hat Düffel von zweierlei: vom Ende eines namenlosen Geschäftsreisenden, der um die Liebe seines kleinen Sohnes wirbt, und von Christina, die ihrem derzeitigen Partner davonläuft. Die beiden Geschichten sind voneinander unabhängig, ihre Figuren kennen einander nicht. Dergleichen abschnittweise ineinander zu verflechten und Roman zu nennen ist barer Etikettenschwindel. Aber dem Autor soll zugestanden werden, dass er sich etwas dabei gedacht hat. Fragt sich nur, was.

Düffels Geschäftsreisender ist auf dem gut sechshundert Kilometer langen Weg zum Geburtstag des Sohnes, den er samt der Mama seit anderthalb Jahren nicht mehr gesehen hat. In der Ehe kriselt es, und die Liebe des Sohnes, so fürchtet er, ist ihm abhanden gekommen. Beides überrascht kaum, denn die Sorgen dieses im Auto vor sich hin meditierenden und klagenden Vaters haben zweifellos ihren Ursprung in der langen, nicht weiter erläuterten Abwesenheit von der heimischen Wohnung. Einsamkeit scheint eine Lebensform dieses Vater zu sein, nur ist er leider unglücklich dabei.

Während der Fahrt "zermartert" er sich "das Hirn", weil er kein passendes Geschenk für den Knaben bei sich hat. Man möchte ihm am liebsten raten, das nächste Mal sein Handy einzuschalten und den Sprößling zu fragen. Aber der Mann will leiden, erfindet sich eine Anhalterin, bloß damit er vor ihr seinen Kummer ausbreiten kann: "Die Anhalterin, die ich mitgenommen haben könnte, wäre nicht von hier." So fährt er sich schließlich im Auto in melodramatischer Selbstüberhöhung zu Schrott, vermutlich nach dem Willen des Autors nicht nur im Konjunktiv.

Christinas Fall hingegen ist weniger spektakulär. Seelenschmerz wird bei ihr hervorgerufen durch Lena, die tote Schwester, die so viel besser und erfolgreicher war als sie. Noch über den Tod hinaus wühlt das in ihr, nicht zuletzt der Männer wegen, bei denen Lena starken Zuspruch fand. Zur Zeit teilt Christina Bett und Miete mit dem lustbetont schwätzenden, nach Sandelholzseife duftenden und sich stundenlang duschenden Mediziner Hendrik. Zu dessen weiteren Faibles gehört - man erkennt den Fingerzeig - das Monologisieren im Auto, allerdings erst "nach dem Abstellen des Motors". "Halbe Nächte" habe man auf diese Art zugebracht, beklagt sich Christina und verlässt ihn, selbst auf den Koffer mit dem Nötigsten verzichtend. Zeit zum Verschwinden.

Das Auto, dieser Fetisch der Nation, wird zum Bindeglied der beiden Geschichten, eine Blechkabine zum Weltinnenraum. Rilkes poetische Vision erhält auf diese Weise eine neue, banale Substanz: die Insassen von Düffels Vehikeln sind Ego-Schwätzer. Er "lasse die Sprache sprechen", meint der Geschäftsreisende und lobt seine "reiche Erfahrung im Sagen von Dingen, die ich nicht meine". Von Hendriks Suada aber weiß Christina nichts Besseres zu sagen, als dass er "schwadroniere".

Düffel gibt flüchtige Skizzen von erkennbaren Typen. "Vermeide jede Art von Abhängigkeit, gehe keine festen Bindungen ein", lautet eine ihrer Losungen. Denn allesamt gehören sie zu einer sich in Szene setzenden Generation der leeren Herzen, die sich zwar viel auf ihre Freiheit, Aufgeklärtheit und Ungebundenheit zugute hält, aber das Lieben verlernt hat und nur noch geliebt werden will. Oder ist "Generation" zu hoch gegriffen? Handelt es sich nicht lediglich um eine Gruppe junger oder jüngerer Intellektueller und Künstler, die sich in beträchtlicher Selbstüberschätzung für die Gesellschaft hält?

Düffel ist ein talentierter Erzähler. Situationen zeichnet er genau, geht feinfühlig Stimmungen nach und weiß hin und wieder das Zusammenspiel von Absichten und Antrieben im Handeln sichtbar zu machen. Aber diese Geschichten bleiben dennoch flach, weil er seine Gestalten nicht durchschaut, sondern teilnimmt an ihrer Selbstverklärung und mit ihnen die Banalität teilt, die sich unter ihrem Pathos verbirgt. Nirgends wird deutlich, warum sie so sind, wie sie sind. Ihr Horizont ist offenbar der des Autors.

Bezeichnendes Symptom dafür sind jene als Motti oder Aussagen von Figuren eingestreuten Sätze, die sich als Weisheiten gebärden, aber dem Nachdenken nicht standhalten. "Wenn Geschwister ihre Eltern verlieren, heißen sie Waisen. Wenn sie einander verlieren, gibt es dafür kein Wort." Was wäre damit gewonnen? Oder peinlich: "Die Zeit läuft in eine Richtung: ab." Den Punkt unfreiwilliger Parodie erreicht die Erkenntnis über Paare im Auto: "Einer von beiden schaut immer geradeaus. Man sieht sich beim Fahren nicht in die Augen, nicht wirklich." Die übrigen Verkehrsteilnehmer bitten darum.

John von Düffel: "Zeit des Verschwindens". Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2000. 206 S., geb., 34,- DM.

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"John von Düffel ist ein atmosphärisch dichter Roman gelungen, der wunderbar lakonisch und doch lyrisch die Hilflosigkeit zweier beziehungsunfähiger Menschen beschreibt. Ein spannendes Buch, das es schafft, ohne Wertung in die Abgründe einer Seele zu sehen." Lydia Hebbelmann im ›Hamburger Abendblatt‹

"John von Düffels Art zu schreiben ist von meisterhafter Eleganz und berückender Aufrichtigkeit. Er führt keine Geschichten vor, sondern er begibt sich hinein, mit sowohl sprachlicher als auch psychologischer Genauigkeit." Undine Materni in der ›Sächsischen Zeitung‹

"Sensibel beobachtete Szenen, wie der Blick des Vaters auf sein schlafendes Kind, lassen spüren, was Düffel antreibt: ›die Suche nach dem Sog des Erzählens‹." Antoinette Schmelter de Escobar in ›Marie Claire‹

"›Zeit des Verschwindens‹ ist ein Roman von einer geradezu nachdrücklichen Ernsthaftigkeit. John von Düffel schreibt abseits modischer Trends. Die Innenwelten, die er schildert, sind ungeschönt und assoziativ. Es geht ihm um ›Beziehungsachsen, die vielleicht noch wichtiger sind als die Beziehung zwischen Mann und Frau‹." Berliner Morgenpost