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Giacomo Casanova beherrschte die hohe Kunst der Verführung und eroberte im funkelnden Treiben des Rokoko zahlreiche Frauen. Gegen Ende seiner Tage schrieb er in einem letzten Akt der Selbstliebe seinen berühmten 'Lebensroman'. Er prägte damit das eigene Nachleben wie das seiner Brüder, die einst als Künstler ebenfalls Berühmtheit erlangten: Giovanni als Schüler von Anton Raphael Mengs und als Akademiedirektor in Rom und Dresden, Francesco als gefeierter Schlachtenmaler in Paris und Wien. Roland Kanz bietet mit überraschenden Einsichten ein bewegtes Panorama des europäischen Kulturlebens, eine…mehr

Produktbeschreibung
Giacomo Casanova beherrschte die hohe Kunst der Verführung und eroberte im funkelnden Treiben des Rokoko zahlreiche Frauen. Gegen Ende seiner Tage schrieb er in einem letzten Akt der Selbstliebe seinen berühmten 'Lebensroman'. Er prägte damit das eigene Nachleben wie das seiner Brüder, die einst als Künstler ebenfalls Berühmtheit erlangten: Giovanni als Schüler von Anton Raphael Mengs und als Akademiedirektor in Rom und Dresden, Francesco als gefeierter Schlachtenmaler in Paris und Wien. Roland Kanz bietet mit überraschenden Einsichten ein bewegtes Panorama des europäischen Kulturlebens, eine mitunter turbulente Verwicklung von Galanterien, Gaunereien und Eifersüchteleien. Dieser fundierte, facettenreiche Band vereint mit literarischer Leichtigkeit Literaturgeschichte mit der Kunst- und Kulturgeschichte im Kaleidoskop einer bemerkenswerten Familie des 18. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Roland Kanz studierte Kunstgeschichte, Neuere deutsche Literatur und klassische Archäologie, Promotion über die deutsche Bildniskunst des 18. Jahrhunderts, Habilitation über die Kunst des Capriccio in Renaissance und Barock. 2001/02 Professur an der TU Berlin, seit 2002 Lehrstuhl für allgemeine Kunstgeschichte am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn. Fachherausgeber Kunst für 'Enzyklopädie der Neuzeit'.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Casanova? Ulrich Pfister denkt bei diesem Namen einmal nicht an den großen Verführer, sondern, wie auch die Zeitgenossen, an Giacomos Maler-Brüder Francesco und Giovanni Battista. Diesen Umstand verdankt Pfister dem Quellenstudium und der breiten Kontextualisierung des Materials innerhalb einer Zeit des Umbruchs Ende des 18. Jahrhunderts, die der Autor Roland Kanz vornimmt. Das Anliegen des Buches, den Brüdern Giacomos ihren Platz in der Kunstgeschichte zurückzugeben, meint der Rezensent, erfüllt der Autor, indem er sie in ihren unterschiedlichen Karrieren und künstlerischen Rollenmodellen zeigt, Francesco in Paris, Giovanni Battista in Rom.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2014

Professor Casanova kannte die Regeln der Kunst

Verschollener Abbé, Künstler und ein Abenteurer mit großer literarischer Wirkung: Roland Kanz verfolgt die Lebensläufe von vier Brüdern, die einen sehr berühmt gewordenen Namen trugen.

Von einer "Brüdergeschichte" erwartet man sich eigentlich etwas anderes. Zumal wenn sie im Europa der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts spielt, als die Vorstellungen von Brüderlichkeit in vieler Hinsicht neu definiert wurden. Die Geschichte der vier Brüder Casanova zeichnet sich weder durch innigen familiären Zusammenhalt noch durch intensiven Streit und Konkurrenz aus. Vielmehr ist es auf weiten Strecken eine Geschichte gegenseitiger Gleichgültigkeit. Vier unterschiedliche Lebensläufe mit wenigen, fast beiläufigen Begegnungen in Paris, Rom, Dresden. Studieren lassen sich dabei nicht nur unterschiedliche Charaktere und Karrieren, sondern auch unterschiedliche soziale - insbesondere künstlerische - Rollenmodelle einer Gesellschaft im Umbruch.

Auf die Namen Giacomo, Francesco, Giovanni Battista und Gaetano wurden die Söhne getauft, die die erfolgreiche Schauspielerin Giovanna Maria Farussi in schneller Folge 1725, 1727, 1730 und 1734 in Venedig dem Schauspieler Gaetano Giuseppe Casanova gebar. Zwei Mädchen, Faustina und Maria, kamen 1731 und 1732 auf die Welt. Der Beruf der Eltern verlangte, dass die Kinder bei der Großmutter aufwuchsen. Giacomo vermerkt noch 65 Jahre später in seinen berühmten Memoiren: "Mein Vater und meine Mutter sprachen nie mit mir." Die Versuchung ist groß, die frühe Zurückweisung durch die Eltern mit den späteren Verhaltensweisen der Brüder zusammenzubringen. Allein das Zitat, dessen Aussage durch keine andere Quelle nachzuprüfen ist, erinnert zunächst daran, dass die Nachwelt lange Zeit anstandslos gewillt war, die Geschichte der Familie Casanova durch die Brille von Giacomos so verführerisch detailreicher Lebensbeschreibung zu sehen. Dieses seit 1790 niedergeschriebene und bis zu seinem Tod 1798 von Giacomo überarbeitete Manuskript wurde postum ab 1821 mehrfach gedruckt. Die darin geschilderte Folge von Liebesgeschichten des Abbés und Abenteurers sollte den Namen Casanova zum Inbegriff des Frauenhelden machen.

Es ist ein zentrales Anliegen des Buches von Roland Kanz, zu zeigen, dass dagegen die Zeitgenossen beim Namen Casanova kaum an den Dauerliebhaber Giacomo, sondern an einen seiner beiden Künstlerbrüder dachten: an Francesco, der in Paris als Schlachtenmaler reüssierte, oder an Giovanni Battista, der an der Dresdner Akademie zum geachteten Professor für Malerei aufstieg. Der jüngste Bruder Gaetano, der ebenfalls als Abbé seinen Lebensunterhalt verdienen sollte, verschwand dagegen ohne große Spuren von der Bühne. Die umfassende Auswertung des verfügbaren Quellenmaterials und die breite Kontextualisierung erlauben nun nicht nur, Giacomos einseitige Darstellung kritisch zu hinterfragen. Das Buch von Roland Kanz gibt den lange Zeit kaum beachteten Künstlerbrüdern ihren Platz in der Familien- und Kunstgeschichte zurück.

Deutlich wird, dass bei aller Mobilität zwischen den kulturellen Zentren Europas vor allem die Künstler an unterschiedlichen Orten ganz unterschiedliche Rollenmodelle verfolgten: Francesco präsentierte sich in Paris als Ausstellungskünstler, dessen Aufstieg entscheidend durch die Salon-Kritiken Diderots und ein adelig-großbürgerliches Auftraggeber-Umfeld befördert wurde. Giovanni Battistas Aufstieg begann als römischer Mitarbeiter von Anton Raphael Mengs. Wie dieser wurde er sächsischer Hofkünstler, eine Position, die an anderen Orten bereits in der Krise war. Beide betätigten sich zudem als Künstler-Antiquare, wobei Giovanni Battista auch ehrgeizige Projekte mit Winckelmann verfolgte. In Dresden wurde er dann als akademischer Lehrer geschätzt, wobei schon die Zeitgenossen seine theoretisch-didaktischen Fähigkeiten deutlich über seine malerischen stellten.

Wenn es ein Thema gab, über das sich die Brüder zumindest in fortgeschrittenem Lebensalter austauschten, dann nicht Frauen - obwohl sich Giacomo rühmte, seinen Brüdern mit deren Ehefrauen auf verschiedene Weise geholfen und eine seiner Nichten verführt zu haben. Ein gemeinsames Interesse galt vielmehr den Bildkünsten. Der alternde Giacomo verfasste eine Schrift über die Schönheit und den Geschmack in der Malerei. Kanz vermutet, dass es sich bei den fremden Anmerkungen in diesem Manuskript um die Handschrift des Bruders Giovanni Battista handelt. Schon 1783 hatte Francesco auf Bitten Giacomos einen längeren Brief geschickt, der in Form eines fiktiven Dialogs über eine neue Historienmalerei räsoniert. In diesem Streitgespräch versucht sich ein Maler der alten Kunstauffassung mit dem Hinweis auf die wohl berühmteste kunsttheoretische Sentenz der Antike zu verteidigen: die Bemerkung in der "Dichtkunst" des Horaz, dass Malern und Dichtern die gleiche künstlerische Freiheit und der gleiche Wagemut zustünden. Dagegen verweist der Dialogpartner Francesco auf die "Wahrheit" als das neue Ideal der Kunst.

In dieser Diskussion um Wagemut oder Wahrheit scheinen sich emblematisch auch die unterschiedlichen Lebensentwürfe der Brüder Casanova zu verdichten. Denn Giovanni Battista hatte in seinem umfangreichen Vorlesungsmanuskript für die Dresdner Akademie ebenfalls und mehrfach auf Horaz verwiesen, nicht als Aufforderung zu Wagemut, sondern erneut als Mahnung zu Regelhaftigkeit und Angemessenheit. Auch hierzu scheint es im Übrigen einen (imaginären) Dialogpartner zu geben: Ein anderer Venezianer in Dresden, Bernardo Bellotto, hatte noch 1765/66 auf einem Architekturcapriccio mit seinem Selbstbildnis das Horaz-Zitat über Wagemut als Protestbekundung gegen die frühklassizistischen Tendenzen der Dresdner Kunstszene angebracht.

In diesem Sinne lässt sich die Gleichgültigkeit, wie sie die Brüdergeschichte der Casanovas über lange Strecken kennzeichnet, so verstehen, dass Francesco und Giovanni Battista der neuen Wahrheit folgten, Giacomo dagegen dem alten Wagemut, der allerdings ein Auslaufmodell war. Genauso evident ist freilich, dass für die Nachwelt und bis heute die abenteuerliche Lebensgeschichte des Giacomo die eigentliche Attraktion des Namens Casanova darstellt.

ULRICH PFISTERER.

Roland Kanz: "Die Brüder Casanova". Künstler und Abenteurer.

Deutscher Kunstverlag, München und Berlin 2013. 384 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

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