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Die vorliegende Studie gibt erstmals einen systematischen Überblick über die Illustrationen zur Göttlichen Komödie aus dem Zeitraum von 1570-1600. Die bildlichen Darstellungen sind in einem umfassenden Katalogteil vollständig aufgeführt und abgebildet. Es handelt sich um gezeichnete, gedruckte und gemalte Illustrationen überwiegend florentinischer Künstler. Erläutert wird der Zusammenhang zahlreicher Illustrationen mit den Unternehmungen der Litaratenakademien zur Verteidigung Dantes, dessen literarisches Werk zwischen 1570 und 1600 von der aristotelisch geprägten Literaturkritik verurteilt…mehr

Produktbeschreibung
Die vorliegende Studie gibt erstmals einen systematischen Überblick über die Illustrationen zur Göttlichen Komödie aus dem Zeitraum von 1570-1600. Die bildlichen Darstellungen sind in einem umfassenden Katalogteil vollständig aufgeführt und abgebildet. Es handelt sich um gezeichnete, gedruckte und gemalte Illustrationen überwiegend florentinischer Künstler. Erläutert wird der Zusammenhang zahlreicher Illustrationen mit den Unternehmungen der Litaratenakademien zur Verteidigung Dantes, dessen literarisches Werk zwischen 1570 und 1600 von der aristotelisch geprägten Literaturkritik verurteilt wurde. Der Autor zeigt in einem interdisziplinären Forschugsansatz bisher unbekannte Aspekte zu Inhalt und Entwicklung der literarischen Dante-Diskussion. Gleichzeitig präsentiert die Studie neue Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehungszusammenhänge zahlreicher Illustrationen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2000

Vertraut und köstlich wie Brot und Wein
Von Botticelli bis Zuccari – Dantes „Göttliche Komödie” und einige ihrer Illustratoren
Da gibt es endlich einmal ein Jubiläum, das nicht durch Geburt oder Tod bestimmt ist, durch Kirchenbücher und Amtsärzte festgelegt, sondern das ein Dichter selbst poetisch fixiert hat: In der Osterwoche des Jahres 1300 wanderte Dante durch die Hölle, das Fegefeuer und das Paradies und befragte die Seelen der Verstorbenen über ihr Geschick. Sollte also nicht jeder gebildete Europäer in diesen Tagen bei der Lektüre der Göttlichen Komödie zu finden sein? Das ist nicht irgendein Buch, sondern eine ganze Welt von Leidenschaft und Erkenntnissuche, und wer sich einmal hineingefunden hat, dem ist es so „vertraut und köstlich wie Brot und Wein” geworden.
Das Buch wurde schnell bekannt im frühen 14. Jahrhundert. Nicht nur die gelehrten Leser befreundeten sich damit, Eseltreiber sangen deftige Verse daraus und manchen Künstler hat es als eindrucksvollste Anschauung der jenseitigen Reiche zu Spekulationen verführt und von darstellbaren Themen lange abgehalten. Nicht jeder besaß die herrliche Naivität, mit der Giovanni di Paolo im 15.  Jahrhundert das „Paradiso” in leuchtenden Farben illustrierte. Botticelli erntete bei den stets respektlosen Florentinern manchen Hohn dafür, dass er sich, der kaum lesen konnte, tief und lange in Dantes Commedia vergrub. Und doch sind wir dankbar für die leichte Sicherheit seines Zeichenstiftes, der die 100 Gesänge in Bilder übersetzte – eben zu bewundern in einer Ausstellung im Kupferstichkabinett in Berlin.
Sehr geteilt ist die Dankbarkeit der Nachwelt angesichts der Florentiner Bemühungen im späten 16.  Jahrhundert, den einst verbannten Dichter, dessen Ruhm übermächtig auf den Seelen zu lasten begann, bildlich zu vergegenwärtigen. Brunelleschis kühn geschwungene Domkuppel ist innen schwer und dunkel geworden durch die schlecht sichtbare Darstellung des Jüngsten Gerichts durch Giorgio Vasari und nach dessen Tod durch Federigo Zuccari. Letzterer, durch dessen römisches Haustor in Form eines Höllenrachens die hoffnungsvollen Kunsthistoriker in die Biblioteca Hertziana schreiten, hat auch ein ganzes Album der Illustration von Dantes Commedia gewidmet.
In diesem Album ist beinahe jedem Gesang eine große Zeichnung in schwarzer und roter Kreide oder mit der Feder in Tinte gewidmet, dazu kommen die Textpassagen aus Dantes Werk und eigene Kommentarnotizen. Es sind vielfigurige bewegte Szenen auf bühnenbildartigen Schauplätzen. Zuccari ist wie Vasari ein gelehrter Künstler, der auch publizierte – keine anekdotenreiche Biografiensammlung, sondern ein theoretisches Werk über die Konzeption des Künstlers, die Idea des Entwurfs (disegno).
Eine ausführliche Einleitung und ein genauer Katalog der 88 Blätter dieses Albums von Zuccari bilden den Hauptteil des Buches. Dabei hat sich Michael Brunner in die Dantedebatte am Ende des Florentiner 16.  Jahrhunderts gründlich und selbstlos eingearbeitet, die weitgehend aus Albernheiten der Dilettantenakademien besteht. Die Deutung der einzelnen Abbildungen und die genaue Zuordnung der Einzelszenen zu Passagen aus Dantes Werk wird scharfsinnig durchgeführt, so dass der ikonografische und kunsthistorische Ertrag beachtlich ist und die Arbeit bereits vor dem Druck Auszeichnungen erfahren hat. Zuccaris ausführliche Illustration wird ergänzt durch die knapperen und fragmentarischen Bildfolgen von Ligozzi, Stradano, Alamanni und anderen, die ebenfalls auf diese Debatte, ob Dante größer als Homer und Vergil sei oder nicht, vielmehr Forderungen der aristotelischen Poetik verletzt habe, reagieren.
Jenseits dieser Zuordnungen und Erläuterungen lässt der Verfasser seinen Leser jedoch allein. Zwar zitiert er zustimmend die Begeisterung klassizistischer Direktoren der Uffizien über ihren Schatz und eher missbilligend ästhetische Vorbehalte anderer Kunstkenner. Aber eine Würdigung oder Kritik dieser Zeichnungen versagt er sich völlig, ebenso eine Charakterisierung des geistigen Umfeldes dieser Debatte.
Knebelung der Geister
Bei aller Aufwertung des Manierismus und auch seiner kälteren gegenreformatorischen Aspekte seit zwei Generationen kann man doch nicht die Augen verschließen vor dem ungeheuren Kontrast, in dem Dantes Werk zu seinen traurigen Epigonen steht, und die bildende Kunst seit seiner Zeit, Giotto und Giovanni Pisano, bis hin zu Tizian und Michelangelo, zu den Zuccari. Durchaus haben Zeiten des Niedergangs Anspruch auf die Aufmerksamkeit der Historiker – aber auch darauf, dass man die Verwüstung Italiens durch fremde Kriegsheere, die Knebelung der Geister durch das Konzil von Trient, die politische Entmündigung bei zunächst noch fort bestehendem Reichtum in diesem gegen Ende immer teurer und trister werdenden 16.  Jahrhundert beschreibt.
Wer, wenn nicht der Kunsthistoriker, der in dieser Epoche heimisch geworden ist, soll denn dem Leser das geistige Ausbluten dieser Generation erläutern, die leeren, öden Schraffuren, die wie für den Bühnenhintergrund des Laientheaters gemalten Architekturen, das gleichförmig Hölzerne der nackten Gestalten, die nun einmal im Jenseits anzutreffen sind, aus Mangel an Modellen und lebendiger Anschauung (noch 200 Jahre später, als Goethe und Moritz in Rom waren, hatte man nur die Totschläger im Affekt dafür, die sich vor den päpstlichen Sbirren ins spanische Quartier retten mussten). Daneben etwas leer, aber nicht kraftlos gezeichnete Pathosgebärden in großen Gruppen in bühnenmäßiger Inszenierung. Und dazwischen durchaus schöne Lösungen: hier wäre zu unterscheiden!
Auch wüsste man gern, in der ästhetischen Gedankenführung, etwas mehr über die Beziehung von Zuccaris Theorie zu seiner eigenen Arbeit. Die traditionelle Kunsttheorie kommt mit wenigen Begriffen zwischen Nachahmung und Entwurf aus, aber da Erwin Panofsky dieser Begriffsbildung in seiner Schrift Idea und nicht ohne Bezug auf Zuccari vorgearbeitet hat, ließe sich das doch aufnehmen. Künstler selbst werden ja nicht immer besser noch machen sie ihre Betrachter glücklicher, wenn sie in Theorien hasardieren. Aber die Kunst hatte einen Zyklus durchschritten. Was atemberaubende Eroberung gewesen war in der Darstellung bewegter Menschen, war Routine und akademisch lehrbar geworden.
Und noch schlimmer war es, was die Akademien trieben. Vico in seiner Neuen Wissenschaft hat nicht umsonst das tiefste Sinken des einst so kühnen und kraftvollen geistigen Lebens an den Akademien aufgezeigt. Die dienten längst dem geselligen Zeitvertreib und bauschten gelegentlich, wie es heute auch geschieht, nicht etwa eine wissenschaftlich begründete, sondern eine dilettantisch verzerrte Frage zu einer Debatte auf.
Als Goethe, spät und eher widerstrebend, Dantes Commedia gelesen hatte, wandte er sie auch gleich an, als er wieder einmal Anlass hatte, die Verleger zum Teufel zu schicken: „Es sollte eine eigene Hölle für sie geben. ” Warum sollte ein junger Wissenschaftler nicht, wenn er sich intensiv mit einer Gattung beschäftigt hat, eine eigene Zusammenfassung der Dante-Illustrationen schreiben, ehe er seinen Forschungsgegenstand und gelehrten Kommentar liefert, auch wenn andere wie Millard Meiss, John Pope-Hennessy und Kenneth Clark bereits darüber geschrieben haben?
Und warum sollte ein Kunsthistoriker nicht Zuccaris Kommentarnotizen übersetzen, nicht für die Kollegen, aber außer für die Leser auch für sich selbst? Wenn man genauer hinschaut, so merkt man, dass sehr wenig als bekannt vorausgesetzt werden kann. Einmal, weil unsere Ansichten sich ändern, und zum anderen, weil das, was irgendwo getan ist, außerhalb der großen Bibliotheken nicht ankommt. Der Leser, der nun wieder einmal oder mit dem Glück einer ersten Begegnung Dante lesen will, hat ein Recht darauf, umfassend und anspruchsvoll über seinen Autor und dessen Illustratoren unterrichtet zu werden. Und auch darauf, dass ein anständiges Bild auf den Umschlag kommt statt Vasaris Ausrutscher eines dämonisch blickenden Gastwirts aus der Commedia dell’arte. Denn wir sind in Dantes Commedia zu Gast, einem der schönsten und die Phantasie von Jahrhunderten am nachhaltigsten beschäftigenden Werk unserer europäischen Literatur.
HORST GÜNTHER
MICHAEL BRUNNER: Die Illustrierung der Divina Commedia. In der Zeit der Dante Debatte (1570–1600). Deutscher Kunstverlag, München 1999. 352 Seiten, Abbildungen, 148 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Horst Günther bemüht sich in seiner eingehenden Besprechung, zunächst das Positive der Untersuchung herauszustreichen, bevor er seiner ganzen Enttäuschung Luft macht. So lobt er die gründliche Einarbeitung Brunners in die Dante-Debatte, die Ende des 16. Jahrhunderts in Florenz stattfand. Die Interpretationen der einzelnen Abbildungen und ihre Zuordnung zu den entsprechenden Passagen der literarischen Vorlage seien "scharfsinnig durchgeführt" und die ikonografischen sowie kunsthistorischen Einblicke produktiv. Was dem Rezensenten jedoch fehlt, ist eine eigenständige Würdigung der Illustrationen durch den Autor und eine Beleuchtung ihrer geistesgeschichtlichen Voraussetzungen. Er wundert sich über die Zurückhaltung Brunners, den eigentümlichen Kontrast zwischen der Qualität der meisten Abbildungen und Dantes Werk zu bemerken. Günther hätte sich eine eigene Zusammenfassung zu den Illustrationen vom Autor gewünscht, obwohl ihm bekannt ist, dass andere Kunsthistoriker schon darüber geschrieben hätten. Auch das Fehlen von Erklärungen zu Zuccaris Kommentarnotizen, dessen Werk mit 88 Abbildungen den Hauptteil des Buches bilden, bedauert er. Richtig erbost ist der Rezensent auch darüber, dass mit "Vasaris Ausrutscher" kein "anständiges Bild" auf den Buchumschlag gekommen sei.

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