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Die Niederlande, 1912: Werfteigentümer Berend Bepol will sich zur Ruhe setzen. In seinem Schwiegersohn Niesten glaubt er den perfekten Nachfolger für die Betriebsleitung gefunden zu haben, doch plötzlich dreht sich der Wind und die beiden werden zu erbitterten Rivalen. Ein opulent ausgestalteter Zeit- und Gesellschaftsroman von einem der bedeutendsten niederländischen Autoren der Gegenwart.

Produktbeschreibung
Die Niederlande, 1912: Werfteigentümer Berend Bepol will sich zur Ruhe setzen. In seinem Schwiegersohn Niesten glaubt er den perfekten Nachfolger für die Betriebsleitung gefunden zu haben, doch plötzlich dreht sich der Wind und die beiden werden zu erbitterten Rivalen. Ein opulent ausgestalteter Zeit- und Gesellschaftsroman von einem der bedeutendsten niederländischen Autoren der Gegenwart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2009

Hart am Wind
Thomas Rosenbooms glänzende Charakterstudie

Eine Industrie in der Krise. Ein Werk, das am Abgrund steht. Seine Produkte nicht mehr als Fossilien aus besseren Zeiten. Seine Arbeiter nicht mehr als Arbeitslose, deren Leben das Unternehmen verschlang. Jetzt schauen alle auf den unheimlichen Fremden, den die Oberen zum Retter erkoren haben. Ob er das schafft, ein Rätsel. Man könnte meinen, Thomas Rosenboom hätte ein Buch für Autobauer geschrieben. Das ist einerseits richtig, andererseits jedoch weit gefehlt. Weit gefehlt, weil die Geschichte, die der Niederländer Rosenboom in seinem neuen Roman "Der Nachfolger" erzählt, in grauer Vorzeit der heutigen Krise spielt, sogar noch vor dem großen Börsencrash von 1929. Außerdem geht es hier um Schiffe und nicht um Autos mit muffigem Image. Und doch hat diese Geschichte viel mit heute zu tun.

Rosenboom erzählt das Schicksal des Schiffbauers Berend Bepol, dessen Werft in der niederländischen Peripherie, diesem "unendlichen Leerraum zwischen Stadt und See", seit dem rasanten Absturz der Frachtpreise im Sommer 1920 brach liegt. Um sich aus dem Stillstand zu befreien, wagt Bepol die Flucht nach vorn und kauft sich die Zukunft schlichtweg ein. Er macht Niesten - seinen kraftstrotzenden Vorarbeiter, dessen undurchschaubares Wesen ihm schon immer bedrohlich erschien - kurzerhand zu seinem Schwiegersohn und Nachfolger. Mit seiner unternehmerischen Naivität jedoch manövriert der gutmütige Patriarch den Betrieb samt Familie immer tiefer in die Ausweglosigkeit. Und so steuert ihr aller Schicksal unausweichlich wie in einer klassischen Tragödie auf die Katastrophe zu.

Dabei scheint die Zukunft am Ende zum Greifen nah: Ein elegant geschwungenes Hochseeschiff mit der Kraft zweier gewaltiger Dieselmotoren hat der Nachfolger mitten auf der grünen Wiese gebaut. Wie ein Ausrufezeichen steht es nun neben den "Auslassungspunkten der langen, leeren Zeile des Kanals", um in der blumigen Sprache des Direktors zu sprechen. Nur sackt die mehrere Tonnen schwere Zukunft immer tiefer in den saftig grünen Acker. Den Weg ins Wasser wird das mächtige Hochseeschiff niemals schaffen.

Eine Symbolik, die geplagten Autobauern bitter aufstoßen muss. Thomas Rosenboom ist Experte darin, die Spuren offenzulegen, die ein wirtschaftlicher Umbruch im Leben eines Menschen hinterlassen kann. Schon sein erster historischer Roman "Liebeswerk" (2000) war als historisches Exempel für den aussichtslosen Kampf des Einzelnen gegen die Kräfte eines Epochenwandels angelegt. Erst im zweitem Anlauf jedoch - seinem vielgelobten Roman "Neue Zeiten" von 2004 - ist es ihm gelungen, im Schicksal eines rührend weltfremden Geigenbauers und eines altertümlichen Dorfquacksalbers in der sich rapide verändernden Stadt Amsterdam das Typische durchscheinen zu lassen. Auch Rosenbooms neuer Roman lässt sich als große Parabel auf die Krise, auf das hoffnungslose Aufbäumen des kleinen Mannes gegen den Fortschritt lesen. Man sollte es dabei aber auf keinen Fall belassen. Denn "Der Nachfolger" ist vor allem die glänzend erzählte Charakterstudie eines Mannes, wie es ihn in unserer globalisierten Zeit kaum noch gibt.

Der Chronist Rosenboom zeichnet den Schiffbauer Berend Bepol als philanthropischen Kauz, der sich "mit zunehmender Eloquenz und Korpulenz" einen Platz in der Gesellschaft erarbeitet hat. Wie schon in seinen früheren Romanen scheint hier etwas typisch Niederländisches durch: eine sympathische, etwas naive Menschenliebe, eine liberale, christlich grundierte Moral, überschwengliche Lebenslust und ein Optimismus, der angesichts der Absurdität der Umstände oftmals lächerlich wirkt. Es ist wunderbar, wie Rosenboom immer wieder die Perspektive des auktorialen Erzählers verlässt und den Leser mitnimmt in Bepols abwegige Fluchten in die Botanik, wie er sich im Rausch der eigenen Rhetorik gänzlich vergaloppiert, bis seine Phantasien schließlich in Paranoia und blinder Zerstörungswut münden. Glänzend konstruiert ist auch das Zusammenspiel Bepols mit dem wortkargen "Nachfolger" Niesten, der die erdrückende Redseligkeit des neuen Schwiegervaters und dessen aufdringliches Buhlen um Zuneigung kalt an sich abgleiten lässt. Erst daraus entwickelt sich die Spannung, die die für 330 Seiten einigermaßen ereignisarme Geschichte zusammenhält.

Nur manchmal erliegt Rosenboom wie sein Protagonist der Lust an ausufernder Beschreibung und überbordender Metaphorik. Etwa wenn er Bepols Staunen über die exotische Schönheit des neuen Hochseeschiffs auf gefühlte zwanzig Seiten ausdehnt und sich in immer neue Bilder für die Seewolf kapriziert: Erst ist sie "eine Hand mit hundert Fingern, die riesige Hand eines riesigen Skeletts", ihre Bugbalken "die Fühler eines riesigen Insekts, das nach dem Himmel tastet". Später wird die Hand zur "Löwin", "ein Raubtier auf Beutefang", der Rumpf gerät gar zur "graziösen Dame, der Aufbau mit diesen eckigen Kinnladen und flachen Wangen ein Kerl". Wird der Bug dann auch noch "ein Gewölbe, so herrlich herausgehämmert wie das Schallstück einer Trompete, doch hier bis ins Unendliche vergrößert", ist die Verirrung im Delirium der Bilder komplett.

Solche Maßlosigkeiten verzeiht der Leser nur, weil ihn die altertümliche Eleganz dieser Sprache schon auf der nächsten Seite gnädig stimmt, weil es Rosenboom gelingt, seinen Erzähler als äußerst authentische Figur zu etablieren, und schließlich deshalb, weil er uns am Schluss mit dem befriedigenden Gefühl entlässt, über die Geschichte des Schiffbauers Bepol sei einfach alles gesagt - und das mit Esprit. Es mögen mitunter konventionelle Erzähltechniken sein, deren sich Rosenboom hier bedient - so die erklärenden Einschübe des allwissenden Erzählers, so das Festhalten an der geschlossenen Form. Aber ist es letztlich nicht das, was eine gut erzählte Geschichte ausmacht? Oder ist es nur, was ein gebildeter Autobauer von einer gut erzählten Geschichte erwartet? Thomas Rosenboom hat diesen Roman sicher nicht für Autobauer geschrieben. Und doch wird sich die Lektüre gerade für sie lohnen.

SARAH ELSING

Thomas Rosenboom: "Der Nachfolger". Roman. Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009. 346 S., geb., 21,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hohe Anerkennung zollt Rezensentin Sarah Elsing diesem Roman von Thomas Rosenboom um das Schicksal des Schiffbauers Bernend Bepols, dessen Werft am Boden liegt. Sie sieht darin eine "große Parabel auf die Krise?, die eine Menge mit der heutigen Zeit zu tun hat. Zugleich handelt der im frühen 20. Jahrhundert spielende Roman für sie vom aussichtslosen Kampf des Einzelnen gegen die Übermacht des Epochenwandels. Vor allem aber ist das Werk in ihren Augen die großartige Charakterstudie eines Mannes, "wie es ihn in unserer globalisierten Zeit kaum noch gibt?. Mit Lob bedenkt sie die starke Konstruktion der Rivalität Bepols mit seinem Schwiegersohn und Nachfolger Niesten. Bisweilen ufert Rosenbooms Reichtum an Metaphern für Elsings Geschmack zwar ein wenig aus, im Wesentlichen aber findet sie den Roman brillant erzählt.

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