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Die Insider-Story über den langen Marsch ins Gegenteil von dem, was Rot-Grün einmal wollte
Gerhard Schröder und Joschka Fischer wollten das Land humaner, sozialer, friedvoller machen. Und die Menschen, die sie gewählt haben, träumten von mehr Sozialstaat, mehr Demokratie, weniger Rüstung. Inzwischen ist den Wählern klar, daß sie sich geirrt haben, und die Gewählten müssen eingestehen, daß sie sich verirrt haben. Mit Blick für spannende Details schildern die Autoren, wie sich die Kneipenfreunde Schröder und Fischer 1998 ins Kanzleramt taktieren und dann erleben, daß die Zwänge der Politik…mehr

Produktbeschreibung
Die Insider-Story über den langen Marsch ins Gegenteil von dem, was Rot-Grün einmal wollte

Gerhard Schröder und Joschka Fischer wollten das Land humaner, sozialer, friedvoller machen. Und die Menschen, die sie gewählt haben, träumten von mehr Sozialstaat, mehr Demokratie, weniger Rüstung. Inzwischen ist den Wählern klar, daß sie sich geirrt haben, und die Gewählten müssen eingestehen, daß sie sich verirrt haben.
Mit Blick für spannende Details schildern die Autoren, wie sich die Kneipenfreunde Schröder und Fischer 1998 ins Kanzleramt taktieren und dann erleben, daß die Zwänge der Politik ihr Denken verändern und sie langsam im Sumpf der Wirklichkeit versinken. Gestützt auf Recherchen von über 40 SPIEGEL-Redakteuren, fügen sie einen Politkrimi zusammen, der erzählt, mit welchen Finten und Tricks in Berlin gearbeitet wird, wenn es um die Agenda 2010, den Kampf gegen den Terror oder das Dosenpfand geht.

Autorenporträt
Dirk Kurbjuweit, geboren 1962, ist Journalist und Buchautor. Studium der Volkswirtschaft. 1990 - 1999 Redakteur bei der ZEIT, 1999 Wechsel zum "Spiegel", wo er seit 2003 stellvertretender Büroleiter in Berlin ist. 1998 und 2002 jeweils Auszeichnung mit dem Egon-Kish-Preis. Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2005

Unsere Jahre mit Schröder
Protokoll einer enttäuschten Liebe
Gerhard Schröder schlägt am 27. September 1998 Helmut Kohl bei der Bundestagswahl. Noch vier Wochen vorher hatte der niedersächsische Ministerpräsident nicht daran geglaubt, Kanzler zu werden, schreibt Cordt Schnibben unter Berufung auf einen Schröder-Vertrauten. Vom Ergebnis überrascht, bildet Schröder eine Regierung mit den Grünen. Erwartet hatten die Wähler, er würde Chef einer großen Koalition - ohne Kohl. Auf den ersten 73 Seiten des dramatischen Tagebuchs bis zur Kanzlerwahl Schröders gehen schon einige Mitstreiter verloren, die für Schröders „Neue Mitte” standen, ehe der einstige Juso-Chef am 27. Oktober 1998 im naturbelassenen Eiche-Interieur seines Vorgängers Platz nimmt.
Für Schnibben war der Sieg der SPD und die Bildung der Koalition mit den Grünen ein Aufbruch, Aufatmen nach eineinhalb Jahrzehnten unentwegter CDU-Wahlsiege. Im 16. Jahr scheinbar gottgegebener Kanzlerschaft von Helmut Kohl war es Zeit für den Wechsel, Zeit für Schröder und seine Freunde, die an jenem Abend ihren Wahlsieg feierten. Doch, so Schnibben: „Sie hatten nicht das Strahlen von Karrieristen im Gesicht, sondern das ungläubige Grinsen von Lottogewinnern. Zu mächtig war ihnen der Fels aus Oggersheim erschienen, als dass sie wirklich geglaubt hätten, ihn einfach abwählen zu können.”
Als Regieren Spaß machte
Was aber wollte die SPD 1998, als sie erstmals seit 1972 wieder stärkste Bundestagsfraktion wurde? Da anknüpfen, wo der letzte SPD-Kanzler Helmut Schmidt am 1. Oktober 1982 aufgehört hatte? Schmidt hatte die „68er” verhöhnt und ihre Führungskraft bezweifelt: „Sie bestreiten alles, außer ihren Lebensunterhalt.” Galt noch etwas von dem, was die SPD in den verlorenen Wahlkämpfen 1983, 1987, 1990 oder 1994 angekündigt hatte? Mit gediegenen Programmen, aber ohne Koalitionsaussage hatten nacheinander Hans-Jochen Vogel, Johannes Rau, Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping versucht, Kohl als Kanzler abzulösen. Warum also gelang dies erst 1998 Schröder (dem „deutschen Tony Blair”)?
„Bei genauer Betrachtung verdankte Schröder seinen Wahlsieg nicht einem auf Absichten und Programmen basierenden Wählerauftrag, sondern einer Mischung aus Überdruss, Kalkül und Zufall”, schreibt Schnibben. Der frühere Zeit-Redakteur, Jahrgang 1952, und seine beiden zehn Jahre jüngeren Kollegen Geyer und Kurbjuweit haben als Spiegel-Reporter fast sieben Jahre lang das Geschehen im Kabinett und den Regierungsparteien aufgezeichnet und sind den Hauptfiguren in ihre Abgeordnetenbüros und Wahlkreise, zur UN nach New York oder in die weite Welt gefolgt. Der Elan von 1998, da Regieren „Spaß machte”, ist dahin, auch in der Propaganda: „Man findet die schönen Wörter nicht mehr, sie sind verloren gegangen in den letzten Jahren. Hartz IV - das klingt bedrohlich wie Godzilla II. (. . .) 1998 hatten Schröders Leute die Herrschaft über die schönen Wörter. ‚Neue Mitte‘ - das hatte Eleganz und Schönheit. - Perdu.”
Wer kennt noch Klimmt?
Vom Abend der gewonnenen Bundestagswahl bis zum jüngsten NRW-Wahlkampf mit dem „grünen Zugpferd” Fischer, vom langen Marsch an die Macht über den Neubeginn in Berlin und den Flut- und Friedens-Wahlkampf 2002 bis zur „letzten Chance der Agenda 2010” leuchten die Autoren das Innenleben der rot-grünen Regierenden aus. Statt über Weltpolitik zu schwadronieren, muss Fischer sich nun für den Visa-Erlass rechtfertigen. Intrigen, Gerangel und knappe Entscheidungen im Bundestag brachten nicht nur einmal die Koalition an den Rand ihres Bruchs.
Wer kennt noch Reinhard Klimmt, Kurt Bodewig oder Andrea Fischer? Ein halbes Dutzend Kabinettsmitglieder ging in den ersten vier Jahren von Bord. Nur Walter Riester, Vater des Rentenmodells, bleibt uns in Erinnerung, und der unvermeidliche Oskar Lafontaine taucht wie das Phantom der Oper immer wieder zwischen den Kulissen auf und droht mit Rückkehr - jetzt sogar als Rächer der Hartz IV-Geschädigten an der Spitze einer Mesalliance. Vor allem die Frage von Krieg und Frieden - März 1999 gegen Jugoslawien, Oktober 2001 in Afghanistan - hat die Nerven der Grünen, die in den 80er Jahren noch aus der Nato austreten wollten, immer wieder strapaziert.
Schnibben, Geyer und Kurbjuweit sind am Ende der „politischen Irrfahrt”rot-grüner Herrschaft ernüchtert. Von den hehren Grundsätzen der MdB Schröder, Fischer und Schily, die 1983 in der Bonner Politkneipe „Provinz” ein Kabinett auf dem Bierdeckel skizzierten, mit dem sie die BRD friedlicher, sozialer und liberaler machen wollten, ist nichts mehr übrig. So entstand das Protokoll einer enttäuschten Liebe, im Alltag zerrieben. „Rot-Grün war eine Notwendigkeit - das ist das beste, das man nach sechs Jahren über diese Regierung sagen kann”, schreiben Geyer und Kurbjuweit im Nachwort, ohne schon von Schröders „Coup” am Abend des 22. Mai gewusst zu haben.
Die schmerzhaften Operationen der Schröder-Truppe - von Bundeswehreinsätzen bis zu Otto Schilys „Anti-Ter-
ror”-Polizeigesetzen oder den Einschnitten in der Sozialversicherung - hätte eine CDU/FDP-Regierung nicht durchsetzen können, so die Autoren. Früher sei die Moral („sozial, pazifistisch, liberal”) stets auf Seiten der Linken gewesen: „Die andern mussten das schlechte Gewissen haben. Das geht jetzt nicht mehr.” Rot-Grün hat seine Unschuld verloren, so die Autoren, dahinter kommen sie nicht mehr zurück, auch nicht in der Opposition. Man brauchte sie ja nur an ihre Regierungsjahre zu erinnern.
MARTINUS SCHMIDT
MATTHIAS GEYER, DIRK KURBJUWEIT, CORDT SCHNIBBEN: Operation Rot-Grün. Geschichte eines politischen Abenteuers. Spiegel Buchverlag, DVA, München 2005. 335 Seiten, 17,90 Euro.
Wie alles begann: Gerhard Schröder mit dem damaligen Vorsitzenden der SPD, Oskar Lafontaine, nach Schröders Nominierung zum Kanzler-Kandidaten beim Leipziger Parteitag am 17. April 1998.
Foto: AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dieses Buch wurde geschrieben, bevor Gerhard Schröder den Kurs auf Neuwahlen setzte, erklärt der Rezensent, und beschränkt sich im Weiteren darauf, die wichtigsten Gedanken der drei Autoren zusammenzufassen. Nicht nur als "politisches Abenteuer", wie es der Titel ankündigt, sogar als "politische Irrfahrt" würde die rot-grüne Regierungszeit bezeichnet. Am Anfang war ein Bierdeckel, referiert Martinus Schmidt, auf dem Schröder, Fischer und Schily 1983 in einer Bonner Kneipe ein Alternativkabinett entwarfen, das "die BRD friedlicher, sozialer und liberaler machen wollte". Dann aber hätten sie 1998 mit dem "ungläubigen Grinsen von Lottogewinnern" die Regierung angetreten und die "Unschuld verloren". Zusammen mit den "schönen Wörtern" der Anfangszeit wie "Neue Mitte". Denn tatsächlich stünde diese Regierung für Polizeigesetze und soziale Einschnitte, die keine CDU/FDP-Regierung hätte durchsetzen können. Und das "schlechte Gewissen", früher das Privileg der anderen Seite, bliebe Rot-Grün von nun an ewig treu, schließt Rezensent Martinus Schmidt.

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