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Der Roman spielt 1999 in Rom. Erzählt werden acht Tage aus dem Leben des Filmproduzenten Montgomery Cassini-Stahl. Der intelligente und mächtige Mann um die Fünfzig verliebt sich in eine junge Frau. Er verwirklicht gerade sein Herzensprojekt: eine Neubearbeitung des "Jud Süß", um den historischen Joseph Süß Oppenheimer mit einem großen Film zu ehren. Als sein genialer, aber trinkfreudiger Hauptdarsteller in den Spelunken Roms verschwindet, muß Montgomery ihn aufgrund von Ähnlichkeit kurzzeitig ersetzen. In der dramatischen Zuspitzung des Geschehens wird er mit den Schlüsselereignissen seines…mehr

Produktbeschreibung
Der Roman spielt 1999 in Rom. Erzählt werden acht Tage aus dem Leben des Filmproduzenten Montgomery Cassini-Stahl. Der intelligente und mächtige Mann um die Fünfzig verliebt sich in eine junge Frau. Er verwirklicht gerade sein Herzensprojekt: eine Neubearbeitung des "Jud Süß", um den historischen Joseph Süß Oppenheimer mit einem großen Film zu ehren. Als sein genialer, aber trinkfreudiger Hauptdarsteller in den Spelunken Roms verschwindet, muß Montgomery ihn aufgrund von Ähnlichkeit kurzzeitig ersetzen. In der dramatischen Zuspitzung des Geschehens wird er mit den Schlüsselereignissen seines Lebens konfrontiert – mit dem ertrunkenen Bruder und einer schwierigen Kindheit in Stuttgart.
Autorenporträt
Lewitscharoff, SibylleSibylle Lewitscharoff wurde 1954 in Stuttgart geboren und lebt in Berlin. Sie veröffentlicht neben Radiofeatures, Hörspielen, literarischen Essays und Erzählungen presigekrönte Romane: Für ihren ersten Roman «Pong» erhielt sie 1998 den Ingeborg-Bachmann-Preis, für «Apostoloff» den Preis der Leipziger Buchmesse 2009. 2013 wurde sie mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen
Erfolg
Selbst gute Autoren wollen mal erfolgreich sein. Auch die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff will das. Ist ja auch ihr gutes Recht. Mit Pong hat sie bewiesen, dass sie Talent hat, mit Der höfliche Harald, dass sie halten kann, was sie verspricht. Nun will sie einen kommerziellen Erfolg und packt der Ingredienzien ein bisschen zu viel in die Erfolgssoße: ein erfolgreicher Außenseiter, Nationalsozialismus, Mord, Juden, Glamour, Italien. Das Ergebnis ist ein etwas überwürzter Eintopf, in dem ihre ursprünglichen Talente nur noch selten zum Vorschein kommen. Was bleibt - und das zeichnet den Roman trotz dieser Kritik vor vielen anderen aus - ist eine gut erzählte und atmosphärisch dichte Geschichte, die man gerne liest. Lesbarkeit ist ja auch ein Talent.
Jud Süß
Im Mittelpunkt steht der in seiner Kindheit "Blechle" genannte schwäbische Filmproduzent Montgomery Cassini-Stahl. Er wohnt seit 40 Jahren in Rom und hat dort große Erfolge gefeiert. Nun steckt er mitten in den Dreharbeiten zu seinem jüngsten Geniestreich: einen Spielfilm über das Leben des Joseph Süß Oppenheimer - jenes mächtigen Beraters des württembergischen Herzogs im 18. Jahrhundert, den Lion Feuchtwanger in seinem großartigen Roman Jud Süß verewigt hat und der durch einen der übelsten Propagandafilme der Nationalsozialisten geschmäht wurde.
Zum Stress dieser Arbeiten gesellt sich seine plötzlich entflammende Liebe zu einer jungen Holländerin. Als Cassini-Stahl auch noch die Rolle des erkrankten Hauptdarstellers übernehmen soll, geschieht das Vorhersehbare: er erleidet einen Herzanfall und erliegt ihm.
Gute Unterhaltung
Die eigentliche Geschichte, die von einer etwas wenig begründeten Rahmenhandlung eingeschlossen wird, schildert die letzten Tage des Filmproduzenten. Die Rahmenhandlung wird in der ersten Person von einem Schulkameraden erzählt, der Cassini-Stahl wenige Tage vor dessen Tod nach vielen Jahrzehnten in Rom wieder begegnet. In dieser Rahmenhandlung löst sich am Schluss auch die im Hintergrund immer wieder aufglimmende Frage nach dem Tod Cassini-Stahls Bruder. Hat der Filmproduzent seinen an den Rollstuhl gefesselten Bruder damals im Alter von neun Jahren wirklich in den Swimmingpool gerollt?
Insgesamt bietet Sibylle Lewitscharoff mit ihrem neuen Buch gute Unterhaltung. Zweifelsohne ist sie damit auf dem Weg, der sie zum Erfolg führen wird. (Andreas Rötzer)

"Sibylle Lewitscharoff erweist sich in Montgomery als brillante Erzählerin." (Stern)

"Ein literarisches Glanzstück - fesselnd und lebendig erzählt. Ein außergewöhnliches Buch." (Rheinischer Merkur)

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.06.2013

Montgomery
Er stammt aus Stuttgart, ein schwäbischer Großproduzent mit internationalem Flair und pompösem Namen, Montgomery Cassini-Stahl. Er wirkt in Rom, in Cinecittà, und natürlich muss man bei dieser Figur auch an jene große Kino-Meditation der Sechziger denken, „Le Mépris“ von Jean-Luc Godard, in der der alte Fritz Lang sich selber spielte, einen Hollywood-Rückkehrer, der sich an der Odyssee versucht. Montgomery will den „Jud Süß“ noch einmal verfilmen, von Feuchtwanger – was eigentlich gar nicht so erstaunlich wäre seit den Sechzigern ist alles möglich in Cinecittà, man hat dort die Kinogeschichte noch einmal gründlich ausgewertet und -geweidet, recycelt. Auch in Lewitscharoffs „Montgomery“ (Deutsche Verlags-Anstalt, München 2002) sieht man den Tod bei dieser seiner Arbeit, sie ist genauer und nüchterner als viele Literaten, die in ihren Romanen am Kino nicht mehr als den Mythos goutieren, dem fremden, exotischen Terrain gegenüber doch lieber auf Distanz bleiben. Am Ende aber kommt auch Lewitscharoff nicht frei von der alten Figur des Kreativen, des singulären Schöpfers, Montgomery als auteur. Ein Begriff, mit dem die Filmkritik – der Cahiers du Cinéma zumal – angetreten ist, um seriös zu werden, den man seit Jahrzehnten eigentlich gern wieder los wäre.
GÖT
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2003

Rom, Schwaben
Sibylle Lewitscharoffs Campari auf Montgomery

Zwei Schwaben treffen sich in Rom. Sagt der eine Schwabe zum anderen: Ich kenne dich doch aus Stuttgart. Aus der Schule. Die beiden Schwaben kommen darauf ins Schwäbeln. Der Tag vergeht schnell, die Nacht wird lang. Kurze Zeit darauf ist der eine Schwabe tot. Der andere Schwabe hockt sich nieder und schreibt über die letzten Tage des Toten ein Buch. Der Tote heißt Montgomery Cassini-Stahl, Produkt eines italienischen Gastarbeiterfotografen und einer Schwäbin aus alteingesessenem guten Haus mitten in Degerloch. Der Vater des Buben macht sich aus dem Stuttgarter Staub. Sein Sohn kehrt der Heimat Mörikes ebenfalls den Rücken, geht in jugendlichen Jahren nach Rom. Dort macht er Karriere, schnell und steil, als Filmproduzent. Als der Tod ihn umreißt, steckt er mitten in den aufreibenden Arbeiten zu einem Film über den historischen "Jud Süß": Joseph Süß Oppenheimer, der in Stuttgart hingerichtet worden war.

Genug, genug, ihr Schwaben, möchte man, die Hände flehend erhoben, hier nun doch dazwischenfahren. Schlimmer wird's, ruft der unerbittliche Schwabe in Rom zurück. Er hängt seinem Schulfreund einen Mord an. An seinem Bruder, der im Rollstuhl im Mittelpunkt der Familienaufmerksamkeit saß. Begangen im zartesten Knabenalter. Der Bruder schob den älteren Bruder ins Schwimmbecken - und weg war der Stuttgarter Abel. Darauf zog Kain die Decke des Schweigens über die Tat. Die Jahre in Degerloch gingen dahin, die Jahre in Rom kamen daher.

Am Ende klingelt der Schwabe mit dem Brudermordtick bei der Mutter seines toten Schulfreundes in Degerloch. Der Dackel, wer sonst, erwartet den Fremden an der Tür, wackelt mit dem Schwanz. Die Mutter hat das Manuskript über die letzten Tage ihres Sohnes in Rom vorab erhalten. Sie sagt in dem für die Schwaben typischen Redeschwall: Er war's nicht. Uns fallen Steine vom Herzen. Der Bruder hat sich selbst in das Becken rollen lassen. Diese Schwaben! Stürzten sich nicht die Römer selbst in das Schwert, wenn das Leben nur noch Schmach und Qual versprach?

Sibylle Lewitscharoff hat für ihren ersten Roman "Pong" den Ingeborg-Bachmann-Preis bekommen. Kein Wort jetzt über Klagenfurt und seine Preise - über Schall und Schatulle. Der Roman "Montgomery" ist ein glatter Durchbruch in den Schmock. Hanebüchen und dick ist die Geschichte. Mickrig und banal sind die Figuren. Verzuckert und verzogen ist die Sprache: "Zugleich schien die Zukunft dünner zu werden, ihre Reste fielen hinter den Horizont in die herzlose Leere des Alls." Dort sehen wir mit diesem Roman auch die Bachmann-Preisträgerin verschwinden.

EBERHARD RATHGEB

Sibylle Lewitscharoff: "Montgomery". Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, München 2003. 347 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Beschwingt fühlt sich Maike Albath nach der Lektüre, was wohl an der "großen Leichtigkeit" und der "schalkhaften Nonchalance" des Buches liegen muss. Bei der Geschichte von dem in Schwaben geborenen Wahlrömer und Filmproduzenten Montgomery Cassini Stahl hat Sibylle Lewitscharoff etwas getan, was unter ihren deutschen Kollegen leider viel zu selten passiert, lobt Albath: "Sie hat sich etwas ausgedacht." Sehr geschickt habe die Autorin die Hauptfigur schon am Anfang gebrochen, indem sie den Tod Montgomerys früh ankündigt und den Schulkameraden auf Besuch zum Ich-Erzähler macht. Der entdeckt bei seinen Nachforschungen immer wieder neue Charakterzüge und Geheimnisse des Verstorbenen, was für eine "starke Spannung" über das ganze Buch hin sorgt. Besonders gut gefällt der Rezensentin, wie Lewitscharoffs "bildhafte Sprache" mit dem ritualisierten Alltag des Helden kontrastiert. Dessen sicheres Ende wirke zum Glück nicht bedeutungsvoll "aufgeladen", sondern elegant und wie "beiläufig hingetuscht".

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