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Produktdetails
  • Verlag: DVA
  • Seitenzahl: 141
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 234g
  • ISBN-13: 9783421053930
  • ISBN-10: 3421053936
  • Artikelnr.: 24064987
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2001

Die Baumhäcksel-Maschine
Leser zu Bolzen: Ernesto Franco übertreibt es mit der Allegorie

Von einem Erfinder ist die Rede, aber nicht von einem wirklich bedeutenden. Nicht von einem, der die Menschheit oder auch nur seine Disziplin auf völlig neue Wege gebracht hätte. Nein, der 1865 in Turin geborene Gio Magnasco, dessen Lebensgeschichte in "Fünf Knöpfe aus Seide" erzählt wird, ist ein Phantast. Und so skurril manche Lösung bei ihm auch ausfällt, so ungewöhnlich ist oft auch das Problem, das dahintersteckt.

Doch zuerst beginnt er sein Handwerk ganz bodenständig, als Arbeiter, auf der Perrone-Werft in Genua, wo er beim Bau des Schiffes Principessa Mafalda schon bald durch originelle Ideen heraussticht. Danach beschäftigt ihn der begeisterte Werftbesitzer höchstpersönlich: Magnasco darf in seiner Villa mit Hilfe seiner neu erfundenen Baumhäcksel-Maschine den Park anlegen. Sobald der zähe Arbeiter dann einen eigenen Eisen- und Kurzwarenladen besitzt, widmet er sich Kuriositäten und Dekorativem. Da sind etwa die fünfundsiebzig verschiedenen Köpfe für Schrauben und Nägel, die er entwickelt. Oder Damenunterröcke, die man nur ausziehen kann, nachdem man an den Beinen die drei Knopfreihen vorne, hinten und an der Seite geöffnet hat. Als schließlich auch noch eine heiratswillige Frau in seinen Laden hereinkommt und fünf Knöpfe aus Atlasseide verlangt, ist das Glück erst einmal perfekt.

Die Geschichte von Gio Magnasco wird in Ernesto Francos - nach jener Atlasseidenknopf-Bestellung benanntem - Debütroman von dessen Urenkel erzählt. Der 1956 geborene Autor erweist sich dabei als ein guter, pointenhungriger Miniaturist. Wort- und detailverliebt führt er durch das Universum der Schrauben und Nägel. Lauter kleine Anekdoten reihen sich in diesem sehr kurzen Roman, in sehr kurzen Kapiteln, aneinander. Für seine bezaubernden Sätze und die vielen überraschenden Einfälle hat der Autor vermutlich auch den Premio Viareggio erhalten.

Trotzdem, manchmal wirkt in diesem sehr kurzen Buch der Wille, auch noch das letzte Schräubchen mit Bedeutung aufzuladen, etwas überanstrengt. Etwa dann, wenn die kleine Philosophie des Knotens buchstäblich von der Nabelschnur beginnen muß, damit die Geschichte bedeutender wirkt. Die Nabelschnur ist dann der "allererste Knoten", ein Halteknoten, "wie die, die man in Taue macht, damit der Wind sie nicht wegweht". Manche Produkt-Aufzählungen, bei denen solche Herleitungen nicht stattfinden, wecken wiederum den Verdacht, daß "sternförmige Messingstifte", "Vierkant", "Rundkopf" und "Klinken toskanischer Art" schon allein wegen des Wortklangs geliebt werden und gar nicht für den Zweck gedacht sind, die Geschichte voranzutreiben.

Etwas unglücklich ist auch der Versuch des Autors, mit der Erzählfiktion zu spielen, indem er das poetische Rüstzeug mit dem Beruf des Urgroßvaters vergleicht. Es heißt da etwa, auch der erzählende Urenkel setze beim Erzählen "eiserne Knoten, die Traversen oder Bolzen heißen, in eine Ebene, die ohne sie gar nichts wäre". Hier wird dann der Leser unfreiwillig zum Bolzen, der die poetische Machart des Büchleins gründlich eingehämmert bekommt. Aber am enervierendsten, störender noch als die selbstgefälligen und hermetischen Autoren, sind leider noch immer diejenigen, die ihrem Leser so gar nichts zutrauen.

Seinen Höhepunkt findet das Geschehen in einer burlesken Szene, die in den von der Zivilisation noch nicht erreichten Tiefen Afrikas spielt. Dort eine Verkaufsfiliale für Eisen- und Kurzwaren anzusiedeln, erscheint auf Anhieb nicht sehr aussichtsreich, und doch finden Magnascos Produkte reißenden Absatz. Allerdings geschieht dies nicht ganz im Sinne des Erfinders, wenn sich die nackten, korpulenten Frauen "unentwegt das Yale-Schloß für schmiedeeiserne Gittertore auf den Busen legen und sich mit endlosem Lächeln gegenseitig bewundern". Magnasco sieht sich genötigt, ihnen das Grundprinzip einer Tür zu erklären.

Die Orgie aus umfunktionierten Erfindungen endet im prasselnden Tropenregen, der die Verkaufstische davonschwemmt, während sich die Eingeborenen im Schlamm miteinander vergnügen. Der Händler und Erfinder ist schockiert, der Leser amüsiert. Dies macht zumindest einige Durststrecken wett, die der umstandskrämerische Roman vorher aufwies. Insofern ist das Buch seinem Thema angemessen: Es verhält sich genauso wie ein echter, rüstiger Urgroßvater: Der ist ja manchmal auch wirklich liebenswert, und doch ist es in Ordnung, wenn er wieder geht.

SILKE SCHEUERMANN

Ernesto Franco: "Fünf Knöpfe aus Seide". Aus dem Italienischen übersetzt von Karin Krieger. Deutsche Verlangs-Anstalt, Stuttgart 2001. 141 S., geb. 34,- DM

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Debütroman wie ein Großvater - liebenswert, ja, aber auch gut, wenn er wieder geht. Silke Scheuermann ist durchaus bezaubert von der Kleinteiligkeit, der Wort- und Schraubenverliebtheit des Autors, und von seinem Einfallsreichtum. Manchmal aber wird's ihr eben doch zu viel, dann wird der Kunstgriff der Produkt-Aufzählung schlicht überstrapaziert oder sie hegt den Verdacht, die vielen Utensilien aus dem Werkzeugkasten werden "schon allein wegen ihres Wortklangs geliebt," weniger für ihren Zweck. "Sternförmige Messingstifte" mmh, das klingt aber auch! Verunglückt auch der Versuch des Autors, mit der Erzählfiktion zu spielen. Hier fühlt sich Scheuermann als Leserin unfreiwillig zum Bolzen degradiert, "der die poetische Machart des Büchleins gründlich eingehämmert bekommt."

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