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Produktdetails
  • Verlag: DVA
  • Seitenzahl: 299
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 384g
  • ISBN-13: 9783421053114
  • ISBN-10: 3421053111
  • Artikelnr.: 24174941
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2000

Aufstand mit Atari
Es war einmal . . . das Goldene
Zeitalter der Computerkids
Öffne das Schleusentor, HAL . . . Es tut mir leid, Dave, aber das kann ich nicht tun . . . Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum lieferte einst die Initialzündung für einen anderen David, sieben Jahre alt, Jahrgang 1968 – er hat dieses Meisterwerk dann mehr als zwei Dutzend mal im Kino gesehen.
In den Atari Missile Command Instructions (1980) steht’s: 10 000 points earns an extra life. Du kriegst ein zusätzliches Leben und kannst weiter spielen. David S. Bennahums Buch beschreibt die erste Generation von Kids, die mit Computern aufwuchs, die erste Generation, die Computer als Vehikel für Gesellschaftskritik benutzte. „Wir zogen unsere Sache durch, waren Hacker, und der Rest der Welt konnte uns gestohlen bleiben. ”
Der alte Kindertraum, die Eltern, die Erwachsenen zu überflügeln, wird durch die Computerprogramme oder -spiele, die sich die Halbwüchsigen selber austüftelten, verwirklicht. Sie definierten eine neue subversive Kultur des unbekümmerten Bastelns, die in den neunziger Jahren mit dem Internet dominant werden konnte und genauso aufregend war wie der Jazz in den Zwanzigern oder Punk in den Siebzigern. Kinder brachten Kindern etwas bei und die Großen bekamen relativ wenig mit.
Schluss mit lustig
Jungs wie David und ihre Computer lebten in einem Goldenen Zeitalter – die Maschine, die die Erwachsenen damals kaum begriffen, stand ihnen zur uneingeschränkten Disposition. Für die Atari-Generation stimmte die Entwicklung des Rechners, seine Adoleszenz, für kurze Zeit mit ihrer eigenen überein – bis das Kapital schaltete und die Freaks (ähnlich wie teilweise bei der Hip-Hop-Bewegung) schluckte. Mit den Zielen der Jugend – Dezentralisation der Macht der Großen, Antriebswelle für eine neue egalitäre Kultur, Sprengung engstirniger Hierarchien – war es vorbei, zumindest partiell. Sie wollten alle „Bürger-Hacker” werden, die auf Lügen und totalem Kommerz gebauten Systeme eliminieren und sich nicht für dumm verkaufen lassen. Kopiergeschützte Software war „gegen unseren Kodex”, der das Kollektivbewusstsein pries. Spätestens Ende der Achtziger war aber der Spaß vorbei. Die schöne neue Welt des gegenseitigen Teilens und Rumbastelns verblasste, um durch „eine weitere Permutation einseitig ausgerichteter Medien ersetzt zu werden”: Konsum, Geld, Gleichförmigkeit. Statt schöpferischem Chaos nun effizientes Funktionieren.
Vorbei die Zeiten, als bei einer Firma namens Software Innovations auf Long Island, Erfinder von Space Invaders, der älteste Mitarbeiter gerade mal fünfzehn Jahre alt war. Und nichts war geblieben von der Hoffnung, durch eine kreative, enge Kooperation mit dem Computer als Partner, traditionelle Machtverhältnisse zu unterminieren, „die einst geheime Welt der Planung aus dem Bereich zentraler Autoritäten auf das Volk selbst” zu verlagern. Das Privateigentum – für Bennahum die Apotheose unseres Zeitalters – machte dem edlen Ansinnen einen bösen Strich durch die Rechnung. Und große Hoffnungen aufs Internet macht sich der Autor mittlerweile nicht mehr (zu Recht?) – er fürchtet, es könnte zu einem Einheitsbrei verkommen.
Eins weiß er aber: Erwachsen will er nicht werden. Statt im Gates-Empire fürs Marketing tätig zu werden, schreibt er lieber weiter für Magazine wie Wired, Spin und I. D. und bleibt Frewak. Drücken wir ihm die Daumen.
THOMAS ECKARDT
DAVID S. BENNAHUM: Extra Life. Bekenntnisse eines Computerfreaks. Aus dem Amerikanischen von Susanne Aeckerle. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999. 300 Seiten, 34 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dieses Buch "beschreibt die erste Generation von Kids, die mit Computern aufwuchs, die erste Generation, die Computer als Vehikel für Gesellschaftskritik benutzte": auf diesen Nenner bringt Thomas Eckardt die vorliegenden "Bekenntnisse eines Computerfreaks". Interessant war für diese Generation, dass sie tatsächlich ihre Eltern in sehr jungen Jahren "überflügeln" und in jugendlichem Elan die egalitäre "Dezentralisierung der Macht" technologisch für machbar halten konnte. Der "Computer als Partner" ist jedoch spätestens Ende der Achtziger entmachtet worden, er ist dem Moloch Privateigentum, das "Konsum, Geld, Gleichförmigkeit" bedeutet, unterworfen worden. Selbst das Internet macht dem Freak, so Eckardt, keinen Spaß mehr, aber seinen Traum will er dennoch nicht aufgeben und keinesfalls "erwachsen werden". Lieber Freak als Angestellter bei Microsoft, ist seine Devise. Mit einem jovialen: "Drücken wir ihm die Daumen" schließt Eckardt seine Besprechung.

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