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Der Abschluss der Tschechischen Bibliothek JAN NERUDA (1834 1891) reiste 1862 bis 1875 durch Europa und den Nahen Osten und schrieb Reisebilder über Paris, Triest, Neapel, München, Berlin, Hamburg, Wien, Graz, Budapest, Bukarest, Athen, Konstantinopel, Kairo, Jerusalem und Judäa, aber auch über die böhmischen Bäder. Genaue Kenntnis der Städte und ihrer Geschichte verband er mit eigenen Beobachtungen, die er pointiert und leise ironisch festzuhalten verstand. So entstanden authentische literarische Zeugnisse, wie diese Metropolen damals waren und welche Eindrücke sie bei einem Reisenden…mehr

Produktbeschreibung
Der Abschluss der Tschechischen Bibliothek
JAN NERUDA (1834 1891) reiste 1862 bis 1875 durch Europa und den Nahen Osten und schrieb Reisebilder über Paris, Triest, Neapel, München, Berlin, Hamburg, Wien, Graz, Budapest, Bukarest, Athen, Konstantinopel, Kairo, Jerusalem und Judäa, aber auch über die böhmischen Bäder. Genaue Kenntnis der Städte und ihrer Geschichte verband er mit eigenen Beobachtungen, die er pointiert und leise ironisch festzuhalten verstand. So entstanden authentische literarische Zeugnisse, wie diese Metropolen damals waren und welche Eindrücke sie bei einem Reisenden hinterließen. Hier spürt man, dass Neruda nicht nur ein großer Erzähler und Lyriker war, sondern auch ein begnadeter Feuilletonist. Seine Reisebilder sind Kabinettstücke von beeindruckender Leichtigkeit.
Autorenporträt
Jan Neruda, geb. 1834 in Prag, starb dort 1891. Als Lyriker, Erzähler und Feuilletonist zählt er zu den bedeutendsten tschechischen Schriftstellern.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.07.2007

Der Kosmopolitismus als Erweiterung der Heimatkunde
Reisebilder des tschechischen Lyrikers und Feuilletonisten Jan Neruda: „Die Hunde von Konstantinopel”
Ricardo Eliezer Neftalí Reyes Basoalto legte sich den Dichternamen Pablo Neruda als Ausdruck seiner Verehrung für den tschechischen Lyriker und Feuilletonisten Jan Neruda zu, der 1834 in Prag geboren wurde und dort 1891 starb. Als Vorkämpfer der nationalen Wiedergeburt Böhmens und Mährens und Verfechter eines sozialkritischen Realismus hatte Jan Neruda den „kleinen Literaturen” einen Weg gewiesen, der auch anderswo auf der Welt als gangbar galt. „Getreue Erzählungen aus dem Leben, Bilder von Menschen aller Schichten, Sammlungen wahrhaftiger Beispiele einer nicht erdachten und wirklichen Erfahrung”, so umriss Neruda sein Programm, und wer seine „Kleinseitner Geschichten” und andere seiner Alltags-Betrachtungen heute liest, stellt fest, dass sie an Frische und an Relevanz nichts eingebüßt haben.
Nun ist als letzter von 33 Bänden der verdienstvollen Tschechischen Bibliothek eine Auswahl von „Reisebildern” Nerudas erschienen, Texte, die der Prager Journalist zwischen 1863 und 1875 in Zeitungen veröffentlicht hat. Reisebilder, das Genre, das Heinrich Heine zu einer frühen Vollendung geführt hat, ziehen ihren Reiz und ihren Erkenntniswert aus einer kulturellen Konstellation, die im 19. Jahrhundert ihre volle Wirksamkeit erlangt hat. Der Zeitungsjournalismus steht in voller Blüte, die Welt ist dank Zügen und Dampfschiffen zugänglich geworden und ist dennoch vorerst nur wenigen zugänglich. Die Daheimgebliebenen versorgt der Reporter mit An- und Einsichten, zu denen nur er, mit dem Privileg des Reisens ausgestattet, den Schlüssel in der Hand hält.
Für Neruda, den erzählenden Enzyklopädiker, gibt es wenig, was er nicht in eine geistreiche, komparative Beziehung zu den heimischen Verhältnissen an der Moldau zu setzen wüsste. So erfahren die Prager Leser durch ihn nicht nur, wie es draußen in der Welt aussieht, sie erfahren zugleich, wie sich die Prager Verhältnisse im Spiegel aller möglichen Fernen ausnehmen. Der Kosmopolit Neruda trägt so zu einer erweiterten Heimatkunde von Prag bei – erst durch seine intime Kenntnis der nächsten Nähe gewinnen seine Betrachtungen der großen Welt ihre Bedeutung.
Schreckliche Grobiane
Es gibt naturgemäß Orte, an denen es Neruda gefällt und andere, an denen es ihm nicht gefällt. Nichts übrig hat er etwa für München. „Ich kann nichts dafür, dass mir München wie eine Kleinstadt vorkam”, schreibt er 1863. Die klassizistischen Prachtstraßen, teils noch im Bau, sind reine Fassadenwunder, auf deren Boden sich der Kot türmt. Und die Münchner sind „schreckliche Grobiane”, die diesen Charakterzug freilich als „Gemütlichkeit” verkaufen. Der Münchner sei, so Neruda, „in seinen Bedürfnissen bescheiden, nur beim Biertrinken nicht. Bier ist der wichtigste Gesprächsgegenstand, Bier und Wirtshausleben ersetzen das Familienleben.”
Die Bierhauptstadt Prag kommt ihm im Vergleich dazu urban und zivil vor. Was die Bayern vereine, sei keineswegs der bayerische Patriotismus; der stoße schon bei Schwaben und Franken an seine Grenzen. „Zusammengeschweißt” seien die Bayern „im gemeinsamen, leidenschaftlichen, fast vulgären Hass gegenüber allem, was norddeutsch, vor allem aber preußisch ist.” Mit der deutschen Einheit ist es nicht weit her, das ist die beruhigende Einsicht, die Neruda nach Prag übermitteln kann.
Auch in Berlin fühlt sich Neruda zwölf Jahre später nicht recht wohl. Die Stadt erscheint ihm künstlich, gemacht, ja wie „auf Kommando errichtet”. Selbst der Berliner Humor ist in Wahrheit der Ausweis eines Mangels. „Es ist ein gekünstelter Witz, wie er immer dann entsteht, wenn es keinen herzhaften, warmen Humor gibt.” Wie in Prag, möchte man ergänzen, aber die Prager Leser verstehen die Botschaft auch so. Von den deutschen Städten lässt Neruda einzig Hamburg gelten, wegen seines authentisch volkstümlichen Handels und Wandels, und vielleicht auch, weil hier die böhmischen Flüsse Moldau und Elbe den Weg ins Meer finden. Doch auch Hamburg vermag sein Herz nicht wirklich zu erwärmen, so wenig wie das kaiserliche Wien, für Tschechen ohnehin ein zweischneidiger Ort, Haupt- und Residenzstadt einer ungeliebten Monarchie.
Ins Schwärmen gerät Neruda erst, als er an den Rand des k. u. k. Reiches gerät, ins mediterrane Triest, und darüber hinaus, vor allem nach Konstantinopel. Der Journalist fühlt sich dort am wohlsten, wo es am meisten zu beobachten gibt, und was gibt es hier nicht alles zu beobachten. Unablässig möchte sich seine Seele „am schönsten Gedicht, das Menschheit und Natur je hervorgebracht haben”, weiden, „hier scheinen das ganze Weltall und alle Töne und Farben, alle Formen und Gedanken zu verschmelzen.” Mal bricht sich der überschwängliche Poet Bahn, dann ist Neruda wieder ganz nah bei den Dingen, registriert entzückt die Verschiedenheit der Sprachen, Kleider und Gebräuche am Bosporus.
Besonderes Augenmerk schenkt er den Hunden von Konstantinopel. „In orientalischen Städten”, notiert er, „gibt es hauptsächlich zweierlei Einwohner: Menschen und Hunde. Nicht etwa Haushunde, sondern streunende Hunde. Der Hund ist „Herr über Ruinen und über die Straße”. Keiner kümmert sich um ihn, keiner tut ihm etwas Gutes, im Gegenteil, im Orient ist, so Neruda, der Hund „ein armseliger Paria”. Kaum einer hat dem traurigen Schattentier wohl je einen so liebevollen Blick gewidmet wie Jan Neruda, und an keiner Stelle seiner Reisebilder spürt man das Mitleid und die Emphase des sozialen Realisten so deutlich wie in den Seiten über die Hunde von Konstantinopel. Man trennt sich ungern von diesem Buch und wünscht, es würden einmal die gesammelten Feuilletons von Jan Neruda ins Deutsche übersetzt.CHRISTOPH BARTMANN
JAN NERUDA: Die Hunde von Konstantinopel. Reisebilder. Ausgewählt, aus dem Tschechischen übersetzt und mit einem Nachwort von Christa Rothmeier. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 372 S., 19, 95 Euro.
Dichter, Feuilletonist und Reisender: Jan Neruda (1834-1891) Foto: akg
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit diesem 33. Band wird die 1999 begonnene "Tschechische Bibliothek" abgeschlossen. Aus diesem Anlass stellt Alena Wagnerova recht ausführlich das Projekt und die wichtigsten Bücher der Reihe vor. Jan Nerudas Reisefeuilletons hält sie für einen würdigen Abschluss, da der Autor, der auch das Namensvorbild für den Künstlernamen Pablo Nerudas war, hier in der Mischung aus Erzählung, Beobachtungen und Informationen seine Stärken ausspielen kann. Zum einen mache ihre herausragende "literarische Qualität" diese Texte auch nach fast 150 Jahren noch frisch und lesbar. Zum anderen repräsentiert Neruda für Wagnerova exemplarisch die kosmopolitische, weltaufgeschlossene Zukunft der tschechischen Literatur.

© Perlentaucher Medien GmbH
Man trennt sich ungern von diesem Buch und wünscht, es würden einmal die gesammelten Feuilletons von Jan Neruda ins Deutsche übersetzt. Süddeutsche Zeitung