Marktplatzangebote
13 Angebote ab € 0,50 €
  • Gebundenes Buch

Omar Nasiri hat ein komplexes Doppelleben geführt: Aufgewachsen im Umfeld islamistischer Extremisten erhält er von Geheimdiensten Mitte der neunziger Jahre den Auftrag, nach Afghanistan zu gehen. Er soll dort die Trainingslager der Dschihadisten auskundschaften. Er lässt sich zum Terroristen ausbilden und kehrt zurück in die aufkeimende Islamistenszene in London ...

Produktbeschreibung
Omar Nasiri hat ein komplexes Doppelleben geführt: Aufgewachsen im Umfeld islamistischer Extremisten erhält er von Geheimdiensten Mitte der neunziger Jahre den Auftrag, nach Afghanistan zu gehen. Er soll dort die Trainingslager der Dschihadisten auskundschaften. Er lässt sich zum Terroristen ausbilden und kehrt zurück in die aufkeimende Islamistenszene in London ...
Autorenporträt
Omar Nasiri wurde in Marokko geboren und wuchs in Europa auf. Er lebt mit seiner Frau in Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2007

Quark und Sahne
Neues aus dem Geheimdienstmilieu: Wie dämlich oder wie gefährlich sind Agenten?

Wegen der etwas morbiden Anziehungskraft von Geheimnis und Verrat in der Politik gibt es eine gar nicht kleine Zielgruppe für Romane und Fachbücher, Insider- und journalistische Enthüllungsberichte über Spione und Geheimdienste. Das ist ganz unabhängig von der Qualität des Gebotenen. Man trifft in diesem Genre auf sehr seriöse Darstellungen, aber auch auf die abenteuerlichsten Spekulationen, jede Menge Verschwörungstheorien und anderen Quark. Dabei umwabern zwei Gefährlichkeitsmythen die Arbeit von Geheimdiensten. Erstens der Drahtziehermythos - Geheimdienste sind gefährlich, weil sie alles eher und genauer wissen. Dieses Wissen verschafft ihnen hinter den politischen Kulissen große Macht, und davon machen sie in der Grauzone zwischen Politik und Kriminalität auch skrupellos Gebrauch. Den zweiten Mythos könnte man den Vertrottelungsmythos nennen - Geheimdienste sind gefährlich, weil sie keine Ahnung haben, was wirklich vorgeht. Ihre Agenten sind dämlich und tragen Schlapphüte. Regierungen, die sich auf ihre Informationen verlassen, treffen notgedrungen falsche Entscheidungen.

Wie das so geht mit Mythen in der zweiten Postmoderne - kaum jemand hängt ihnen mit Herz und Seele an, aber ein bisschen glaubt man ihnen doch. Und was die Geheimdienste betrifft, so können sogar dieselben Leute, je nach Stimmungslage, mal mehr dem einen, dann aber auch wieder dem entgegengesetzten Mythos zuneigen oder sogar beiden gleichzeitig. Erich Schmidt-Eenboom macht das vor. In der Bundesrepublik gehört er zu der kleinen Schar von Publizisten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Arbeit der Nachrichtendienste und insbesondere des Bundesnachrichtendienstes kritisch zu begleiten. Kritisch bedeutet hier so viel wie grundsätzlich misstrauisch, denn es wird (leider nicht immer zu Unrecht) unterstellt, dass Geheimdienste mangels öffentlicher Kontrolle immer der starken Versuchung ausgesetzt sind, ihre Befugnisse zu überschreiten (Drahtziehermythos) oder unprofessionell zu agieren (Vertrottelungsmythos). Wer das aufdecken will, muss sich seinerseits manchmal, um an Material zu kommen, wie ein Geheimagent verhalten, und so ergibt sich manchmal eine Art Katz-und-Igel- oder ein Hase-und-Maus-Spiel.

Schmidt-Eenboom leidet nicht gerade an schwachem Selbstbewusstsein. Sein 1993 erschienenes Buch über den BND habe die Behörde "erschüttert", schreibt er, und das habe ihn zu einem jahrelangen Ausspähungsobjekt des BND gemacht. So wie hier beschrieben, ging das aber ziemlich dilettantisch vor sich. Diese Ausspähungen sollten bezwecken, die "undichte Stelle" im BND zu entdecken, aus der ihm Informationen zugeflossen waren. Die dubiose Überwachung und noch ein paar mehr Bespitzelungen von Journalisten flogen auf, und der Dienst musste sich entschuldigen. So weit, so zwiespältig. Mit dem Nahen Osten haben das lange Anfangs- und das Schlusskapitel, in denen dies alles ausführlich geschildert wird, aber nichts zu tun. Die fünf Kapitel dazwischen entsprechen zwar dem Buchtitel, aber sie bringen kaum Neues.

Im Kapitel über die "deutsche Präsenz in Ägypten" werden noch einmal die alten Kamellen von den deutschen Ex-Nazis, Raketenbauern und anderen Rüstungsexperten aufgewärmt, die in Ägypten nach 1945 zeitweise Fuß fassen konnten. Ein anderes Kapitel stellt - im Ton leichter Bewunderung - die Spionage-Aktivität eines Mitarbeiters im Auswärtigen Amt für Ägypten dar. Er wurde 1991 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Informationen in den drei restlichen Kapiteln über den Sudan, Syrien und den Irak sind sehr ungleichmäßig. "Wie weit die Rolle des BND ging, ist unklar", heißt es einmal in Bezug auf den Sudan, und das könnte das Motto für zwei Drittel des Buches sein. Der Titel verspricht mehr und anderes. Eigentlich müsste das Buch "Ich, äh, und der BND" heißen.

Gegenüber solchem Quark ist das Buch von Omar Nasiri (ein Pseudonym) erste Sahne, wenn auch künstliche Sahne. Es berichtet in der Ich-Form von den Erlebnissen eines in Belgien aufgewachsenen Marokkaners, der als junger Mann in die Untergrundarbeit der besonders brutal-militanten Groupe Islamique Armé (GIA) hineingezogen wird, sich aber zugleich auch dem französischen Auslandsgeheimdienst als Informant zur Verfügung stellt. Den Hauptteil bilden sehr eindrucksvolle Berichte über eine Reise nach Pakistan und die monatelange Schulung als Terrorist in einem afghanischen Ausbildungslager in den frühen neunziger Jahren sowie über seine anschließende Tätigkeit in fundamentalistischen Kreisen in London als Informant des französischen und zugleich des britischen Geheimdienstes.

In Afghanistan trifft Nasiri auf viele der Führungsfiguren von Al Qaida, etwa Abu Zubayda oder Ibn al-Sheikh al-Libi. Letzterer wird im November 2001 in Pakistan verhaftet und im Januar 2002 von der CIA nach Ägypten gebracht, wo er unter Foltereinwirkung angeblich gestanden haben soll, dass Kämpfer der Al Qaida im Irak an chemischen und biologischen Waffen ausgebildet würden. Die amerikanische Regierung hat diese Aussagen benutzt, um ihr militärisches Eingreifen im Irak zu legitimieren. Die Aussagen al-Libis waren aber falsch, und Nasiri gibt zu verstehen, dass sie absichtlich falsch waren, um die Vereinigten Staaten anzustacheln, das den Islamisten verhasste Regime Saddam Husseins anzugreifen. Zweifel sind erlaubt. Der amerikanischen Regierung mögen die Aussagen al-Libis seinerzeit willkommen gewesen sein. Für ihre Entscheidung zum Krieg war anderes wichtiger.

Nasiris Buch liest sich wie ein fesselnder Schelmenroman. Genau deswegen kommt man aber auch über die Authentizität des Berichts ins Grübeln. Zwar ist man bereit, dem Autor auf seinen strapaziösen Reisen um die halbe Welt und bei den etwas oberflächlichen Betrachtungen über seine Identitätsprobleme als Muslim und westlicher Spion zu folgen. Jedoch drängt sich immer stärker der Eindruck auf, dass es sich hier um ein Konstrukt handelt, eine handwerklich eindrucksvolle Synthese von zahlreichen Einzelerkenntnissen über den Alltag der Mudschahedin, über ihre Ausbildung und ihre Denkweise, biographisch gebündelt und deshalb viel anschaulicher als trockene Abhandlungen zum selben Thema. Für viele westliche Leser sind insbesondere Nasiris Beobachtungen über die politischen Differenzen im Islam aufschlussreich. Nasiris Buch ist vielleicht keine richtige, sondern eine fiktive Biographie, Spielmaterial zur politischen Bildung. Aber lehrreich ist es allemal und spannend auch.

WILFRIED VON BREDOW

Erich Schmidt-Eenboom: BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten - Geheime Hintergründe und Fakten. Herbig-Verlag, München 2007. 333 S., 22,90 [Euro].

Omar Nasiri: Mein Leben bei al-Qaida. Die Geschichte eines Spions. Aus dem Englischen von Michael Bayer und Werner Roller. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006. 496 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Angetan zeigt sich Wilfried von Bredow von Omar Nasiris Buch über seine Spionagetätigkeit bei al-Qaida. Besonders die Berichte über seine Schulung als Terrorist in einem afghanischen Ausbildungslager in den frühen neunziger Jahren und seine Tätigkeit in fundamentalistischen Kreisen in London als Informant des französischen und zugleich des britischen Geheimdienstes haben ihn beeindruckt. Gleichwohl hegt er Zweifel an der Authentizität des Berichts. Schließlich liest sich das Buch für ihn wie ein "fesselnder Schelmenroman". So hat er zunehmend den Eindruck, bei dem Buch handle es sich um ein "Konstrukt", eine "handwerklich eindrucksvolle Synthese" von zahlreichen Erkenntnissen über den Alltag der Mudschahedin, ihre Ausbildung und Denkweise. Durch die biografische Bündelung gewinnt der Stoff für Bredow hohe Anschaulichkeit. Besonders instruktiv findet er die Beobachtungen über die politischen Differenzen im Islam. Insgesamt scheint Bredow das Buch "lehrreich" und "spannend", auch wenn es sich vielleicht nur um eine fiktive Biografie handelt.

© Perlentaucher Medien GmbH