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Richard Hamann (1879-1961) war einer der bedeutendsten deutschen Kunsthistoriker des 20. Jahrhunderts. Er begründete das Marburger Bildarchiv und war zeitweiliger Vorsitzender des Kunsthistorikerverbandes. In den langen Jahren seiner Lehrtätigkeit von 1911 bis 1957 und in seinen zahlreichen Publikationen trat er stets energisch für die Durchsetzung einer leistungsbetonten Sachkultur ein und verwarf jedes gesellschaftliche Rangbewußtsein im Sinne personenkultischer Vorstellungen. Da er dieses Konzept selbst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in West- und Ostdeutschland vertrat, geriet er…mehr

Produktbeschreibung
Richard Hamann (1879-1961) war einer der bedeutendsten deutschen Kunsthistoriker des 20. Jahrhunderts. Er begründete das Marburger Bildarchiv und war zeitweiliger Vorsitzender des Kunsthistorikerverbandes. In den langen Jahren seiner Lehrtätigkeit von 1911 bis 1957 und in seinen zahlreichen Publikationen trat er stets energisch für die Durchsetzung einer leistungsbetonten Sachkultur ein und verwarf jedes gesellschaftliche Rangbewußtsein im Sinne personenkultischer Vorstellungen. Da er dieses Konzept selbst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in West- und Ostdeutschland vertrat, geriet er zusehends zwischen die Fronten des Kalten Kriegs und wurde dem-entsprechend an den Rand gedrängt. Jost Hermand versucht, dieser langanhaltenden Verfemung entgegenzutreten und das Vorbildliche der ideologischen "Haltung" Hamanns herauszustellen. Vor dem Hintergrund der zeitpolitischen Ereignisse entwirft er eine Biographie Richard Hamanns, der selber alles Ichbetonte abgelehnt hätte. Deshalb wirdder Hauptakzent vor allem auf Hamanns vielfältige Bemühungen gelegt, unter dem Motto "Theoria cum praxi" einer progressionsbetonten Kunst- und Kulturpolitik für Jedermann den Weg zu bereiten.
Autorenporträt
Hermand, Jost
Jost Hermand, geboren 1930 in Kassel, Studium der Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Marburg, seit 1958 Professor of German Culture an der University of Wisconsin-Madison (USA). Seit 1967 Vilas Research Professor, seit 2003 Honorarprofessor der Humboldt-Universität zu Berlin. 2010 Dr. phil. h.c. der Universität Kassel, Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Mitbegründer der International Brecht Society. Gastprofessuren an der Harvard University, der University of Texas at Austin und den Universitäten Marburg, Kassel, Bremen, Oldenburg, Freiburg, Essen, Potsdam, München, Köln, Gießen, und der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.09.2009

Zwischen Ost und West
Die Biographie des Kunsthistorikers Richard Hamann
Professorenbiographien müssen nicht langweilig sein. Dies gilt vor allem dann, wenn das Leben des Porträtierten nicht in Routine erstarrt ist, die aus dem Abhalten von Lehrveranstaltungen und Prüfungen, der Tätigkeit in Universitätsgremien und der Abfassung von Büchern und Aufsätzen besteht, „mit denen sie ihren engeren Kollegenkreis zu beeindrucken hoffen”.
Jost Hermand, emeritierter Professor für deutsche Kulturgeschichte an der University of Wisconsin-Madison, der im nächsten April achtzig Jahre alt wird, fügt dem beeindruckenden Spektrum seiner germanistischen, kunsthistorischen, kulturkritischen, fachgeschichtlichen und autobiographischen Bücher eine „politische Biographie” des Marburger Kunsthistorikers Richard Hamann hinzu. Sie ist zugleich ein Stück Autobiographie, denn er hat von 1955 bis 1961 als Hamanns „Schreibkompagnon” in Marburg und Berlin-Ost an einer mehrbändigen Reihe „Deutsche Kunst und Kultur von der Gründerzeit bis zum Expressionismus” mitgearbeitet.
Hermand sympathisiert mit Hamanns politischen, volksbildnerischen und standesmäßigen Vorstellungen. Sie bilden auch das Telos seines eigenen Forschens, Lehrens und Publizierens. Als Hamann 1949 als einziger Repräsentant der deutschen Kunstgeschichte in die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, die an die Stelle der ehrwürdigen Preußischen Akademie getreten war, aufgenommen wurde, brachte er sein Amtsverständnis auf die plakative Formel: „Ehre und Würde sind Werte, die von Rangpersonen oder Ranggemeinschaften verliehen werden können, aufgrund von Macht, die sie sich durch Macht erworben haben oder die ihnen von Mächtigeren verliehen wurden. Aber noch nie ist die Arbeitsleistung eines Arbeiters durch den Rang, den er besitzt, qualitätvoller geworden und keineswegs ist die Qualität einer Arbeit durch Macht, Ehre und Rang verbürgt”.
Hamanns Leben ist durch einen umfangreichen, in der Marburger Universitätsbibliothek aufbewahrten Nachlass dokumentiert. Der hochbegabte Sohn eines Landbriefträgers aus Seehausen in der Magdeburger Börde studierte in Berlin bei Wilhelm Dilthey und Heinrich Wölfflin Philosophie und Kunstgeschichte, schlug sich einige Jahre als Kunstschriftsteller durch, bis er 1911 als beamteter ordentlicher Professor für Kunstgeschichte an die Posener Akademie und zwei Jahre später an die Universität Marburg berufen wurde. Dort blieb er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1947. Noch im gleichen Jahr nahm er ein Angebot der in Humboldt-Universität umbenannten Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität an, um dort als Nachfolger des soeben verstorbenen Wilhelm Pinder das Fach Kunstgeschichte zu vertreten.
Hamann wurde bis zu seinem Tod zum Grenzgänger zwischen Ost und West, von beiden Seiten mit Misstrauen beäugt. Er war das, was man pauschalierend einen „linken Professor” nennt. Anders als die meisten Vertreter seiner Generation, hielt er zu den Vertretern der jeweiligen Staatsmacht kritische Distanz. Er verstand sich als „geistiger Arbeiter”, der die Privilegien seines Standes einzig dazu nutzte, sein eigenes Wissen zu mehren und es innerhalb und außerhalb der Universität weiterzugeben. Seine zahlreichen Bücher zu fast allen zentralen Gegenständen der Kunstgeschichte zeichnen sich durch große Verständlichkeit aus. Ihn interessierte dabei weniger das Einmalige und Individuelle als das Gesamtgesellschaftliche. Schon früh wurde er zu einem Pionier der Kunstphotographie und baute in Marburg ein Bildarchiv auf, das inzwischen 1,7 Millionen Aufnahmen von deutschen und europäischen Kunstwerken und Denkmälern verwaltet. Insbesondere seine einbändige „Geschichte der Kunst von der altchristlichen Kunst bis zur Gegenwart” war jahrzehntelang eine Art Hausbuch, nicht nur der „gebildeten Stände”.
Hermand zeigt in seiner fesselnd geschriebenen Biographie Hamann als einen Mann mit Zivilcourage und unverrückbarer demokratischer Gesinnung, der sich selbst im Dritten Reich und der stalinistischen Phase der SBZ/DDR nicht verbiegen ließ. FRANK-RUTGER HAUSMANN
JOST HERMAND: Der Kunsthistoriker Richard Hamann. Eine politische Biographie (1879-1961). Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Berlin 2009, 228 Seiten, 40 Abb., 29,90 Euro.
Richard Hamann (1879 - 1961) Foto: picture-alliance / dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.2009

Arbeit an der Demokratisierung des Auges
Die Kunst zu fotografieren: Zwei Studien über den Kunsthistoriker Richard Hamann

Das schöne Wort "Papiermuseum" erfand der Wissenschaftshistoriker Martin Rudwick, um die Tatsache zu bezeichnen, dass Urzeitforscher nicht nur Fossilien und Ausgrabungsstätten studieren, sondern auch Papier. Aus der Paläontologie wurde erst dann eine Wissenschaft, als man die fossilierten Knochen, Skelette und Gebeine abzeichnete: Im Medium der Zeichnung wurden die dreidimensionalen Objekte nicht nur zweidimensional - sie wurden auch besser transportierbar, skalierbar und damit vergleichbar.

Was für Dinosaurier und Mammuts gilt, trifft auch auf Gemälde, Skulpturen, Teppiche und Bodenmosaike zu: Erst als es mit der Fotografie gelang, eine einheitliche visuelle Sprache für die vielfältigen Objekte der Kunst zu entwickeln, wurde aus der Kunstgeschichte eine wissenschaftliche Disziplin. Die Voraussetzung dafür, sich untereinander verständigen zu können, war nicht, zu den Originalen zu reisen und sie zu betrachten, sondern umgekehrt, die Kunst in die Institute kommen zu lassen - in Form von Fotografien und Lichtbildern. Dies ist die überzeugende These der Kunsthistorikerin Angela Matyssek, in die sie ihre umfangreiche Studie zu Richard Hamann einbettet ("Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg", Berlin 2009).

Der Marburger Historiker stellt einen herausragenden Fall der Konjunktion von Kunst- und Fotografiegeschichte dar: Im Jahr 1913 gründete er mit Foto Marburg das prominenteste Archiv der deutschen Kunstgeschichte, das fünfzehn Jahre später bereits zwischen 40 000 und 50 000 Negativplatten besaß und über eine Million fotografischer Abzüge; die jährliche Produktion belief sich 1930/1 auf etwa 75 000 Kontaktbezüge. Hamanns utopischen Planungen zielten auf ein kunsthistorisches Weltarchiv, das seinen Sitz an einem zentralen Institut in Deutschland haben sollte.

Doch Angela Matyssek hat weit mehr als eine Monographie zu Hamann geschrieben. Mit der Sorgfalt eines Handbuchs werden von ihr sämtliche Unternehmungen aufgefächert, die sich mit dem Fotografieren von Kunst beschäftigten. Firmen etwa wie Braun und Hanfstaengl belieferten schon fünfzig Jahre zuvor sowohl Kunsthistoriker als auch Touristen, Heinrich Wölfflin thematisierte die Bedeutung des Lichtbilds für seine Kunstgeschichtsschreibung selbst. Und bereits 1865 forderte Herman Grimm, späterer Ordinarius für Kunstgeschichte an der Berliner Universität, die Einrichtung einer "fotografischen Bibliothek" und formulierte auch gleich, wie die Apparatur den Blick verändert hatte: "Wer war so toll früher, sich dem Gedanken hinzugeben, es sei doch eine schöne Sache, die Reihenfolge aller Werke eines großen Meister vereinigt zu sehen?" Als Paradebeispiel galt Grimm das von Prinz Albert initiierte Raffael-Projekt, für das systematisch alle Werke des Künstlers durchfotografiert worden waren.

Hamanns Projekt war eine Absage an den Persönlichkeits- und Geniekult der Kunstgeschichte, er wollte eine "Sachkultur" in seinem Fach etablieren. In Kunstwerken und Stilen sah er den Ausdruck sozialer Realitäten, der Kunsthistoriker sollte den "Kausalgesetzen der Kultur" auf den Grund gehen. Als Erbe hinterließ er, der 1961 starb, tatsächlich so etwas wie einen demokratisierten Blick: Objekten, die zuvor ignoriert worden waren, sprachen seine Fotografien plötzlich große Bedeutung zu. Mit seiner Kamera kletterte er in versteckte Winkel von Kirchenräumen und holte die entlegensten Objekte aus luftigen Höhen in die Räume der Kunstinstitute.

Die sozial engagierte Kunstgeschichte Hamanns steht im Zentrum der ebenfalls soeben erschienen Biographie, die der Literaturwissenschaftler Jost Hermand verfasst hat (Der Kunsthistoriker Richard Hamann. Eine politische Biographie, 1879-1961, Köln 2009). Dass Hamann nicht nur kritisch schrieb, sondern auch zur Zeit des Nationalsozialismus seinen jüdischen Kollegen beistand, ist auch von Matyssek ganz unbestritten. Im Gegensatz zu Hermand erwähnt sie allerdings auch, dass er, um finanzielle Unterstützung für große Fotoprojekte in den besetzten Gebieten von den Nationalsozialisten zu erhalten, seine Kunstgeschichte auch in ihren Dienst stellte. Die Fotografien galten als Belege des "Deutschtums" der Grenzregionen und gerieten damit ins Fahrwasser der Legitimation der Besetzung.

Hamanns Leben nicht ganz vollständig zu erzählen, ist offensichtlich der Preis, den Hermand dafür zu zahlen bereit ist, ihn als großes Vorbild für die Kunstgeschichte zu preisen. Als ertragreicher erweist sich Matysseks Ansatz, den strukturellen Beitrag Hamanns zur Kunstgeschichte klar herauszuarbeiten. Auch Hamann hätte daran wohl seine Freude gehabt: Der Persönlichkeitskult lag ihm ja schließlich nicht.

JULIA VOSS

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Überhaupt nicht gelangweilt hat sich Frank-Rutger Hausmann nach eigenem Bekunden mit Jost Hermands Biografie des Kunsthistorikers Richard Hamann, und er sieht damit das umfangreiche und eindrucksvolle Werkspektrum des 79-jährigen emeritierten Kulturgeschichtlers um eine "politische Biografie" erweitert. Der Autor hat von 1955 bis 1961 in Marbach und Ost-Berlin zusammen mit Hamann an der Reihe "Deutsche Kunst und Kultur von der Gründerzeit bis zum Expressionismus" gearbeitet und zeigt zudem Sympathie für die politischen und wissenschaftlichen Standpunkte des als "linker Professor" geltenden Kunsthistorikers, erklärt der Rezensent. Er hat sich von der Lebensbeschreibung fesseln lassen und darin einen Kunsthistoriker entdeckt, der sich weder durch die Nationalsozialisten noch durch das DDR-Regime in seiner demokratischen und durch "Zivilcourage" geprägten Haltung beirren ließ, wie Hausmann eingenommen aus diesem Buch erfahren hat.

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