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Otto Schmidt, in einem märkischen Pastorenhaushalt geboren, war Generalstabsoffizier im Ersten Weltkrieg und später Mitglied des Reichstags für die Deutschnationale Volkspartei. Wie viele Konservative sah Schmidt in der Reichspräsidentschaft Hindenburgs, an deren Zustandekommen er nicht unwesentlich beteiligt war, ein Signal zur Versöhnung mit dem politischen System der Weimarer Republik. Enttäuscht von der deutschen Außenpolitik wandte er sich jedoch ab 1928 gegen die Republik. Schmidt gelang es, in den engsten Vertrauenskreis Alfred Hugenbergs aufzusteigen und zwischen 1929 und 1933 die…mehr

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Produktbeschreibung
Otto Schmidt, in einem märkischen Pastorenhaushalt geboren, war Generalstabsoffizier im Ersten Weltkrieg und später Mitglied des Reichstags für die Deutschnationale Volkspartei. Wie viele Konservative sah Schmidt in der Reichspräsidentschaft Hindenburgs, an deren Zustandekommen er nicht unwesentlich beteiligt war, ein Signal zur Versöhnung mit dem politischen System der Weimarer Republik. Enttäuscht von der deutschen Außenpolitik wandte er sich jedoch ab 1928 gegen die Republik. Schmidt gelang es, in den engsten Vertrauenskreis Alfred Hugenbergs aufzusteigen und zwischen 1929 und 1933 die deutschnationale Politik entscheidend mitzugestalten. Stets loyal gegenüber Hugenberg vermochte er es allerdings nicht, ihn von seinem Bündnisgedanken mit Hitler abzubringen.
Autorenporträt
Terhalle, Maximilian
Adjunct Assistant Professor of International Politics, Columbia University (New York City)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2010

Hugenbergs Flügeladjutant
Der DNVP-Reichstagsabgeordnete Otto Schmidt ermöglichte den Aufstieg Hitlers

Der Reichstagsabgeordnete Otto Schmidt, dem zur besseren Identifizierung sein Wahlkreis (Hannover) als Namenszusatz angehängt wird, ist nur Insidern der Geschichte der Weimarer Republik ein Begriff. Seine politische Karriere war nicht atemberaubend: Er brachte es nie zu Ministerehren; sein politisches Wirken verdankte er einer abgeleiteten Autorität, nämlich seiner Ergebenheit gegenüber dem deutschnationalen Parteiführer Alfred Hugenberg, als dessen Adlatus er von 1930 an fungierte. In dieser Eigenschaft trifft ihn erhebliche Mitverantwortung an der Berufung Hitlers zum Reichskanzler. Denn Reichspräsident von Hindenburg wollte ihn nur zum Kanzler einer Regierung ernennen, in der auch die Hugenberg-Partei vertreten war.

Maximilian Terhalle stellt ausführlich die Verbohrtheit heraus, mit der sich Schmidt - stellvertretend für die deutschnationale Führungsriege - gegen die auch in konservativen Kreisen lang und breit erörterten Bedenken gegen einen Pakt mit Hitler immunisierte. Die dafür verantwortlichen politischen Vorstellungen benennt der Verfasser, ordnet sie allerdings nicht in eine Strukturgeschichte konservativen Denkens ein. Er konzentriert sich vornehmlich auf den Einzelfall, auf den politischen Lebensweg eines Mannes aus der zweiten Reihe. Die dabei gewonnenen Befunde unter Rekurs auf neuere Forschungen zur Kulturgeschichte des Politischen an übergreifende Fragen nach der Genese autoritärer Staatskonzepte aus dem Geist des Weltkriegserlebnisses anzuschließen ist nicht die Absicht des Verfassers, wofür auch eine gewisse Theoriescheu verantwortlich sein mag.

Dabei könnte eine solche Perspektive auch mangels wirklich aussagekräftiger Ego-Dokumente über den Protagonisten interessante Einblicke in die Formverwandlung des preußisch-protestantischen Konservatismus nach 1918 eröffnen. Otto Schmidt (Hannover) war der einzige halbwegs prominente deutschnationale Reichstagsabgeordnete, der als Offizier an der Westfront über die Beglaubigung des Kriegserlebnisses verfügte, das seit Ende der zwanziger Jahre zunehmend als Legitimationsressource für politische Führungsansprüche diente. Dem Hauptmann a. D. eröffnete das zunächst ungewohnte Feld der Parteipolitik innerhalb der autoritär-konservativen DNVP Karrierechancen. Schmidt war derjenige unter den nicht wenigen ehemaligen Berufsmilitärs in der DNVP, die durch Weltkrieg, Revolution und Nachkriegszeit politisiert worden waren, der es am weitesten brachte. Möglicherweise wählte Hugenberg den Hauptmann a. D. auch deswegen zu seinem politischen Adjutanten, um seine fehlende Weltkriegserfahrung zu kompensieren. Schmidt selbst war als einer der ganz wenigen Deutschnationalen in der Lage, die Kriegsgeneration, aber auch die akademische Jugend, die das Kriegserlebnis imaginativ nachholen wollte, mit kämpferischer Attitüde zu beeindrucken, wohingegen die taktischen Raffinessen des Geheimrats Hugenberg und seiner deutschnationalen Altersgenossen diese in den Augen der jungen Generation wie politische Mumien erscheinen ließen.

Da Schmidt dazu noch über ein überdurchschnittliches Redetalent verfügte - er war es, der im Oktober 1932 Goebbels in einem Rededuell Paroli bieten konnte -, standen ihm in der DNVP die Tore für eine Karriere offen. Als er 1924 erstmals in den Reichstag über eine sichere Listenplazierung in seiner Wahlheimat Hannover einzog, suchte er zunächst nach Orientierung innerhalb der überaus heterogenen Sammlungspartei DNVP. Es gehört zu den wesentlichen Erkenntnissen der Studie Terhalles, dass er die politischen Wandlungen Schmidts in den zwanziger Jahren herausarbeitet. Denn anfänglich war Schmidt durchaus zum gouvernementalen Flügel der DNVP zu rechnen, der im Sinne eines prinzipiell staatsbejahenden Konservatismus die Möglichkeiten einer Regierungsbeteiligung auslotete und daher die beiden Eintritte der DNVP in die Regierung in den Jahren 1925 und 1927 begrüßte. Allerdings zahlte sich diese Haltung nicht für den ehrgeizigen Jungpolitiker Schmidt aus. Terhalle lässt durchblicken, dass Schmidt auch aus Gründen der eigenen Karriereplanung im Sommer 1928 in das Lager Hugenbergs überwechselte, dem es innerhalb von zwei Jahren um den Preis der Verdrängung der gemäßigten Konservativen gelang, die DNVP in eine auf ihn eingeschworene systemoppositionelle Partei zu verwandeln, die den politischen Schulterschluss mit der aufstrebenden NSDAP suchte. Da er der einzige jüngere deutschnationale Reichstagsabgeordnete war, der diesen Schwenk mitmachte, stieg Schmidt schnell in der innerparteilichen Hierarchie als "Flügeladjutant" Hugenbergs auf.

Somit stellt sich auch an Schmidt die bohrende Frage, warum er so hartnäckig die Formierung einer geschlossenen "nationalen Rechten" propagierte, obgleich er mehr als einmal persönlich zu spüren bekommen hatte, mit welcher Verachtung die NSDAP auf die Deutschnationalen herabblickte. Schmidt hatte aus nächster Nähe mitbekommen, wie die NSDAP die DNVP auf der als Demonstration der Geschlossenheit gedachten Heerschau der Rechten im braunschweigischen Harzburg im Oktober 1931 brüskiert hatte. Und auch im Wahlkampf zur Reichstagswahl im November 1932 sandte Hitler deutliche Signale aus, dass er die DNVP nur zur Eroberung der Regierungsmacht zu benutzen trachtete. Doch der alles überwölbende Hass auf die Weimarer Republik, zu dem sich vermutlich noch eine ausgesprochen antifranzösische Einstellung gesellte, drängte bei Schmidt alle Bedenken gegen ein Bündnis mit der Hitler-Partei in den Hintergrund.

Eine solche Position musste nicht zwangsläufig auf die Kanzlerschaft Hitlers hinauslaufen - Terhalle vertritt auf allerdings schmaler Quellengrundlage die These, wonach Schmidt Hitler als Kanzler einer gemeinsamen Regierung zu verhindern gesucht habe -; aber sie wertete die NSDAP als Wunschpartner in einer gemeinsamen Regierung auf. Ob Schmidt wie so manche andere Konservative darauf vertraute, dass Hindenburg mit Hilfe seiner Präsidialgewalt eine machtpolitische Verselbständigung eines Reichskanzlers Hitler verhindern würde, ist nicht klar zu belegen. Schmidt vollzog als ergebener Hugenberg-Jünger den Kurs seines Parteiführers mit, der sich schließlich nicht mehr gegen die Reichskanzlerschaft Hitlers sperrte und auch weitere machtpolitische Trümpfe ohne Gegenleistung aus der Hand gab. Die solide und kenntnisreiche Studie unterstreicht damit einmal mehr, wie sehr die DNVP unter Hugenbergs Führung klassische Positionen eines gouvernementalen, gegenüber übermäßiger Ausdehnung der Staatsgewalt skeptischen Konservatismus preisgab und sich damit im Verhältnis zum Nationalsozialismus politisch entwaffnete.

WOLFRAM PYTA

Maximilian Terhalle: Deutschnational in Weimar. Die politische Biographie des Reichstagsabgeordneten Otto Schmidt (Hannover) 1888-1971. Böhlau Verlag, Köln 2009. 449 S., 49,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Wolfram Pyta zeigt die "kenntnisreiche und solide" Arbeit von Maximilian Terhalle anhand der politischen Biografie des Reichstagsabgeordneten Otto Schmidt, wie die DNVP Positionen eines gouvernementalen Konservatismus preisgab und so dem Nationalsozialismus Tür und Tor öffnete. Der Blick auf den Einzelfall eines karriereorientierten Politikers aus der zweiten Reihe (anstelle einer Strukturgeschichte) verschafft Pyta "interessante Einblicke" in die Verwandlung des Konservatismus nach 1918 insgesamt. Auch wenn er beim Autor eine gewisse Theoriescheu feststellen muss und sich Terhalle seiner Meinung nach mitunter auf schmaler Quellengrundlage bewegt.

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