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An öffentlichen Ämtern hat es Kai-Uwe von Hassel (1913-1997) nicht gemangelt, doch wurde seine Bedeutung stets unterschätzt. Er war schleswig-holsteinischer Ministerpräsident, Verteidigungs- und danach Vertriebenenminister, Präsident, dann Vizepräsident des Deutschen Bundestags, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und Präsident der Europäischen Union Christlicher Demokraten. Er hatte wesentlichen Anteil an der Aussöhnung zwischen Dänen und Deutschen, setzte sich in Begegnungen mit Diktatoren in aller Welt für die Menschenrechte ein, war der geistige Vater der deutschen…mehr

Produktbeschreibung
An öffentlichen Ämtern hat es Kai-Uwe von Hassel (1913-1997) nicht gemangelt, doch wurde seine Bedeutung stets unterschätzt. Er war schleswig-holsteinischer Ministerpräsident, Verteidigungs- und danach Vertriebenenminister, Präsident, dann Vizepräsident des Deutschen Bundestags, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und Präsident der Europäischen Union Christlicher Demokraten. Er hatte wesentlichen Anteil an der Aussöhnung zwischen Dänen und Deutschen, setzte sich in Begegnungen mit Diktatoren in aller Welt für die Menschenrechte ein, war der geistige Vater der deutschen Entwicklungshilfe und ein vehementer Verfechter der politischen Bildung insbesondere der Jugend. Selten war er bequem. Kai-Uwe von Hassel kritisierte die Qualifikation deutscher Politiker, die bisweilen einseitige politische Ausrichtung der evangelischen Kirche, setzte eine bis heute wirksame Parlamentsreform in Gang, wollte Brüssels europäische Funktionen zu Gunsten Straßburgs reduzieren und kämpfte vergeblich darum, Bonn als Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands zu belassen. Anhand bisher unveröffentlichter Dokumente gibt diese Biographie umfassend Auskunft über einen Politiker, der meist hinter den Kulissen die Fäden zog und - mehr bodenständiger Pragmatiker als Visionär - dessen politische Überzeugungen bis heute nicht an Aktualität eingebüßt haben.
Autorenporträt
Koop, Volker
Volker Koop, geb. 1945, Journalist und Publizist, lebt in Berlin. Veröffentlichungen u.a.: Kein Kampf um Berlin? Deutsche Politik zur Zeit der Berlin-Blockade 1948/49 (1998), Der 17. Juni 1953. Legende und Wirklichkeit (2003), Das Recht der Sieger (2004), Das schmutzige Vermögen. Das Dritte Reich, die I.G. Farben und die Schweiz (2005), Kai-Uwe von Hassel. Eine politische Biographie (2007),
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.05.2007

Weltpolitik an der Förde
Kai-Uwe von Hassel in einer wohlwollenden Biographie
Es wird zu Recht darüber geklagt, dass so viele Biographien schlecht geschrieben werden. Nun ist nicht jeder Biograph ein Golo Mann, aber als Vorbild kann dessen „Wallenstein” immer noch dienen. Viel schlimmer als die Form ist jedoch die Unsitte, dass das Umfeld des Porträtierten das Quellenmaterial nur dann herausrückt, wenn sicher ist, dass der Autor ein Sympathisant ist.
Die Biographie des 1997 verstorbenen Kai-Uwe von Hassel ist ein gutes Beispiel für beide Fehlentwicklungen. Der Journalist und frühere Kieler CDU-Pressesprecher Volker Koop hat fleißig und sorgfältig alles zusammengetragen, was eine Beziehung zu Hassel hat. Der Leser erfährt, wie sich der Fremdenverkehr in seiner Zeit als Kieler Regierungschef entwickelt hat, auf welchen Reisen er sich zu Fragen der Weltpolitik geäußert hat, wie er als Verteidigungsminister die Bundeswehr und als Bundestagspräsident das Bonner Parlament reformieren wollte. Ein ganzes Kapitel ist den Regensburger Domspatzen gewidmet, bei denen sein Sohn aus zweiter Ehe mitwirkte.
Der 1913 als Sohn eines Pflanzers in Deutsch-Ostafrika geborene Kai-Uwe von Hassel hat eine ungewöhnliche Karriere gemacht. Aufgabe eines guten und vor allem kritischen Biographen wäre es gewesen, das Typische am Aufstieg eines Tropenlandwirts in höchste Staatsämter herauszuarbeiten, Koop hat sich jedoch bemüht, vor allem möglichst viele Details aufzuschreiben. Das mag man noch hinnehmen, würde er seinen Lesern wenigstens die Entscheidung über die Bedeutung Hassels als Politiker überlassen. Doch stattdessen weist er geradezu penetrant darauf hin, wie klug und weitsichtig sein Protagonist stets gehandelt habe.
Alles wird dem „Wertkonservativen” nachgesehen. Dass er den Begriff „Apartheid” nicht verwenden mochte, in seinem Kieler Kabinett einen Minister duldete, der im Verdacht stand, NS-Verbrechen begangen zu haben und auch dass er sich weigerte, den von seinem Amtsvorgänger Franz Josef Strauß angeschafften Starfighter einzumotten, obwohl 110 Piloten in den Tod flogen. Darunter der eigene Sohn. ERICH MALETZKE
VOLKER KOOP: Kai-Uwe von Hassel. Eine politische Biographie. Verlag Böhlau, Köln 2007. 318 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2007

Sonore Stimme
Einer Biographie über Kai-Uwe von Hassel fehlt kritische Distanz

Was haben Heinrich Albertz, Karl Carstens, Gerhard Schröder (der Ältere - von der CDU) und Kai-Uwe von Hassel gemein? Alle entstammen der im Ersten Weltkrieg geborenen Generation, jeder prägte auf eigene Weise die Politik der alten Bundesrepublik, aber kaum einer redet noch über sie. Biographien werden heute nicht nur zeitgeschichtlicher Erkenntnisse wegen geschrieben. Vor allem gilt es, die politische Leistung öffentlich wachzuhalten, wie jetzt zum 10. Todestag Hassels. Diesen Zweck erfüllt jetzt Volker Koops Darstellung. Er schlägt Breschen in die wechselvolle Lebensgeschichte des pragmatischen Nachkriegspolitikers, stellt Bezüge zur Tagespolitik her und entwirft so das Bild eines politischen Visionärs, der Hassel beileibe nicht war.

Geboren 1913 in Gare, einer katholischen Missionsstation im Usambarahochland der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, wo sein Vater Kaffee- und Kautschukpflanzungen besaß, kam der Junge nach Kriegsende 1919 in die Heimat seiner Eltern nahe Flensburg. Dort absolvierte er das Abitur, erhielt eine landwirtschaftlich-kaufmännische Ausbildung und folgte 1935 aus Begeisterung für Afrika seinem Vater nach Tanganjika, der mit neuen Pflanzungen sein Glück versuchte, kurze Zeit später aber verstarb. Der 22jährige stand vor dem Nichts, denn eine Kaffeeseuche wütete, die ihn zwang, sich als Pflanzungskaufmann durchzuschlagen. Nach Kriegsbeginn 1939 wurde er von den Briten in Daressalam interniert und über Italien ins Deutsche Reich abgeschoben. Seiner Soldatenpflicht sollte Hassel in Polen nachkommen. Doch gelang es ihm, auf den bequemeren Posten der Nachrichtenfernaufklärung an die Westfront nach Frankreich versetzt zu werden. Der Ende 1940 frisch Vermählte entging damit dem Russlandfeldzug. Von 1943 an stieg er bis zum 3. Ordonanzoffizier der 94. Infanteriedivision auf, die 1945 im Trentiner Etschtal kapitulierte.

Welche Haltung Hassel damals zum Nationalsozialismus einnahm, lässt Koop im Unklaren. Dagegen stellt er die Demokratieschulung durch britische Offiziere in den wenigen Monaten der Kriegsgefangenschaft bis September 1945 als "Grundstein" für die Entwicklung des politischen Bewusstseins Hassels heraus. Angeblich entstand dieser homo politicus erst im Alter von 32 Jahren, geprägt durch die Erkenntnis, Stalins Expansionsdrang werde katastrophale Folgen für Europa haben, allein mit den Vereinigten Staaten von Amerika sei Frieden zu sichern. Nach dem CDU-Beitritt 1946 wurde der fleißige Flensburger Kreisverwaltungsangestellte und Bürgervorsteher von Glücksburg schnell bekannt. Vermittlungsgeschick bei Konflikten zwischen Einheimischen, Vertriebenen und Minderheiten in der deutsch-dänischen Grenzregion bescherte ihm 1950 ein Mandat im Kieler Landtag.

Nur in Ansätzen scheint bei Koop auf, wie Hassel Interessen im parteiinternen Kampf der überwiegend evangelischen norddeutschen Landesverbände gegen den Einfluss der Katholiken auf die CDU-Parteispitze im Rheinland wirklich austarierte. Jedenfalls bestand im Herbst 1954 kein Zweifel, dass der 41-Jährige seinem politischen Ziehvater Friedrich Wilhelm Lübke als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident folgte. In der Bonn-Kopenhagener Erklärung, zu der er Adenauer 1955 bewegte, gelang die dauerhafte Lösung des dänischen Minderheitenproblems. Bei der Kandidatensuche für die Bundespräsidentenwahl 1959 fiel sein Name, weil er der profilierteste Vertreter des protestantischen Nordens war.

In den sechziger Jahren avancierte Hassel zur christdemokratischen Allzweckwaffe. Nachdem Strauß wegen der "Spiegel"-Affäre zurücktreten musste, machte Adenauer ihn 1963 zum Bundesverteidigungsminister. Erhard behielt den "Atlantiker" im Amt, der nun für die in Serie abstürzenden Starfighter verantwortlich zeichnete, wobei auch sein Sohn starb. Auseinandersetzungen mit eigenwilligen Generälen auf der Hardthöhe und Außenminister Schröder ließen ihn glücklos erscheinen. Zu alledem schlugen Bestrebungen fehl, sich als Entwicklungshilfeminister um das geliebte Afrika kümmern zu dürfen. In der großen Koalition 1966 übernahm er das Vertriebenenministerium, bis Anfang 1969 ihn die Fraktion zum Nachfolger des zurückgetretenen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmeier erkor.

Hassels sonore Stimme und besonnene Amtsführung verliehen dem Hohen Haus Würde, verschafften ihm parteiübergreifend Anerkennung. Zupackend, wie es seine Art war, setzte er zügig die "kleine" Parlamentsreform um, die Minderheitenrechte und Antragsbefugnisse der Abgeordneten verbesserte. Nach der Bundestagswahl 1972 beanspruchte die SPD als stärkste Fraktion sein Amt, doch blieb er vier Jahre Vizepräsident des Bundestages. Von 1973 bis 1981 wirkte er als Vorsitzender der Europäischen Union Christlicher Demokraten auf den Zusammenschluss der konservativen Parteien hin. Sein europäisches Engagement führte ihn 1979 für fünf Jahre in das erste Direktgeschäft Europaparlament, wo er der Europaflagge zum Durchbruch verhalf. Die internationale Verständigung wollte er durch politische Bildung, Kultur, Jugendarbeit fördern. Die Hermann-Ehlers-Stiftung geht auf ihn zurück, was in der CDU und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung keineswegs ungeteilte Zustimmung fand. Um allen Facetten Hassels gerecht zu werden, sein politisches Naturell, das vom evangelischen Glauben geprägte Weltbild, die kantige Rolle in der Partei, sein Handeln in Kabinetten, gegenüber Parlamentariern und Kirchenvertretern verstehen zu können, ist Einfühlungsvermögen und kritische Distanz nötig. Beides kommt zu kurz. Lange Zitate aus dem unveröffentlichten Manuskript seiner Erinnerungen, die er 1969 niederschrieb, machen das nicht wett. Letztlich hinterlassen fehlerhafte Angaben den Eindruck: Die Hassel-Biographie ist noch zu schreiben.

HANNS JÜRGEN KÜSTERS

Volker Koop: "Kai-Uwe von Hassel". Eine politische Biographie. Böhlau Verlag, Köln 2007. 318 S., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hanns Jürgen Küsters ist nicht wirklich überzeugt von Volker Koops Biografie des Politikers Kai-Uwe von Hassel. Zwar bescheinigt er dem Buch, zum zehnten Todestag die Erinnerung an die politische Leistung des pragmatischen Nachkriegspolitikers wachzuhalten. Ansonsten aber äußert er sich weitgehend kritisch. So moniert er, dass Koop das Bild eines politischen Visionärs entwirft, "der Hassel beileibe nicht war". Außerdem bleibt Hassels Haltung während des Nationalsozialismus in Küsters' Augen unklar. Generell hält Koop vor, die vielen Facetten von Hassels Persönlichkeit nicht angemessen zu beschreiben. Dafür nämlich fehlten dem Autor seines Erachten Einfühlungsvermögen einerseits und kritische Distanz andererseits. Schließlich hat er einige "fehlerhafte Angaben" zu beanstanden, so dass bei ihm der Eindruck entsteht: "Die Hassel-Biographie ist noch zu schreiben."

© Perlentaucher Medien GmbH