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Im 20. Jahrhundert gibt es mehr und mehr Künstlerpaare, bei denen beide Partner ein bedeutendes Werk geschaffen haben: Sophie Tauber und Hans Arp, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Frida Kahlo und Diego Rivera - diese Namen stehen stellvertretend für viele andere. Nicht wenige Paare werden erst heute von einem gröaeren Publikum entdeckt, da oftmals die Frau - obwohl künstlerisch ebenbürtig - von der Kritik totgeschwiegen oder schlichtweg vergessen wurde. Als Muse, Geliebte, Zuarbeiterin, Familienernährerin oder posthume "Denkmalpflegerin" sind die Frauen nicht selten "freiwillig" hinter…mehr

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Produktbeschreibung
Im 20. Jahrhundert gibt es mehr und mehr Künstlerpaare, bei denen beide Partner ein bedeutendes Werk geschaffen haben: Sophie Tauber und Hans Arp, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Frida Kahlo und Diego Rivera - diese Namen stehen stellvertretend für viele andere. Nicht wenige Paare werden erst heute von einem gröaeren Publikum entdeckt, da oftmals die Frau - obwohl künstlerisch ebenbürtig - von der Kritik totgeschwiegen oder schlichtweg vergessen wurde. Als Muse, Geliebte, Zuarbeiterin, Familienernährerin oder posthume "Denkmalpflegerin" sind die Frauen nicht selten "freiwillig" hinter ihre Männer zurückgetreten. Dieses Buch stellt in eindrucksvollen Kurzporträts Paare der modernen Kunst vor. Es geht der Frage nach, welche Vorstellungen und Verhaltensmuster für die Verbindung von Leben und Werk ausschlaggebend waren, welche Spuren sie im Werk hinterlassen haben. In den schön illustrierten Beiträgen werden nicht nur einzelne Paare vorgestellt, es geht auch um Arbeits- un d Beziehungsmuster und um die künstlerische Verarbeitung des Paar-Themas in all seinen Facetten und Spielarten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2001

W, 32, talentiert, sucht kunstvollen Lebenspartner
Das Paar als Installation: Wenn zwei sich streiten, freut sich die Wissenschaftlerin

Nicht erst Christo und Jeanne-Claude haben gezeigt, was man zu zweit zuwege bringen kann, ist man bloß einig, ausdauernd und hinreichend begabt. Aber avantgardistische Kunstpaare werden noch nicht lange beobachtet. Ende der siebziger Jahre und noch einmal 1990 widmete die Zeitschrift "Kunstforum International" ihnen zwei eigene Hefte. Parallel dazu gab es seit den achtziger Jahren analytisch besorgte Studien zur Lage der Liebe überhaupt. Meinungsführer (Beck/Gernsheim) fixierten das "ganz normale Chaos" der Szene: Wo einst Liebe war, soll konsumverschworene Partnerschaft werden; die kapitalstarke Individualisierung beider Geschlechter ist Wunsch und Bedingung zugleich für eine funktionierende zweite und dritte Moderne. Der (kultur)industrielle Wurm im Weichbild gesellschaftlichen Lebens? Walter Grasskamp sähe es so. Denn weniges paßt in die Szene derartiger Konditionierungen besser als das kreative Paar, das sich selbst als Produzent von (verkäuflicher) Bedeutung erfindet, jeden Partner marktmäßig dressiert, gleich weit entfernt von Kindersorgen wie von verstörendem Sexus und bürgerlichem Establishment, das doch als Käufer umworben wird.

Eine Utopie mit lange verborgenem Janusgesicht und qualvollem Werdegang. 1993 erschien in London eine Anthologie zum Thema "Creativity & Intimate Partnership": dreizehn Studien zu historischen Paaren aus Kunst und Literatur. Die beiden Herausgeberinnen Chadwick und Courtivron legten eine gemäßigt feministische Meßlatte an ihre Objekte. Produktion statt Reproduktion war mindestens ein Movens dieser Partnerschaften, hießen sie nun Claudel und Rodin, Delaunay, Kahlo und Rivera, Jasper Johns und Robert Rauschenberg. Fast überall war die Kooperation erkämpft, manchmal erst im Rückblick als Härte erkannt, oft um den Preis eines bequemen Lebens oder des Lebens überhaupt, doch immer im Clinch mit den Lüsten und Geltungsansprüchen von innen und außen. Wieviel einfacher hatten es da berühmte Brüderpaare wie die Grimms oder Arbeitsgemeinschaften ohne Reproduktionsbegehren.

Rechtsräume für Liebesträume

Der Wertekonflikt ist nicht ganz einfach zu analysieren, denn das Paar bildet - nicht nur quantitativ - einen sozialen Sonderfall. Wer die Paarszene betritt, findet oder fand sich jedenfalls bis vor kurzem noch in einem weitgehend rechtsfreien Raum, und dies mitten in der Gesellschaft. Wird dieser Raum nicht von Liebe und Takt erfüllt, so von Gewalt, denn aus Gleichgültigkeit zieht man nicht zusammen. Die Frage des Raumes stellt sich auch physisch. Liebe und Quadratmeterzahl stehen im umgekehrt proportionalen Verhältnis; je enger das Paar wohnen muß, desto mehr Liebe brauchte es und desto weniger hat es meist. Die Geschichte der romantischen Liebe könnte auch davon handeln.

Die zähen Kämpfe dagegen, die in den Vereinigten Staaten um Rechtlichkeit im Paarverhalten ausgefochten werden, sprechen von einer anderen Geschichte. Sie beweisen, daß mit der Liebe kein Staat zu machen und die Entwicklung der Partner zu (selbständig wirtschaftenden) Subjekten unerläßlich ist; zumindest in einer völlig außengeleiteten Gesellschaft. Denn erst so sind beide in Rechtsräumen angesiedelt, können Pflichten einklagen und Rechte ausüben.

Auch bei den Künstlerpaaren, den romantischen Urbildern, stellt sich die kernpolitische Frage nach den Machtverhältnissen und Aufgabenteilungen: Wer kümmert sich um die Kinder in guten wie in schlechten Zeiten, wer wäscht, wer kauft ein, wer erhält Zeit und Raum für sich alleine, wer das Geld, wer signiert die Werke, wann endlich tut und erhält jeder der beiden von allem etwas, und wann endlich nimmt die Kunstgeschichte das weibliche Werk zur Kenntnis, statt selber noch in der Rezeption die patriarchalen Muster zu reproduzieren? Diese Heuristik muß wohl noch immer gelehrt werden.

Renate Berger, Kunsthistorikerin an der Universität der Künste in Berlin, Vorkämpferin für die gerechtere Sicht auf "Malerinnen im 20. Jahrhundert" (1982), tritt mit ihrem Paare-Band noch einmal auf den Parcours feministischer Sorge. Denn so kompatibel die neue Legende vom produktiven Paar für die (Waren-) Gesellschaft von heute auch ist, in keiner Konstellation haben sich patriarchale Muster offenbar hartnäckiger gehalten als in der Künstlerehe. Ausnahmen wie das Ehepaar Modersohn bestätigen nur die Legende vom einsamen Genie, das in Wahrheit ganze Frauengruppen zwecks Werkschaffung um sich schart und bei Beschränkung auf eine Frau diese multipliziert: sie zum Modell, zur Muse, zur Sekretärin, Haushälterin, Mutter, Wirtschafterin und Nachlaßverwalterin macht (vergleiche Charlotte Behrend-Corinth).

So oder ähnlich finden wir es in Deutschland, Japan, Rußland, in den Vereinigten Staaten und bei den Franzosen, und hätte es der Verlag erlaubt, wäre sicher noch ein Kapitel über Italiener und Spanier zustande gekommen. Die Übersicht ist aber auch so reichhaltig genug, das aufwendige Suchen nach weiblichen Nachlässen beeindruckend: zu Lucia und László Moholy-Nagy, Dora Maar und Picasso, Leonora Carrington und Max Ernst, der Gontscharowa und Michael Larionow, Alexander Rodtschenko und der Stepanowa, Georgia O'Keeffe und Alfred Stieglitz und vielen anderen. Mit jedem dieser Paare im Blickwinkel dieses Buches verbinden sich Frauenkämpfe um Eigenkreativität und Anerkennung, der selbst die Frankfurter Schule vor einigen Jahren das Wort Liebe nicht mehr versagt hat (Axel Honneth).

Mit jedem dieser Paare aber wirft auch die Kunst selber ihr Los. Bergers Band fragt ausdrücklich nach dem "Paar im Bild" und folgt damit den kunsttheoretischen Prämissen der Vorurteilsbildung. Heraus kommt, daß gerade hier ganz geschlechtsspezifisch agiert wird: Der Mann stellt das Paar im Bild dar, die Frau räsoniert mit Worten darüber, schreibt Tagebücher, Erinnerungen und Romane. Und sicher mit Recht, denn im Bild findet die Frau sich ja seit Anfang der Malerei nur verklärt, nicht anders als die Diva in der großen Opernarie; wie soll sie sich also im Bild realistisch finden. Folgerichtig ist in diesem reinen Autorinnen-Buch auch nur etwa ein Viertel der rund einhundertsechzig gezeigten Bilder mit dem Paarmotiv befaßt. Als Rarität werden hier die Paarbilder der Studentin Hanna Nagel aus den späten zwanziger Jahren gezeigt, allesamt frech, nachdenklich und illusionslos das Geschlechterverhältnis bezeichnend; dazu als deren Gegenbild die beiden hinreißend zärtlichen Fotos von Max Ernst und Leonora Carrington.

Natürlich schafft die Lektüre Fragen. Funktionieren Akademikerpaare wirklich signifikant besser als Künstlerpaare? Und homosexuelle besser als heterosexuelle? Hätte die Frau ohne Emanzipationsdruck den Mann als Modell so verklärt wie er seinerseits sie? Und wenn die Frau als Muse verschwindet - ändert sich dann die Kunst? Sind Installationen und land art Folge von artistischer Partnerschaft? Und wenn die Frau aufsässig wird - schadet es männlicher Kunst? Für die Literatur ist ähnliches konstatiert worden; Dichter, von dichtenden Frauen bedrängt, schreiben anders, womöglich schlechter, wenn sich das Paar nicht überhaupt in Konkurrenzdramen aufreibt, wie die Studie über "Schreibende Paare" von Gerda Marko zeigt.

Marktgerechtes Doppel

Renate Berger und ihre Autorinnen wagen keine Prognose. Immerhin schließt der Band mit Ausblicken auf Paarungsmodelle von heute: den Klon am Horizont der Phantasmen. Im Sinnbild des Zwillings, heißt es nun, arbeiten Paare wie "Twin Gabriel", "Bigert & Bergström", "Christine & Irene Hohenbüchler" und viele andere im Gefolge der älteren "Gilbert & George", "Marina Abramovic/Ulay", "Eva & Adele", "Pierre & Gilles" und so fort. Der Zwilling hat in der Tat eine kunsthistorische Tradition. Er erinnert an die vielen Doppelgänger im Bild, besonders im Selbstbild. Er ist eine Chiffre des Narziß.

Die siamesische Lösung, die am Ende herauskommt - etwas zu wörtlich mit einem real verwachsenen Paar im Bild -, denkt nicht mehr laut an ein Liebes- oder Elternleben. Sie evoziert, was der Markt verlangt: ein von wilden Kindern, unordentlichen Lüsten und Anwandlungen gemeiner Konkurrenz gereinigtes kollegiales Produzieren und eher spielerisches Zusammenleben. Gewiß nicht ohne Charme und Bedeutung und allemal klug. Denn zu zweit lebt es sich gerade auch auf dem Markt sicherer als allein.

Derartige Paarbilder entschärfen zudem den Titel des Buches: "Liebe Macht Kunst" - denn Freundschaft, ohne groß geschriebenes M, macht Kunst. Aber macht sie wirklich Kunst - oder doch eher (Kunst-)Gewerbe? "Was viele begabte Frauen leisten und werden könnten, wenn sie häufiger die Chance hätten, auf talentierte, aber menschlich unkomplizierte Partner zu treffen" - diesen Stoßseufzer auf Seite 432 äußern beide Geschlechter vermutlich täglich. Solch ein Paar im avantgardistischen Bild dürfte zur Karikatur werden. Aber Leben und Kunst stehen in diesem Diskurs gnädig weit auseinander.

CLAUDIA SCHMÖLDERS

Renate Berger (Hrsg.): "Liebe Macht Kunst". Künstlerpaare im 20. Jahrhundert. Böhlau Verlag, Köln 2000. 455 S., Abb., geb., 68,- DM.

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"Kunstgeschichte ist immer auch Sozialgeschichte. Die Bedingungen, unter denen Kunst entsteht, sind im Großen und Ganzen die gleichen, unter denen überhaupt in einer Gesellschaft produziert wird. Sie ändern sich im Verlauf der Geschichte und sind für Männer und für Frauen höchst unterschiedlich. Hier setzt die Berliner Kunsthistorikerin Renate Berger an. In dem von ihr herausgegebenen Buch über Künstlerpaare "Liebe macht Kunst" untersuchen mehrere Autorinnen die Arbeits- und Beziehungsmuster von Künstlern und Künstlerinnen im 20. Jahrhundert." (die tageszeitung)"Renate Berger, Kunsthistorikerin an der Hochschule der Künste in Berlin, Vorkämpferin für die gerechtere Sicht auf "Malerinnen im 20. Jahrhundert" (1982), tritt mit ihrem Paare-Band noch einmal auf den Parcours feministischer Sorge. Die Übersicht ist reichhaltig, das aufwendige Suchen nach weiblichen Nachlässen beeindruckend, etwa zu Lucia und Lßszló Moholy-Nagy, Dora Maar und Picasso, Leonora Carrington und Max Ernst, die Goncarova und Michael Larionov, Aleksandr Rodcenko und die Stepanova, Giorgia O'Keeffe und Alfred Stieglitz und vielen anderen." (literaturkritik.de)"Die Kurzporträts beziehen etliche berühmte Paare der modernen Kunst ein und vermitteln ein lebhaftes Bild von der Verbindung Kunst und Leben und deren Auswirkungen im 20. Jahrhundert." (ekz-informationsdienst)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Es braucht nicht viel Feminismus, so könnte man Claudia Schmölders einleitende Bemerkungen zusammenfassen, um zu erkennen, dass die Utopie des Künstlerpaares zumeist auf Kosten der Frau gegangen ist - und geht. "In keiner Konstellation haben sich patriarchale Muster offenbar hartnäckiger gehalten als in der Künstlerehe", stellt sie fest. Und das, wie dieser Band bestätigt, nicht nur im privaten, sondern auch in der Kunst der Künstlerpaare. Ein Aufsatz zum Thema "Paar im Bild" zeigt, dass es der Mann ist, der die Frau (sie und die Paarbeziehung verklärend) ins Bild setzt, die Frau hingegen "räsoniert mit Worten darüber, schreibt Tagebücher, Erinnerungen und Romane". Schmölders fragt sich, angeregt durch die Lektüre des Bandes, was aus dem Künstler-Mann wohl werden soll, wenn ihm die Muse, endlich emanzipiert, abhanden kommt. "Und wenn die Frau aufsässig wird - schadet es männlicher Kunst?" Das Buch, so die Rezensentin, lässt keine Prognose zu, laufe aber auf eine dem Markt angepasste neue Utopie zu, die eines "von wilden Kindern, unordentlichen Lüsten und Anwandlungen gemeiner Konkurrenz gereinigten kollegialen Produzierens und eher spielerischen Zusammenlebens". Sehr realistisch, da wird man Claudia Schmölders zustimmen, ist das freilich nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH"