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"Der palästinensische Dashiel Hammett"
L'Express
Omar Jussuf ist Geschichtslehrer für muslimische und christliche Kinder in Bethlehem, ein aufgeklärter, aber auch streitbarer Mann, den seine Vorgesetzten lieber heute als morgen im Ruhestand sehen möchten. Die christliche Minderheit schmilzt immer mehr zusammen, und gerade als Omar Jussuf sich dazu durchgerungen hat, mehr Abstand von der Schule zu gewinnen, wird einer seiner ehemaligen Lieblingsschüler verhaftet. George Saba, ein Christ, soll als Kollaborateur an einem Attentat auf einen führenden palästinensischen Widerstandskämpfer…mehr

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Produktbeschreibung
"Der palästinensische Dashiel Hammett"

L'Express

Omar Jussuf ist Geschichtslehrer für muslimische und christliche Kinder in Bethlehem, ein aufgeklärter, aber auch streitbarer Mann, den seine Vorgesetzten lieber heute als morgen im Ruhestand sehen möchten. Die christliche Minderheit schmilzt immer mehr zusammen, und gerade als Omar Jussuf sich dazu durchgerungen hat, mehr Abstand von der Schule zu gewinnen, wird einer seiner ehemaligen Lieblingsschüler verhaftet. George Saba, ein Christ, soll als Kollaborateur an einem Attentat auf einen führenden palästinensischen Widerstandskämpfer beteiligt gewesen sein. Jussuf kann nicht glauben, daß Saba "der Verräter von Bethlehem" sein soll. Als niemand das geringste Interesse daran zeigt, die Wahrheit ans Licht zu bringen, beginnt der Lehrer auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei ist er alles andere als ein Held, ihn plagen Rückenschmerzen, ihm zittern die Hände, und besonders waghalsig war er noch nie. Die Morde aber gehen weiter, und Jussuf kämpft mit aller Kraft, damit kein Unschuldiger verurteilt wird. Vor einem politisch brisanten Hintergrund entspinnt Matt Beynon Rees eine tragische Geschichte, die uns am palästinensischen Alltag teilhaben läßt. Besatzung, Korruption und Selbstmordattentate zwischen bewaffneten Banden sind hier Normalität. Rees verbindet in seinem literarischen Debüt einen packenden Kriminalfall mit der Schilderung des Lebens in Bethlehem und stellt mit Omar Jussuf den ersten palästinensischen Ermittler in der Literatur vor. "Der Verräter von Bethlehem" wurde in viele Länder verkauft und mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Omar Jussufs erster Fall, dem noch weitere folgen werden, ist ein Roman über den Kampf um Menschlichkeit in einer von Gewalt bedrohten Welt.
Autorenporträt
Matt Beynon Rees wurde in South Wales geboren. Bis vor kurzem war er der Jerusalemer Bürochef für die "Time", für die er weiterhin schreibt. Er spricht u.a. Arabisch und Hebräisch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.2008

Jesus kam nicht bis Bethlehem

Ein Detektivroman als Nachhilfeunterricht: Matt Beynon Rees hat mit Omar Jussuf, der den "Verräter von Bethlehem" stellen will, einen Humanisten ins Krisengebiet eingeschleust.

Das Auge schießt immer mit. Ermittler wie Commissario Brunetti oder Kurt Wallander verdanken ihre Beliebtheit auch dem Umstand, dass sie in touristisch attraktiver und politisch aufgeräumter Umgebung Verbrecher jagen. Je aufgeklärter und kommoder die Verhältnisse, desto spektakulärer kann der Aufklärer Schmutz unter dem demokratischen Teppich hervorkehren. Insofern ist es schon ziemlich mutig, Bethlehem zum Schauplatz eines Kriminalromans zu machen: Es gibt im Westjordanland genug öffentliche, politisch motivierte Gewalt, als dass wir noch gewöhnlichen Mord und Totschlag brauchten.

Aber Omar Jussuf, der "erste palästinensische Ermittler in der Literatur", ist ja auch kein normaler Privatdetektiv und "Der Verräter von Bethlehem" kein genretypischer Krimi. Matt Beynon Rees, lange Jahre britischer "Time"-Korrespondent in Jerusalem, benutzt die Form nur, um seine Erfahrungen mit und Ansichten über Wurzeln und Hintergründe des Nahost-Konflikts auf unterhaltsame, spannende Weise an seine - wohl eher westlichen - Leser zu vermitteln. Das ist legitim und über weite Strecken auch tatsächlich gelungen. "Der Verräter von Jerusalem" stellt eine kenntnisreiche Milieustudie dar, was mehr ist als nur eine dramatisierte Reportage. Man lernt beiläufig viel über das schwierige Verhältnis von Muslimen, Christen und Juden rund um die Geburtskirche, über die Rolle der Familienclans im Westjordanland und die Ausbildung von Selbstmordattentätern, über die Machtkämpfe zwischen Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden und Regierung. Rees kennt die Atmosphäre permanenten Terrors und kann eindrucksvoll vom Alltag zwischen den Scharfschützen der israelischen Armee und den Scharfmachern des palästinensischen "Freiheitskampfes" erzählen, von Menschen, die getrieben sind von ohnmächtiger Wut, Stolz, Angst und Resignation und sich im Grunde nur nach ein bisschen Frieden, Liebesabenteuern, einem guten Geschäft oder einem Gespräch unter Freunden sehnen.

In den Stärken des Romans liegt freilich auch der Keim seiner Schwächen. Rees sortiert die unübersichtlichen Fronten, bringt Ordnung in die Hölle, aus der einst der Erlöser hervorging - aber nur um den Preis von Schwarzweißzeichnungen. Die "großen Kämpfer für die palästinensische Freiheit" sind fast allesamt großmäulige Feiglinge, Machos, schäbige kleine Gangster, die mit Kalaschnikows und dicken Autos prahlen, Schutzgeld erpressen, Ehrenmorde verüben und sich als Erste aus dem Staub machen, wenn die Israelis mit Bulldozern und Hubschraubern anrücken.

Omar Jussuf dagegen, Geschichtslehrer an einer Schule für christliche und muslimische Kinder, ist in einer Stadt voller Korruption, Lüge und Verbrechen der einzige anständige Kerl. Äußerlich macht der Mittfünfziger wenig her: ein ausgebrannter Lehrer mit Tweedjackett, chronischen Rückenschmerzen und den zitternden Händen des Exalkoholikers. Moralisch aber ist Abu Ramis ein Riese: ein Lehrer und Kämpfer, den nur die Gewissheit, dass er im Leben seiner Schüler "Spuren hinterlassen hatte, ihnen Wissen, Lebensweisheit und Güte beigebracht hatte, vor völliger Verzweiflung" bewahrt. Eigentlich hat er mit seinem Beruf und seiner Heimatstadt schon abgeschlossen; aber als nach dem Mord an einem Märtyrerbrigadisten George Saba, sein christlicher Lieblingsschüler, als Kollaborateur verdächtigt, gefoltert und schließlich gelyncht wird, überwindet er Müdigkeit und Angst und beginnt Fragen zu stellen. War es eine interne Abrechnung, ein israelischer Agent, eine Familienfehde? Die Zeit drängt, aber Abu Ramis hat immer Zeit für ein Schwätzchen mit seiner Enkelin, einen Besuch in der Höhle des Löwen, eine Geschichtsnachhilfestunde über den arabischen Aufstand von 1936. Am Ende haben wir viel über die zweite Intifada erfahren und die Lösung des whodunnit-Rätsels fast aus den Augen verloren.

Störender aber ist die moralische Selbstgerechtigkeit Omar Jussufs wie des Autors. Mal wütend, mal melancholisch, aber immer furchtlos wettert der pädagogische Detektiv gegen die Phrasen der Hassprediger, gegen ihre "unqualifizierten, einfältigen und gewaltbereiten" Sprüche von Ehre und Märtyrertum, gegen "die korrupten Banden in der Regierung", gegen eine ignorante, intolerante Gesellschaft überhaupt. Rees schont auch amerikanische UN-Mitarbeiter nicht; aber sein Blick auf die Misere ist durchaus westlich. Omar Jussuf, der aufgeklärte Muslim, will seine Schüler zum "kritischen Hinterfragen", zu "selbständig denkenden Außenseitern" erziehen; sie sollen gefälligst lernen, dass die Helden des Widerstands Verbrecher sind, und Steine lieber auf ihre Eltern und die Regierung als auf die israelischen Soldaten werfen. Wer die politisch korrekte "Vernunft" so von oben herab herbeizwingen will, wer immer nur von seiner "zerstörten Hoffnung und beschmutzten Güte" spricht, ist vielleicht doch nicht der richtige Nahost-Vermittler und jedenfalls kein guter Detektiv. Was dem Friedensprozess nutzt, frommt der Krimi-Logik noch lange nicht: Der "Dashiell Hammett von Palästina" ist jedenfalls kein Graham Greene der Westbank. "In Palästina gibt es keine guten Ermittler", sagt der zynische Polizeichef einmal zu seinem dauererregten Duzfreund. "Das Leben ist Terror, also erspar mir deine Entrüstung. Das Leben ist ein einziger Einbruch in unsere Verteidigungslinien."

Rees hat bereits einen zweiten Omar-Jussuf-Roman über einen Fall im Gazastreifen abgeschlossen; vier weitere sollen noch folgen. Der Stoff wird ihm so leicht nicht ausgehen. Solange im Nahen Osten Blut fließt, hat der alte Geschichtslehrer gute Gründe für seine zornigen Gardinenpredigten: Wo Jesus geboren wurde, lebt sein Geist schon lange nicht mehr. "Alle in diesem Buch beschriebenen Verbrechen haben sich wirklich in Bethlehem zugetragen", schreibt Rees in einer Vorbemerkung. Die Namen und Umstände habe er geändert; aber "diejenigen, die dabei ums Leben kamen, sind in jedem Falle tot".

MARTIN HALTER.

Matt Beynon Rees: "Der Verräter von Bethlehem. Omar Jussufs erster Fall". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Sigrid Landhäuser. C.H. Beck Verlag, München 2008. 327 S., geb. 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mut attestiert Martin Halter dem Autor Matt Beynon Rees. Immerhin gibt es in Bethlehem genug offene Gewalt, als dass gewöhnlicher Mord an diesem Schauplatz noch von Interesse wäre. Doch Halter stellt schnell fest: Keinen gewöhnlichen Krimi, keinen normalen Ermittler hat Rees hier in die Welt gesetzt, sondern sozusagen bloß einen Vorwand, um dem "wohl eher westlichen Leser" unterhaltsam die Hintergründe des Nahostkonflikts zu vermitteln. Für Halter geht das in Ordnung. Rees lobt er als einen Kenner des Milieus, der dem Leser viel über die schwierige religiöse Gemengelage und das Leben mit dem Terror in und um Bethlehem beizubringen vermag. Ordnung in dieses Chaos zu bringen, bedeutet für Halter in diesem Falle allerdings auch, schwarzweiß zu malen, Figuren und Moral betreffend. Dies und der Umstand, dass dem Autor darüber die Handlung und Logik seines Whodunnits aus dem Blick geraten, lassen Halter schließlich doch Zweifel hegen an der Güte des Romans.

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