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Der bekannte Kirchenhistoriker Hubert Wolf erlaubt in diesem Buch erstmals einen Blick hinter die Kulissen des berühmt-berüchtigten "Index der verbotenen Bücher". Er beschreibt, welche Schriften verurteilt wurden und warum selbst die Bibel verboten sein konnte. Die höchst anschaulich erzählten Beispielfälle vermitteln einen lebendigen Eindruck von der Arbeit der Zensoren - und von dem kriminalistischen Spürsinn, den es erfordert, um den jahrhundertelang verschlossenen Archiven ihre Geheimnisse zu entlocken.
Das Christentum ist eine Buchreligion - und doch oder gerade deshalb verbrennt es
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Produktbeschreibung
Der bekannte Kirchenhistoriker Hubert Wolf erlaubt in diesem Buch erstmals einen Blick hinter die Kulissen des berühmt-berüchtigten "Index der verbotenen Bücher". Er beschreibt, welche Schriften verurteilt wurden und warum selbst die Bibel verboten sein konnte. Die höchst anschaulich erzählten Beispielfälle vermitteln einen lebendigen Eindruck von der Arbeit der Zensoren - und von dem kriminalistischen Spürsinn, den es erfordert, um den jahrhundertelang verschlossenen Archiven ihre Geheimnisse zu entlocken.

Das Christentum ist eine Buchreligion - und doch oder gerade deshalb verbrennt es Bücher: die Heilige Schrift genauso wie medizinische, juristische, naturwissenschaftliche, belletristische, klassische, theologische und philosophische Literatur. Das Medium Buch ist so gefährlich, daß sich die kirchliche Autorität lange nur mit Bücherverboten zu helfen wußte. Im Vatikan lagert dazu eine Fülle von höchst aufschlußreichem Material: ein einmaliges Archiv neuzeitlicher Wissenskultur mit negativem Vorzeichen. Hubert Wolf leitet eine Forschungsgruppe, die erstmals die geheimnisumwitterten Unterlagen systematisch erforscht. In diesem Buch teilt er seine Ergebnisse und Funde einer breiteren Leserschaft mit. Er bietet einen Überblick über Entstehung, Geschichte und Arbeitsweise der Indexkongregation und beschreibt, wie Bücher in ihr Visier gerieten, wer die Zensoren waren, die die "gefährlichen" Bücher lasen, und welche Folgen eine Verurteilung hatte. Nicht zuletzt erzählt er von überraschenden Prozessen und Urteilen, etwa gegen den Knigge und Onkel Toms Hütte, gegen Leopold von Rankes Papstgeschichte oder Werke von Heinrich Heine und Karl May. Hubert Wolf hat sich in den unübersichtlichen geheimen Archiven als hochbegabter Kriminalist erwiesen. In diesem Buch zeigt er, daß er obendrein die Begabung eines wahren Krimi-Autors hat.

Rezension
"Hubert Wolf knackt erstmals die Geheimnisse der römischen Inquisition." Frankfurter Allgemeine Zeitung
Autorenporträt
Hubert Wolf, geboren 1959, ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster. Er wurde u. a. mit dem "Leibnizpreis" der DFG, dem "Communicator- Preis" und dem "Gutenberg-Preis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2006

Lesen Sie Heine? Gott bewahre!
Aber Ranke kenne ich aus Rezensionen: Hubert Wolfs Werkstattbericht der römischen Buchzensur

Was haben Adolph Freiherr von Knigge, Johann Michael Sailer, Heinrich Heine, Leopold von Ranke, Harriet Beecher-Stowe und Karl May gemeinsam? Gegen sie alle - gegen den Philosophen der Benimmkunst, den Theologen, den Dichter und politischen Satiriker, den Historiker, die Kämpferin für die Freiheit der amerikanischen Sklaven und den Jugend- und Abenteuerromancier - lagen Anklagen vor der römischen Indexkongregation vor.

Werke dieser Autoren sollten auf das berühmt-berüchtigte Verzeichnis verbotener Bücher gesetzt werden, weil sie angeblich gefährliche, den Dogmen der römisch-katholischen Kirche in zentralen Punkten widersprechende Inhalte verbreiteten. Eine Indizierung hatte zur Folge, daß Katholiken bei Strafe der Exkommunikation verboten war, das inkriminierte Werk zu lesen, ja nur zu besitzen.

Mehr als vierhundert Jahre - vom ersten Index Papst Pauls IV. 1559 bis zur sang- und klanglosen Aufhebung des Index durch Papst Paul VI. im Dezember 1965 - galt diese Sanktion. Aus welcher Lektüre sich die Katholiken die Welt erklären durften, beanspruchte die römische Zentrale vorzuschreiben. Seit 1571 wirkte zu diesem Ziel in Rom die "kleine Schwester" der Heiligen Römischen und Universalen Inquisition: die Indexkongregation.

Höchste Geheimhaltung.

Freilich wurden von den obengenannten Autoren dann nur Heine und Ranke tatsächlich indiziert - die "Reisebilder" und "Neuen Gedichte" des einen, die "Geschichte der Päpste" des anderen. Moral- und politische Vorstellungen des prominentesten Vertreters des "Jungen Deutschland" galten den Herren der Restaurationszeit als inakzeptabel, und möglicherweise steckte kein anderer als der österreichische Staatskanzler Metternich hinter der Denunziation Heines in Rom.

Ranke schließlich, ein preußisch-protestantischer Geschichtsschreiber der Päpste, unterwarf die Geschichte der Nachfolger Petri unzulässigerweise dem historistischen Entwicklungsgedanken. Oder gelangte sein Werk 1841 doch nur aufgrund der geschickt eingefädelten Intrige des deutschen Indexkonsultors Augustin Theiner in das Verzeichnis der verbotenen Bücher? Denn ein erstes Verfahren gegen Rankes Papstgeschichte war 1838 ohne Verurteilung eingestellt worden, weil ein kluger Gutachter die epochale Bedeutung des Buches erkannte und sich im Geflecht von Verfahrensordnung und Personenkonstellation innerhalb der Indexkongregation ebenso virtuos durchzusetzen vermochte wie drei Jahre später der Konsultor Theiner, wenn auch mit diametral entgegengesetztem Ergebnis.

Von Verfahren wie denjenigen gegen Heine und Ranke wußte die Welt bisher lediglich das Ergebnis, denn die Indexkongregation arbeitete "sub secretum Sanctii Officii", unter allerhöchster Geheimhaltungsstufe. Durch "Bando" (Aushang) an den Kirchen und öffentlichen Gebäuden Roms feierlich verkündet wurden lediglich die Indizierungen; über deren Motive, geschweige denn über Verfahrenseinzelheiten drang nichts nach außen. Mindestens ebenso interessant wie die mit Verbot abgeschlossenen sind darüber hinaus die Verfahren, die entweder bereits bei einer Vorprüfung oder nach ordentlicher Verhandlung mit "Freispruch" endeten. Unter diesen niemals bekanntgegebenen "nicht zensurwürdigen" Autoren und Werken finden sich manche Überraschungen: Knigge etwa, Beecher-Stowes "Onkel Toms Hütte" oder das spiritistische-mystisierende Spätwerk Karl Mays.

Erst 1998 öffneten sich die Türen zu diesem Panoptikum europäischen Geistes, gespiegelt im Koordinatensystem des römisch-katholischen Dogmas, von A wie "Lord Acton" bis Z wie "Émile Zola". Zusammen mit dem Archiv der römischen Inquisition gab der damalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Joseph Kardinal Ratzinger, auch das Archiv der Indexkongregation für die Forschung frei und gewährte Zugang zu einem der bestgehüteten und geheimnisumwittertsten Archivschätze der Welt.

Seither beackern Hubert Wolf und seine Mitarbeiter mit unermüdlichem und mittlerweile mehrfach prämiertem Fleiß diesen Bestand. Ende vergangenen Jahres präsentierte die Gruppe ihre achtbändige "Grundlagenforschung" zur Geschichte der Buchzensur zwischen 1814 und 1917 (F.A.Z. vom 3. Dezember 2005). Aus diesem schier unerschöpflichen Quellenschatz legt Wolf nun eine knappe Geschichte des Index und der römischen Indexkongregation vor. Eingerahmt von jeweils einem Kapitel zur Entstehung und Frühgeschichte des Index zwischen dem sechzehnten und achtzehnten Jahrhundert sowie zum Ende unter Papst Paul VI., schildert Wolf neun "Fälle" aus dem neunzehnten Jahrhundert, neben den bereits angesprochenen diejenigen des württembergischen Theologen Johann Sebastian Drey, des ironischerweise selbst mit einem frühen Werk auf dem Index gelandeten Ranke-Zensors Augustin Theiner sowie des zum Altkatholizismus übergetretenen Bonner Alttestamentlers Franz Heinrich Reusch.

Das höchst anschaulich geschriebene Buch ist ein Lehrstück zur Geistes- und Institutionengeschichte der Frühen Neuzeit und des neunzehnten Jahrhunderts, nicht nur, weil es den Blick dafür vermittelt, daß Wissenszensur kein alleiniges Thema der katholischen Kirche war, wenngleich vielleicht keine Institution derart umfassend beanspruchte, das jeweils verfügbare Wissen zum geistigen und geistlichen Schutz der eigenen Klientel zu filtern. Vor allem bezieht Wolfs Buch seine Lebendigkeit aus dem Umstand, daß seine Quellen nun die Akteure greifbar werden lassen, jene Personen - Konsultoren, Sekretäre, Kardinäle -, die eine kuriale Behörde wie die Indexkongregation formten und mit Leben erfüllten. Hier zeigt sich, daß auch in diesen mythenumwobenen Korporationen der menschliche Faktor nicht zu gering zu veranschlagen war: Intransigente Eiferer wirkten stets neben offeneren Geistern, mediokre neben wahrhaft großen Intellektuellen, Liberale neben Konservativen, Intriganten neben Streitern mit offenem Visier.

Verfahrenes Verfahren.

Sie alle wurden jedoch, zumindest in der Theorie, und in den weitaus meisten Fällen wohl auch real, diszipliniert durch eine klare Verfahrensordnung. Daß es überhaupt ein geordnetes Verfahren gab, zählt ja zu den großen behördengeschichtlichen Neuerungen der Frühen Neuzeit, und die Geschäftsordnungen der kurialen Kongregationen, allen voran des Heiligen Offiziums, dürfen für diese Entwicklung als richtungweisend gelten, unabhängig davon, ob diese Verfahren Anforderungen der Moderne, etwa nach Öffentlichkeit, erfüllten. Das reglementierte Verfahren der Indexkongregation mit Vor- und Hauptermittlung, schriftlichen Gutachten, Konsultorenversammlung, Kardinalskongregation und schließlicher Approbation durch den Papst schloß normalerweise Willkür aus und verhinderte beispielsweise eine Indizierung von Werken wie Knigges Benimmbuch oder "Onkel Toms Hütte" allein aufgrund oftmals hanebüchener Kriterien einzelner Denunzianten.

Auch der römische Index der verbotenen Bücher war kein ewig sich gleichbleibender Monolith; auch er unterlag dem Gesetz des Wandels. Am Ende behielt Ranke, der Indizierte, recht. War die Kongregation ursprünglich geschaffen worden, um vor dem Hintergrund der durch die Reformation ausgelösten Defensive der katholischen Kirche das neue, revolutionäre Medium Buch im Sinne einer Totalbeherrschung allen in dieser neuen Form verbreiteten Wissens zu kontrollieren, stellte sich bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts unabweisbar deutlich heraus, wie utopisch dieses Ziel war.

Ausgerechnet die Beschäftigung eines als Hardliner geltenden Zensors mit einem Werk eines Apostaten, des Altkatholiken Franz Heinrich Reusch, über den Index und seine Fehler mündeten in die bedeutendste Reform des Index unter Leo XIII. von 1898 - auch dies eine jener der an Ironien nicht armen Geschichte des Index: Der unerbittliche Zensor ließ sich vom wissenschaftlichen Wert des Werkes eines "Abtrünnigen" überzeugen. Fortan sollte die Indexkongregation sich auf die Kontrolle der theologischen Literatur als einer Art "Kerngeschäft" konzentrieren. Doch auch dieser Anspruch erwies sich im zwanzigsten Jahrhundert als uneinlösbar. Paul VI. gestattete nur noch "Mißbilligung" von Büchern, nicht mehr deren Verbot. Irrlehren sollten künftig durch die Macht des "besseren Arguments" erledigt werden. Damit war die katholische Kirche in der diskursiven Moderne angekommen.

THOMAS BRECHENMACHER.

Hubert Wolf: "Index". Der Vatikan und die verbotenen Bücher. Verlag C. H. Beck, München 2006. 303 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].

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'Hubert Wolf knackt erstmals die Geheimnisse der römischen Inquisition.' Frankfurter Allgemeine Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

In seinem Buch über den vatikanischen Index räumt Hubert Wolf gründlich mit einigen "pseudohistorischen Schauergeschichten" auf, stellt Hansjakob Strehle fest, der nichtsdestotrotz zahlreiche "groteske und banale" Episoden aus der Geschichte der kirchlichen Zensur darin gefunden hat. In dem hebe Wolf neun von insgesamt über tausend Autoren besonders hervor, die den Glaubenswächtern ein Dorn im Auge waren, informiert Strehle, darunter Heinrich Heine für seine "gotteslästerlichen Werke", Leopold von Ranke für seine "mit tückischer List" geschriebene Geschichte der römischen Päpste und - man wundere sich - der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg für sein "Der Mythus des 20. Jahrhunderts", wie Strehle zitiert. Hitler selbst, Mussolini, Lenin oder Stalin suche man aber vergeblich auf dem Index. Immerhin: Karl Mays "Winnetou" fand der Vatikan nicht schlimm genug, um ihn zu indizieren. Mit viel "Forscherfleiß" habe sich Wolf an die Akten gemacht, lobt Strehle, und alles sehr gründlich dokumentiert.

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