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Der Eugen Diederichs Verlag zählte unter der Leitung seines Gründers und Namensgebers in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu den führenden Kulturverlagen Deutschlands. Bücher und Zeitschriften wie etwa Die TAT wurden zu einflussreichen Institutionen der konservativen und demokratiekritischen Kräfte der Weimarer Republik. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung agierte der Verlag dank seines umfangreichen Bestandes an ideologiekonformer Literatur weiterhin mit großem Erfolg auf dem deutschen Buchmarkt. Die Versuche des Verlages, nach Ende des Kriegs und unter sowjetischer…mehr

Produktbeschreibung
Der Eugen Diederichs Verlag zählte unter der Leitung seines Gründers und Namensgebers in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu den führenden Kulturverlagen Deutschlands. Bücher und Zeitschriften wie etwa Die TAT wurden zu einflussreichen Institutionen der konservativen und demokratiekritischen Kräfte der Weimarer Republik. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung agierte der Verlag dank seines umfangreichen Bestandes an ideologiekonformer Literatur weiterhin mit großem Erfolg auf dem deutschen Buchmarkt. Die Versuche des Verlages, nach Ende des Kriegs und unter sowjetischer Besatzung an die früheren Erfolge anzuknüpfen, scheiterten jedoch. Florian Triebel untersucht die Geschichte des Verlages im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft und kulturellem Anspruch. Er schildert eindringlich, in welcher Weise die jeweiligen politischen Rahmenbedingungen die Strategien und Entscheidungen des Verlages beeinflusst haben.
Autorenporträt
Florian Triebel, geboren 1968, hat das Feld "Unternehmensgeschichte" im BMW Group Archiv aufgebaut. Seit 2007 ist sie zuständig für Strategie und Planung BMW Group Classic.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.11.2004

Deutsche Reihe
Florian Triebel über die freiwillige Gleichschaltung des Diederichs-Verlags
Der Eugen Diederichs Verlag wurde 1896 von dem gleichnamigen Verlagsbuchhändler in Florenz gegründet, bereits ein Jahr später nach Leipzig, 1904 nach Jena und 1948 nach Düsseldorf verlegt. Bis zum Tod des Firmengründers im Jahr 1930 gehörte er zu den führenden Kulturverlagen Deutschlands, änderte aber unter seinen beiden Söhnen Niels und Peter seine unternehmerische Strategie grundlegend: Das Programm wurde konservativer, gegen die Weimarer Republik gerichtet, als ob die Verantwortlichen das Aufkommen des Nationalsozialismus nicht nur geahnt, sondern sogar begrüßt hätten.
Im Zentrum des Buches von Florian Triebel zur Geschichte dieses Verlages stehen die Jahre 1933 bis 1945 - ein Lehrstück für die politische Willfährigkeit deutscher Verleger, die sich darin kaum von anderen Unternehmern unterschieden. Wenn die Verantwortlichen jedoch gehofft hatten, nach Kriegsende in der Sowjetischen Besatzungszone an ihr früheres Kulturprogramm anknüpfen zu können, so täuschten sie sich. Sie zogen schon bald aus den Schwierigkeiten mit der sowjetischen Militäradministration die Konsequenzen und siedelten in den Westen über, wobei sie ihren Umzug klug vorbereiteten und ihre Rechte transferieren konnten. Im Jahr 1988 übernahm der Heinrich Hugendubel Verlag in München die Firma, sodass heute vom alten Diederichsschen Glanz nur noch der Name erhalten ist.
Das Firmenarchiv, das aus Korrespondenzen mit den Autoren, Werbebriefen, Korrekturbüchern, Rezensionen, Rechnungsbüchern und Ähnlichem besteht, ist in großen Teilen erhalten, aber an mehreren Orten deponiert: im Deutschen Literaturarchiv in Marbach, in der Thüringischen Landes- und Universitätsbibliothek Jena, als Teil des Firmenarchivs Hugendubel in München sowie als Familienarchiv im Besitz eines Enkels des Firmengründers, des Verlegers und Buchwissenschaftlers Ulf Diederichs.
Der Historiker Triebel bekam zu allen Quellen ungehinderten Zugang; seine Arbeit fällt gleichermaßen umfassend wie kohärent aus. Er kann zeigen, wie der Verlag sich freiwillig gleichschaltete und seine Produktion entsprechend einrichtete: Missliebige Autoren wurden aus dem Programm genommen - beispielsweise Henri Bergson wegen seiner jüdischen Abkunft -, völkische Titel bevorzugt. Dabei wurde dem Grenz- und Auslandsdeutschtum unter Einschluss der germanischen „Verwandten” wie der Flamen und Niederländer besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wohlfeile Serien wie die „Deutsche Reihe” mit Titeln von Paul de Lagarde, Lulu von Strauß und Torney, Hans Naumann, Agnes Miegel, Otto Gmelin, aber auch Strophen aus der „Edda” oder die Gedichtsammlung „Volk an der Arbeit” wurden in hoher Zahl aufgelegt, im Krieg das Militär mit Unterhaltungsliteratur versorgt.
Besonders gut kann man den Wandel der Diederichsschen Verlagspolitik am Beispiel von „Die TAT. Monatsschrift zur Gestaltung neuer Wirklichkeit” verfolgen. Die konservative Zeitschrift erschien von 1929 an unter der Leitung von Hans Zehrer, dem Führer des so genannten TAT-Kreises, der einen autoritären Kurs steuerte, was jedoch Angriffe gegen Hitler nicht ausschloss. Um den nationalsozialistischen Machthabern keine Handhabe zur Intervention in die Belange
des Verlags zu liefern, wurde Zehrer 1933 abgesetzt und durch die Doppelspitze Giselher Wirsing und Ernst Wilhelm Eschmann ersetzt. Der Untertitel „Unabhängige Monatsschrift” wurde mit dem 27. Jahrgang in „Deutsche Monatsschrift” abgeändert.
Ein anderes Lehrstück ist die Zusammenarbeit mit Himmler und dem „Ahnenerbe der SS e.V.”. Wenngleich die von dem obskuren Urgeschichtler Herman Wirth geplanten Projekte - „Licht des Nordens” und eine Zeitschrift „Forschungen zur Geistesurgeschichte” - nicht realisiert wurden, erschienen 1934 eine Arbeit des denkverwandten Externstein-Forschers Wilhelm Teudt und 1936 ein Band des Wirth-Jüngers Hans Christoph Schöll.
Lässt man das Panorama der Diederichsschen Erfolgsautoren passieren, stößt man auf Namen, die heute kaum noch jemand kennt, Erich Edwin Dwinger, Josefa Berens-Totenohl, Svend Fleuron, Grigol Robakidse oder Ottfried Graf Finkenstein. Triebels Untersuchung stellt somit auch einen wichtigen Beitrag zur europäischen Literaturgeschichte in der Nähe von „Blut und Boden” dar. Doch wer sich für Firmengeschichte unter betriebswirtschaftlichen Aspekten interessiert, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Eine besondere Bereicherung bilden die Buchfaksimiles, die bereits optisch den Wandel der Verlagsproduktion im Gefolge des Nationalsozialismus belegen und die Spannung von „Kultur und Kalkül” eindringlich nachzeichnen.
FRANK-RUTGER HAUSMANN
FLORIAN TRIEBEL: Der Eugen Diederichs Verlag 1930-1949. Ein Unternehmen zwischen Kultur und Kalkül. Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Band 13. Verlag C. H. Beck, München 2004. 460 Seiten, 68 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein Lehrstück über die politische Willfährigkeit deutscher Verleger ist diese Untersuchung des Eugen Diederichs Verlags, meint ein überzeugter Frank-Rutger Hausmann. Bis zum Tod des Gründers und Namensgebers im Jahr 1930 zählte er zu den führenden Kulturverlagen Deutschlands, aber mit der Übernahme durch seine beiden Söhne änderte sich die unternehmerische Strategie grundlegend, wurde konservativ und gegen die Weimarer Republik gerichtet. So trennte man sich von missliebigen Autoren wie Henri Bergson zugunsten von völkischen Titeln, Kooperationen mit Nationalsozialisten wie Himmler sollten folgen. Der Historiker Florian Triebel bekam ungehinderten Zugang zum institutionell weit verstreuten Firmenarchiv und hat "gleichermaßen umfassend wie kohärent" die "freiwillige Gleichschaltung" des Verlags rekonstruiert, meint der Rezensent. Durch das entfaltete Panorama der Diederichsschen Erfolgsautoren - Namen, die man heute nicht mehr kennt - leistet das Buch außerdem einen wichtigen Beitrag zur Literaturgeschichte in der Nähe von "Blut und Boden", lobt der zufriedene Kritiker, der die Buchfaksimiles eine bereits optische aufschlussreiche Bereicherung findet.

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