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Die Gewalt in der Geschichte der Menschheit wiederholt sich nicht einfach und ist auch nie völlig neu. Sie ist von den archaischen Anfängen der Kultur bis zum Zivilisationsbruch des Holocaust - und darüber hinaus - ein Wegbegleiter des Menschen geblieben. Jan Philipp Reemtsma zeigt in diesem Buch anhand ausgewählter Beispiele unterschiedliche Formen der Darstellung und Interpretation von Gewalt in der Literatur. Von den Epen vormoderner Gesellschaften wie der Odyssee bis zu Imre Kertesz' Roman-Gedanken über das Überleben spannt sich der Bogen seiner Analysen, in deren Mittelpunkt eine…mehr

Produktbeschreibung
Die Gewalt in der Geschichte der Menschheit wiederholt sich nicht einfach und ist auch nie völlig neu. Sie ist von den archaischen Anfängen der Kultur bis zum Zivilisationsbruch des Holocaust - und darüber hinaus - ein Wegbegleiter des Menschen geblieben. Jan Philipp Reemtsma zeigt in diesem Buch anhand ausgewählter Beispiele unterschiedliche Formen der Darstellung und Interpretation von Gewalt in der Literatur. Von den Epen vormoderner Gesellschaften wie der Odyssee bis zu Imre Kertesz' Roman-Gedanken über das Überleben spannt sich der Bogen seiner Analysen, in deren Mittelpunkt eine exemplarische Deutung des Krieges im Werk von Heinrich von Kleist steht. Reemtsmas scharfsinnige Lektüren vermessen nicht nur mit geradezu seismographischer Genauigkeit die Nachbeben der Gewalt in der Literatur, sie zeigen auch, wie fruchtbar diese Beschäftigung für die aktuellen Fragen der Gegenwart sein kann.
Autorenporträt
Jan Philipp Reemtsma, geboren 1952 in Bonn, ist unter Geisteswissenschaftlern und Intellektuellen ein fester Begriff. Er lebt und lehrt in Hamburg, ist Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Hamburg und Vorstand des Hamburger Instituts für Sozialforschung und der Arno-Schmidt-Stiftung. Er ist Mitherausgeber der Werke Arno Schmidts und Autor zahlreicher Bücher. 1997 erhielt er den Lessing-Preis der Freien Hansestadt Hamburg, im Jahr 2015 den Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2003

Der süße Saft der Feigheit
Jan Philipp Reemtsma weiß nicht nur Unzeitgemäßes über Krieg und Tod zu berichten
Caliban, der Wilde aus Shakespeares „Sturm”, dessen Name man als ein Anagramm von „Canibal” gelesen hat; Caliban der „Menschenfresser” will nichts, außer Prospero ermorden. Insofern, so Jan Philipp Reemtsma, gibt es an ihm nichts zu verstehen. Zerstörung ist seine Lebensform, jede Deutung der Motive seines Handelns also müßig. Es hieße Caliban falsch verstehen, wenn man ihn als einen betrachtete, den zu verstehen man genötigt ist. Eben das sei das Irritierende, das spezifisch Fremde an ihm.
Und so ist es von Caliban zu den Taliban nicht weit: Es sei der Hass auf alles, was Differenzierung bedeutet, der Hass auf die viel beschrieene Moderne, der Shakespeares Dramenfigur mit den Terrorkriegern von heute verbinde, schreibt Reemtsma in seinem neuen Buch „Warum Hagen Jung-Ortlieb erschlug”, das – anders als der Titel vorgibt – bei weitem nicht nur „Unzeitgemäßes über Krieg und Tod” enthält. Dort, wo ein psychischer Zustand hergestellt ist, der das Denken in Alternativen nicht kennt, wird die Frage nach dem „Warum?” abgeschafft, gibt es keine Entscheidung, keinen Zweck mehr. Und eben das hätten alle Terror-Vereinigungen, ob es sich um die Taliban, die RAF oder die Aum-Sekte handelt, schon aus Gründen des Selbsterhalts als „paranoide Gruppe”, wie er es nennt, gemein. Was sie an der Globalisierung hassen, ist nicht die Uniformierung der „McWorld”, sondern ihre zunehmende Vielfalt.
Reemtsma polemisiert damit gegen all jene, die die Anschläge vom 11. September als fehlgeleitete Globalisierungskritik oder als Tat religiöser Fanatiker zu erklären suchten; die die Täter „feige” nannten und sich von Susan Sontag anhören mussten, dass sie „feige nicht waren”. Die Vokabel sei völlig unadäquat. Denn feige ist, wer aus dem Hinterhalt mordet, weil er davonkommen will, und nicht feige, wer sein Leben für andere riskiert, obwohl auch er lieber davonkäme. Der Terrorkrieger, der sich und andere in die Luft sprengt, ist weder das eine noch das andere: Er lebt und stirbt nur so, wie er es möchte; Motiv und Handlung fallen in eins.
Das „Warum?” erübrigt sich. Es zeichnet Jan Philipp Reemtsma aus, dass er sich der zu oft gestellten Fragen zu entledigen und Aufmerksamkeiten umzulenken weiß. Das gilt auch für die anderen Aufsätze, die der Band versammelt: kurze Abhandlungen über die Odyssee, die Nibelungen, über Kleist und Imre Kertész. Zuweilen setzt er dabei allerdings einen kundigen Leser voraus. Dass Caliban dem Figurenarsenal von Shakespeares „Sturm” entstammt, wäre zumindest der Erwähnung wert gewesen.
JULIA ENCKE
JAN PHILIPP REEMTSMA: Warum Hagen Jung-Ortlieb erschlug. Unzeitgemäßes über Krieg und Tod. C. H. Beck, München 2003. 240 S., 12,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einer der in diesem Buch versammelten Aufsätzen erscheint Julia Encke ganz besonders beispielhaft für Reemtsmas Fähigkeit, "sich der zu oft gestellten Fragen zu entledigen und Aufmerksamkeiten umzulenken". Es geht darin um Shakespeares Caliban als Urfigur aller Terrorkrieger, die nichts bezwecken als Gewalt. Für Reemtsma gebe es nichts zu verstehen an Caliban: Sein Drang zur Zerstörung benötige keine Begründung, so wenig wie die Terroristen handeln, um Alternativen durchzusetzen - "Motiv und Handlung fallen in eins". Reemtsmas Polemik, so Encke, richtet sich "gegen all jene, die die Anschläge vom 11. September als fehlgeleitete Globalisierungskritik oder als Tat religiöser Fanatiker zu erklären suchten". Andere Texte handeln von der Odyssee, den Nibelungen oder Kleist - manchmal ein wenig zu spezialistisch, bemängelt Encke.

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