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In einem Supermarkt in San Francisco begegnen sich Susan und Sally und freunden sich an. Nach einiger Zeit folgt eine Einladung zum Abendessen. Das alles wäre nichts besonderes, wenn nicht die Männer der beiden Frauen eine so unterschiedliche Kindheit und Jugend verbracht hätten. Bernat ist Jude, seine Familie, die aus einem ungarischen Dorf stammt, wurde in Auschwitz ermordet, er selbst entkam nur knapp der NS-Vernichtungsmaschinerie. Fritz, Sallys Mann, wuchs in einem fränkischen Dorf als Hitlerjunge und Sohn eines Offiziers der Spionageabwehr auf. Die beiden Männer, die sich bei der…mehr

Produktbeschreibung
In einem Supermarkt in San Francisco begegnen sich Susan und Sally und freunden sich an. Nach einiger Zeit folgt eine Einladung zum Abendessen. Das alles wäre nichts besonderes, wenn nicht die Männer der beiden Frauen eine so unterschiedliche Kindheit und Jugend verbracht hätten. Bernat ist Jude, seine Familie, die aus einem ungarischen Dorf stammt, wurde in Auschwitz ermordet, er selbst entkam nur knapp der NS-Vernichtungsmaschinerie. Fritz, Sallys Mann, wuchs in einem fränkischen Dorf als Hitlerjunge und Sohn eines Offiziers der Spionageabwehr auf. Die beiden Männer, die sich bei der Dinner-Einladung kennenlernen, sind sich auf Anhieb sympathisch, und es entsteht eine Freundschaft, in der man um die Geschichte des jeweils anderen weiß, ohne daß darüber gesprochen würde. Doch schließlich stellen sie sich gemeinsam ihrer Vergangenheit ...
Autorenporträt
Bernat Rosner arbeitete bis zum Ruhestand als Syndikus eines amerikanischen Unternehmens. Fritz Tubach lehrte bis zu seiner Pensionierung als Professor für Deutsche Literatur in Berkeley, Kalifornien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2002

Geschichte einer Freundschaft
Auschwitz-Überlebender und früherer Hitlerjunge erinnern sich

KLEINHEUBACH. Als Bernat Rosner und Fritz Tubach sich 1983 bei einem Abendessen in Amerika kennenlernten, waren sie sich auf Anhieb sympathisch. Beide waren in Europa aufgewachsen, beide teilten das Interesse für Kunst, Literatur und Musik, beide hatten nach dem Tod ihrer ersten Frauen wesentlich jüngere Frauen geheiratet, die auf der High-School eng befreundet gewesen waren. Es war also keine Überraschung, daß sie bei soviel Gemeinsamkeiten Freunde wurden. Aber es gab auch einen großen Unterschied: Der aus Ungarn stammende Jude Rosner ist der einzige Auschwitz-Überlebende seiner Familie. Tubach, der in Kleinheubach aufwuchs, war Hitlerjunge und Sohn eines Nazi-Offiziers der Spionageabwehr. Beide wußten um die Vergangenheit des jeweils anderen, doch sie scheuten sich, darüber zu sprechen. Erst ein gemeinsamer Urlaub in der Heimat Rosners und dessen anschließender Besuch im Holocaust Memorial Museum in Washington 1993 heben die Beziehung der beiden Männer auf eine neue Stufe. Nach ihrer Pensionierung beginnen sie mit Hilfe der Ehefrau von Tubach, der freien Schriftstellerin Sally Patterson Tubach, ihre Erinnerungen schriftlich zu verarbeiten. 2001 erscheint die gemeinsame Biographie, die die "Washington Post" als eines der zehn wichtigsten Bücher des Jahres bezeichnet. Jetzt ist "Eine ungewöhnliche Freundschaft" auch auf deutsch erschienen.

Zu Beginn ihrer Lesereise durch Deutschland besuchten Tubach und Rosner dieser Tage Kleinheubach. Viele Menschen in der 6000 Einwohner zählenden Gemeinde sind in die evangelische Kirche St. Martin geströmt, um den erfolgreichen Autor aus ihrer Mitte zu erleben. Rosner beschreibt jenen Augenblick im Leben des Zwölfjährigen an der Rampe von Auschwitz, als er innerhalb von Minuten seine ganze Familie verlor. Er berichtet von jenem Moment, als er am Ende der Laderampe seinem jüngeren Bruder folgen will, ihn ein SS-Offizier aber nach wenigen Schritten an der Schulter packt, in die andere Richtung schiebt und ihn damit vor der Gaskammer bewahrt. "Bei dieser Entscheidung sahen die Nazis in Bernie offensichtlich einen Kandidaten für die Zwangsarbeit. Er konnte später immer noch eliminiert werden", heißt es über ihn in der dritten Person; denn nur Tubach schreibt in der Ich-Form. Die Geschichte Rosners wird in dem Buch von seinem Freund erzählt.

Am Beginn des Buches ist von einer unbeschwerten Kindheit auf dem Land zu lesen. Fritz Tubach war zwar in San Franzisko geboren worden, wo sein Vater als Berufsgeiger in einem Kinoorchester gespielt hatte. 1933, Fritz ist drei Jahre alt, kehrte die Familie nach Kleinheubach zurück. In jenem Jahr lebten dort 48 Juden. Neun Jahre später werden die letzten drei von ihnen deportiert. 1934 stirbt die Mutter. Tubachs Familie ist politisch gespalten. Der Großvater ist ein Konservativer, der sich zur Monarchie bekennt. Ein Onkel ist ein Kommunist, mit dem sich der Vater häufig streitet. 1940 meldet sich der Vater freiwillig zur Wehrmacht. Der Neunjährige zieht mit seiner Stiefmutter zu deren Familie. Maria Tubach widersetzt sich der Nazi-Hysterie und verbietet dem Jungen, sich für die Adolf-Hitler-Schule zu bewerben, in der die künftigen Führungskader ausgebildet werden.

In Rosners Familie bestimmte die Religion den Rhythmus des Alltagslebens. Die Idylle in dem Dorf namens Tab endet jäh 1944, als die SS und ihre ungarischen Helfershelfer das Kommando übernehmen. Tubach liest anstelle seines Freundes in Kleinheubach aus dem Kapitel "Verlust der Unschuld". Darin wird beschrieben, worüber zu berichten Rosner am schwersten gefallen war. Im Juli 1944 werden die Juden des Ortes zur katholischen Pfarrschule getrieben, wo sie sich ausziehen müssen. Direkt vor Bernie war seine Mutter gezwungen, sämtliche Kleider abzulegen, und er mußte zusehen, wie sie, nackt und hilflos, von den Händen eines feindseligen Nazischlägers abgetastet wurde. Weitere Kapitel in dem Buch sind dem täglichen Kampf ums Überleben im Konzentrationslager, der Verlegung nach Mauthausen, der mörderischen Arbeit im Steinbruch, dem berüchtigten "Todesmarsch" nach Gunskirchen und der Befreiung gewidmet. Rosner ist bei Kriegsende 13 Jahre alt und 26 Kilogramm schwer.

Der Aufenthalt der beiden Männer in Kleinheubach veranschaulicht auf schmerzliche Weise, welches Maß an Kontinuität es im Leben Tubachs gibt und von welchen Brüchen das seines Freundes charakterisiert ist. Während Tubach Verwandte trifft und Stätten seiner Kindheit besichtigen kann, ist Rosners einziger Nachweis seiner früheren Existenz jener Eintrag der SS über seine Ankunft in Mauthausen am 20. September 1944, der ihn im Washington Memorial Museum so erschüttert hatte. Bei einem Besuch in seiner ungarischen Geburtsstadt war Rosner auf verschlossene Türen, abgerissene Häuser, einen verlassenen jüdischen Friedhof und die zerbröckelnden Stufen einer Synagoge gestoßen, die nicht mehr existierte.

Tubach, der 1949 nach Amerika ausgewandert war, hat in Berkley Karriere als Professor für deutsche Literatur gemacht. Rosner wurde Syndikus einer Lebensmittelfirma. Der Halbwüchsige hatte sich gegen Kriegsende in einem italienischen Flüchtlingslagermit einem Soldaten angefreundet, der den Jungen später nach Amerika holte und ihn in seine Familie aufnahm. Es war Charles Merrill junior vom Bankhaus Merrill-Lynch. Das Waisenkind wird zum Adoptivsohn einer der reichsten Familien des Landes. Dankbar schreibt Rosner: "Was er für mich und so viele andere getan hat, beweist, daß es durchaus auf einen einzigen Menschen ankommen kann."

AGNES SCHÖNBERGER

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Sabine Fröhlich zeigt sich sichtlich bewegt von der "ungewöhnlichen Freundschaft" zwischen zwei Männern, die so unterschiedliche Schicksale hatten und erst im Lauf der Jahre lernten, sich darüber zu verständigen. Bernat Rosner, ein gebürtiger Ungar, wurde als 12-Jähriger nach Auschwitz deportiert und überlebte, als "arbeitsfähig" eingestuft; Frederic C. Tubach, Sohn eines deutschen Orchestermusikers und NSDAP-Mitglieds, wuchs in einem nazifreundlichen Milieu auf und ging nach dem Krieg nach Amerika, um dieser Welt den Rücken zu kehren. Rosner, der als einziger seiner Familie überlebte und jahrzehntelang das gewaltsame Ende seiner Kindheit in Europa verdrängt hatte, wie Fröhlich berichtet, offenbart nach längerer Bekanntschaft ausgerechnet Tubach seine Geschichte, der sie in der dritten Person aufzeichnet und parallel dazu seine eigene erzählt. Das Spannende des Projekts liege, so Fröhlich, in der Parallelführung der Biografien, die bis heute reicht: gemeinsam haben die beiden Männer sogar eine Reise in die Heimat Tubachs unternommen. Das nach diesen "dynamisch verlaufenden" Gesprächen entstandene Buch erfüllt für Fröhlich die Kriterien für "jenen Austausch, den Salomon Korn einmal als 'geteilte Erinnerung' bezeichnet hat".

© Perlentaucher Medien GmbH