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Kairo auf dem Gipfel seiner Macht Kairo, die 969 n. Chr. gegründete Palaststadt am Nil, entwickelte sich rasch zu einer der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Metropolen der islamischen Welt. Heinz Halm erzählt in diesem Buch keine orientalischen Märchen, die noch immer unseren Blick auf die islamische Welt verstellen, sondern bietet Fakten, welche die überreiche arabische Geschichtsschreibung uns überliefert - Geschichten aus tausendundeinem Alltag.

Produktbeschreibung
Kairo auf dem Gipfel seiner Macht Kairo, die 969 n. Chr. gegründete Palaststadt am Nil, entwickelte sich rasch zu einer der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Metropolen der islamischen Welt. Heinz Halm erzählt in diesem Buch keine orientalischen Märchen, die noch immer unseren Blick auf die islamische Welt verstellen, sondern bietet Fakten, welche die überreiche arabische Geschichtsschreibung uns überliefert - Geschichten aus tausendundeinem Alltag.
Autorenporträt
Heinz Halm, geb. 1942, ist Professor für Islamische Geschichte am Orientalischen Seminar der Universität Tübingen. Im Verlag C.H.Beck sind von ihm erschienen: "Das Reich des Mahdi" (1991); "Der schiitische Islam. Von der Religion zur Revolution" (1994); "Der Islam. Geschichte und Gegenwart" (42002). Zusammen mit Ulrich Haarmann ist er Herausgeber der "Geschichte der arabischen Welt" (42001).

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2003

Dem Nil entstieg ein fettes Buch
Historischer Großsteinbruch: Heinz Halms Geschichte der Fatimiden in Ägypten
Um es gleich vorweg zu nehmen: Hier liegt kein Buch für das Phantom „Breites Leserpublikum” vor. Dafür ist es zu umfassend, zu detailversessen; es setzt ein entschieden historisches Interesse sowie einige Kenntnisse voraus, was allein schon für das Werk spricht.Heinz Halm umreißt eine der widersprüchlichsten und interessantesten Epochen der arabischen Geschichte. Mit Hilfe einer gründlichen Quellenauswertung entwirft er ein Panorama des Lebens in Ägypten unter der Herrschaft der Dynastie der Fatimiden im 10. und 11. Jahrhundert.
Mit dem persischen Reisenden und Chronisten Naser e-Chosrou betreten wir im Sommer 1047 ägyptischen Boden und werden in das Leben der blühenden ägyptischen Lagunenstadt Tinnis im nördlichen Nildelta eingeführt. Weiter geht es nach Al-Fustat Misr, das von den arabischen Eroberern angelegte Militärlager und die ägyptische Mittelstadt mit mehrheitlich christlicher und jüdischer Bevölkerung im südlichen Teil des heutigen Kairo. Al-Qahira, die „Prächtige”, dagegen ist als fatimidische Gründung eine ideale Palaststadt; der fatimidische Palast lag just dort, wo heute der Chan al-Chalili, der zentrale Bazar von Kairo, steht.
Die Gegensätze hätten also kaum größer sein können, als der fatimidische Herrscher al-Muizz 973 in Kairo Einzug hielt: hier eine mehrheitlich koptisch-christliche und sunnitisch-muslimische Bevölkerung, dort ein Herrscherhaus aus einer schiitischen heterodoxen Abspaltung; hier eine normale ägyptische Stadt mit dem üblichen Handel und Gewerbe der Zeit, dort eine für den Einzug des neuen Kalifen und seinen aus Nordafrika mitgebrachten Hofstaat eigens gebaute ummauerte und mit gewaltigen Torkonstruktionen versehene Stadt, ohne Bazar, dafür mit prächtigen Palästen und Moscheen. Auch die berberischen Kutama-Truppen, mit denen die Fatimiden Ägypten erobert hatten, sowie alle anderen Militärgruppierungen – Griechen, Türken, Nubier – waren in al-Qahira untergebracht, dem Teil Kairos, den man heute die fatimidische Altstadt nennt. Der Autor verschafft uns eine ungemein lebendige Ansicht des Lebens in der Doppelstadt zur damaligen Zeit.
Große Aufmerksamkeit schenkt er dankenswerterweise auch jener Besonderheit des Landes, die es einerseits für die Landwirtschaft privilegiert, gleichzeitig aber in einem stets kritischen und labilen Zustand hält: Die Nilschwelle, die Überschwemmung des Landes durch die Wassermassen des Nils, war die Lebensgrundlage Ägyptens. Sie regelte den landwirtschaftlichen Jahreszyklus und damit den Rhythmus des sozialen Lebens, die Phasen der Arbeit und der Feste. Die Nilschwelle machte das Land zum Sonderfall in der arabischen Welt, sie trieb eine hochgradige landwirtschaftliche Spezialisierung hervor und war Garant der Kontinuität des Landes wie auch Auslöser für Knappheiten und Hungersnöte. Ihr Eintreten beziehungsweise ihr Ausbleiben brachte die „fetten” oder die „mageren” Jahre. Dies änderte sich erst mit dem Bau des Nildammes am ersten Katarakt bei Assuan um die Wende zum 20. Jahrhundert und endgültig durch den Bau des Hochdamms in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Dementsprechend hielten sich Riten und Zeremonien, welche die Verteilung der Wasser des Nils und das Messen der Nilschwelle betrafen, die Steuererhebungen bei den Bauern und Einschätzungen der zu erwartenden Ernten, in pharaonischer, ptolemäischer bis in die christlich- muslimische Zeit des frühen Mittelalters mit erstaunlicher Konstanz.
Exzentrische Kalifen
Die anschließenden Teile des Buchs folgen der Chronologie der fatimidischen Kalifen in Ägypten von 973 bis 1074 nach unserer Zeitrechnung, von al-Muizz bis al-Mustansir. Etwas verwirrend mag erscheinen, dass in der Überschrift die Spanne des Kalifen al-Mustansir mit 1036 bis 1074, also 38 Jahre, angegeben wird, während im Text von 58 Jahren gesprochen wird, weil er bis zu seinem Tod 1094 regierte. Die Fatimidenherrschaft in Ägypten reichte, zumindest formell, sogar bis 1171. Das Buch schließt jedoch mit dem Jahr 1074. Mit dem Niedergang und dem nur noch nominellen Weiterbestand des Fatimidenkalifats danach wird am Ende des Buchs eine kurze, einleuchtende Begründung dafür gegeben.
Obwohl das ägyptische Fatimidenkalifat erst in der Zeit al-Zahirs (1021-1036) zur größten Blüte gelangte, nimmt unter den aufgeführten Herrscherdarstellungen doch jene des exzentrischen Kalifen al-Hakim (996-1021) am meisten Raum ein. Halm unternimmt den Versuch einer Entdämonisierung al- Hakims, eine Intention, die freilich nicht durchweg überzeugt. Auch wenn manche Willkürmaßnahmen und Grausamkeiten al-Hakims von einer christlichen und abbasidischen Propaganda übertrieben wurden, so spricht doch vieles, was auch Halm als gesichert anerkennt, für einen zunehmend sich verdüsternden, labilen oder monomanischen Zug dieses Herrschers. Allein die sich in immer dichterer Folge jagenden absurden Erlasse, Gegenerlasse und deren Aufhebung, die Verfolgungen, Zerstörungen und Hinrichtungen in einem auch für die Epoche beachtlichen Ausmaß sowie die blinde Habgier des Mannes, sein labiles Hin- und Hergerissensein zwischen dem Bad in der Menge und einem paranoiden Absonderungsverlangen dürften den Rahmen üblicher Herrscherwillkür gesprengt haben. Auch sein religiöses Schwanken lässt sich wohl nicht nur den religiös- politischen Zuständen der Fatimidenzeit, sondern auch einer religiös-geistigen Verwirrung al-Hakims selbst zuschreiben. Bei allen begründeten Erklärungsversuchen, die seine Erziehung im Harem des Palastes und seine späteren politischen Absichten berücksichtigen, bleibt das Handeln al-Hakims weiterhin rätselhaft und vieldeutig. Eine höchst interessante Figur war er allemal, dies jedenfalls macht sein Porträt in diesem Buch deutlich.
Eingehend wird die fatimidische Syrien- und Mesopotamienpolitik behandelt. Beherrscht wird sie von der Rivalität der Fatimiden zu dem rechtmäßigen, sunnitisch-orthodoxen Abbasidenkalifat von Bagdad. Nicht zuletzt geht es auch immer wieder um die Hoheit über die Pilgerzüge nach Mekka und Medina. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen entwickeln sich die Kämpfe und Koalitionen mit den Beduinenemiraten, die wie eine exemplifizierende Vorwegnahme der politischen Theorien Ibn Chalduns, des arabischen Gelehrten des 14. Jahrhunderts, anmuten. Im Verlauf der fast unüberschaubaren Kriegszüge, Fehden, wechselnden Fronten und kurzlebigen politischen Verträge kommt das wiedererstarkte christliche Byzanz ins Spiel, mit dem sich das ägyptische Fatimidenreich von Fall zu Fall verbündet. Der Stadt und dem muslimischen Emirat Aleppo fällt dabei eine wichtige Rolle zu: Es wird zu Zeiten zum fatimidisch-byzantinischen Kondominium.
Die Darstellung dieser „außenpolitischen” Vorgänge, auch jener in Nordafrika und in Sizilien oder im Jemen, leidet aufgrund ihrer Detailversessenheit unter einer gewissen Unübersichtlichkeit. Hier wünschte man sich eine etwas schärfere Konturierung und Konzentrierung auf die wichtigsten politischen Zusammenhänge. Zu guter Letzt harrt man gespannt der Fortsetzung der Geschichte. In der kommenden Epoche wird „sich das Gesicht nicht nur Syriens und Palästinas, sondern auch Ägyptens grundlegend wandeln”. Und dann, wenn ein Wunsch erlaubt ist, doch noch ein Buch, das aus diesem riesigen Quellensteinbruch ein schlankeres Werk für das eingangs erwähnte Phantom macht, das breite, interessierte Leserpublikum. Und bitte wieder vom selben Autor.
GENNARO GHIRARDELLI
HEINZ HALM: Die Kalifen von Kairo. Die Fatimiden in Ägypten 973-1074. C. H. Beck Verlag, München 2003. 508 Seiten, 39,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Es muss wahrlich hoch hergegangen sein im Ägypten des 10. und 11. Jahrhunderts, als "hundert turbulente Jahre" lang die fatimidischen Kalifen an der Macht waren - so sehr, dass Heinz Halm nach Ansicht des Rezensenten Friedrich Niewöhner gut daran getan hat, die reichhaltigen zeitgenössischen Quellen recht nüchtern zu referieren; ansonsten, so meint er, würde "diese Geschichte über den Erhalt der politischen Macht und die Verbreitung des religiösen Einflusses" nur "unglaubwürdig" wirken. Die Zeit der Fatimiden, die ihre Herkunft von Fatima, der Tochter Mohammeds, herleiten, war von pragmatischer religiöser Toleranz und einer eher materiell als philosophisch geprägten Kultur gekennzeichnet. Es gab jede Menge Machtkämpfe und Meuchelmorde. Niewöhner kann diese Studie über ein von der europäischen Geschichtswissenschaft bislang vernachlässigtes Thema gar nicht genug loben: Halm bette die Ära der Fatimiden in die "Gesamtgeschichte der islamischen Welt" ein und biete an angebrachter Stelle kulturgeschichtliche Exkurse, beispielsweise über die Rolle der Frau in der damaligen Gesellschaft. Alles in allem: eine überaus lohnende Entdeckung, die Fatimiden.

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