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Als Kenner der politischen Vergangenheit seines Landes betrachtet Michail Gorbatschow die Oktoberrevolution von 1919, Aufstieg und Fall der Sowjetunion sowie die Perspektiven Russlands im 21. Jahrhundert. Eindrucksvoll charakterisiert er Schlüsselfiguren wie Lenin, Stalin und Jelzin. Mit seiner Analyse der russischen Geschichte des 20. Jahrhunderts wirbt er zugleich für ein besseres Verständnis für die Probleme des ehemaligen Sowjetstaates.

Produktbeschreibung
Als Kenner der politischen Vergangenheit seines Landes betrachtet Michail Gorbatschow die Oktoberrevolution von 1919, Aufstieg und Fall der Sowjetunion sowie die Perspektiven Russlands im 21. Jahrhundert. Eindrucksvoll charakterisiert er Schlüsselfiguren wie Lenin, Stalin und Jelzin. Mit seiner Analyse der russischen Geschichte des 20. Jahrhunderts wirbt er zugleich für ein besseres Verständnis für die Probleme des ehemaligen Sowjetstaates.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2000

Unvergleichlich
Michail Gorbatschow lobt sich selbst
MICHAIL GORBATSCHOW: Über mein Land. Russlands Weg ins 21. Jahrhundert. Verlag C.H.Beck, München 2000. 232 Seiten, 38 Mark.
Wer bisher noch nicht davon überzeugt ist, dass Michail Gorbatschow einer der größten Politiker dieses Jahrhunderts ist, dem gibt der frühere sowjetische Staatspräsident noch einmal eine Chance. Sein jüngstes Buch handelt von Russlands Weg ins 21. Jahrhundert, und der Autor streift zunächst die Epochen seiner Vorgänger, um dann zum Kern seiner Botschaft vorzustoßen: die Lobpreisung seiner mehr als sechsjährigen Amtszeit, die Ära der Perestrojka.
Gorbatschow fasst zusammen: „Das totalitäre System wurde abgeschafft. Erstmals wurden allgemeine, freie Wahlen abgehalten. Die Pressefreiheit wurde garantiert und die Gründung politischer Parteien zugelassen. Die wirtschaftliche Freiheit wurde gesetzlich verankert. ” Doch geht der ehemalige Kreml-Chef mit der Darstellung seiner – zweifellos vorhandenen – Verdienste etwas zu großzügig um. Beispielsweise wurde ein Drittel aller Abgeordneten für den Volksdeputierten-Kongress 1989 eben nicht frei gewählt, sondern von Partei, Gewerkschaft und anderen Organisationen bestimmt, war es vor allem sein Rivale Boris Jelzin, der sich für die Pressefreiheit stark machte. Und beispielsweise war es Gorbatschow, der sich dagegen sträubte, die Vorherrschaft der Kommunistischen Partei aufzugeben und andere Parteien zu Wahlen zuzulassen. Nun aber traut er sich zu schreiben, dass die Durchsetzung des Einparteienstaats nach 1917 „einer der schwersten Fehler der Revolutionäre” gewesen sei.
Vielleicht ist es die Verbitterung Gorbatschows darüber, dass seine reformerischen Leistungen in seinem Heimatland zu wenig gewürdigt werden, weshalb er so aufdringlich um Anerkennung buhlt und zugleich mit grober Rhetorik die Zeit nach seinem Sturz denunziert. Mit Vorsicht ist auch sein Versuch zu werten, das Blutvergießen im georgischen Tiflis und im litauischen Wilna, das Gorbatschows Beharren auf territoriale Einheit in großes Zwielicht rückte, als „Dolchstoßlegende” innenpolitischer Gegner zu präsentieren. Spannend ist das Buch einzig dort, wo das Gezerre um den Unionsvertrag sichtbar wird: der Wunsch Jelzins, die russische Republik aus dem Sowjetimperium herauszulösen, und die Hilflosigkeit Gorbatschows beim Versuch, die UdSSR zu retten. Dies nicht geschafft zu haben, nennt er sein größtes Unglück, und es war am wenigsten zu kaschieren.
FRANK NIENHUYSEN
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2000

Schrecklicher Rückschlag
Gorbatschow glaubt an das "gemeinsame Land" Sowjetunion

Michail Gorbatschow: Über mein Land. Russlands Weg ins 21. Jahrhundert. Aus dem Russischen von Norbert Juraschitz. Verlag C.H. Beck, München 2000. 232 Seiten, 38,- Mark.

"Die sechs Jahre der Perestrojka waren Jahre der Suche und des Findens, der Errungenschaften und der Verluste, der Durchbrüche im Denken und Handeln, gleichzeitig aber auch der Fehleinschätzungen." Dieser Satz klingt wie ein Resümee jener Jahre, in denen Michail Gorbatschow versuchte, die Sowjetunion zu reformieren und zu retten. Er findet sich an keiner herausgehobenen Stelle, sondern mitten im Text. Das ist symptomatisch. Gorbatschow setzt oft zu solchen Zusammenfassungen an und kehrt dann zu Einzelheiten zurück. Die Lektüre wird dadurch mühsam und langweilig.

Dabei trifft der Satz den Kern von Gorbatschows Buch. Am Beispiel des letzten Generalsekretärs der KPdSU wird deutlich, welche Durchbrüche es "im Denken und Handeln" des reformorientierten Teils der sowjetischen Elite gab, doch zugleich wird deutlich, wie sehr sie dem alten Denken verhaftet blieb.

Gorbatschow kritisiert das sowjetische Denken in festen Plänen, Modellen und Schemata und nennt die Opfer der sowjetischen Herrschaft beim Namen. Was er schreibt, wäre vor zehn Jahren revolutionär gewesen. Gleichzeitig lobt Gorbatschow die Oktoberrevolution und die Errungenschaften des Sozialismus - so als müsste er noch immer auf die Sowjetkonservativen in der Parteiführung Rücksicht nehmen. Das wirkt seltsam und widersprüchlich. So schreibt er über die Kollektivierung der Landwirtschaft: "Das russische Dorf erlitt damals einen schrecklichen Rückschlag, von dessen Folgen es sich bis heute nicht ganz erholt hat. Das lässt sich jedoch vom Leben des ganzen Landes sagen." Nur zwei Seiten weiter heißt es: "Die Oktoberrevolution förderte in den riesigen Räumen Südeuropas und Asiens die Verbreitung der Zivilisation."

Wie in den Jahren der Perestrojka beruft sich Gorbatschow auf Lenin und die Ideale der Oktoberrevolution: Ihre Verwirklichung sei das Ziel gewesen. Allerdings seien er und "die Mehrheit in unserem Land" der Illusion erlegen, dass dies durch eine "Vervollkommnung des bestehenden Systems" erreicht werden könne. Dass Gorbatschow auf den Idealen seiner damaligen Partei beharrt, mag man als nicht unsympathisches Indiz dafür ansehen, dass er sich in seinem Handeln tatsächlich an Werten und Überzeugungen orientiert. Gleichzeitig zeigt es jedoch, dass seine Bereitschaft Grenzen hat, die Gräuel des Sowjetregimes zur Kenntnis zu nehmen: Dass blutiger Terror gerade in den ersten Jahren der Sowjetherrschaft, als Lenin noch der Führer der Bolschewiken war, eines der wichtigsten Mittel der kommunistischen Herrschaft war, liest man bei Gorbatschow nicht.

Der zweite Teil des Buches ist mit "Die Union wäre zu retten gewesen" überschrieben. Die Sowjetunion sei wegen des Egoismus einiger Republikherrscher zerfallen, denen persönliche Macht wichtiger gewesen sei als das Wohl der in der Sowjetunion lebenden Völker. Vor allem Jelzin habe seit 1990 eine Politik betrieben, deren Ziel "die Zerschlagung der Union und die Machtübernahme in Russland" gewesen sei. Die Führer der Sowjetrepubliken hätten ihre Völker bewusst getäuscht, "denn es war ihnen klar, dass sie nur dann auf Unterstützung rechnen konnten, wenn sie den Anschein erweckten, ihnen gehe es um die Erhaltung der Union."

Liest man die seitenlangen Zitate aus Sitzungsprotokollen verschiedener Gremien von Staat und Partei, bekommt man den Eindruck, die Republikführer seien eine ausschließlich destruktive Kraft gewesen. Dass sich die Nomenklatura in den nichtrussischen Gebieten der Sowjetunion weniger aus Idealismus denn aus Egoismus national einfärbte, ist nicht neu. Möglicherweise hatten diese Politiker aber ein besseres Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung als Gorbatschow, der schreibt: "Das gemeinsame Land ist noch immer lebendig", auch wenn es den Unionsstaat nicht mehr gebe. "Heute wirken sich in erster Linie zwischenmenschliche Faktoren zugunsten einer neuerlichen Integration aus", heißt es über die Zukunft der GUS.

Gorbatschow scheint unverrückbar an die Möglichkeit einer Rettung der Sowjetunion zu glauben, weil er an den eigenen guten Willen glaubt. Dass sein Handeln für andere nicht besser aussah als deren Handeln für ihn, blendet er aus. "Ende April 1990 kamen von der litauischen Führung erste Signale, dass sie bereit sei, mit der Zentralregierung in Dialog zu treten", schreibt Gorbatschow. Er schließt daraus, dass die Union nach der litauischen Unabhängigkeitserklärung am 11. März 1990 noch auf friedlichem Wege erhalten werden konnte. Litauen wurde durch die von Gorbatschow Mitte April 1990 verhängte totale Wirtschaftsblockade zu Gesprächen gezwungen - was er nicht erwähnt. Gorbatschow distanziert sich von den Verbrechen der Kommunistischen Partei, doch er versteht nicht, dass es für die Opfer dieser Verbrechen keinen Grund gab, dem Führer dieser Partei zu vertrauen, nur weil er die Rhetorik geändert hat.

REINHARD VESER

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Klaus Bednarz macht aus seiner Enttäuschung über dieses Buch keinen Hehl. Er geht sogar so weit, dass er die Vermutung äußert, Gorbatschow habe möglicherweise die "Realität in Russland aus den Augen verloren", zumindest da, wo der Autor die Zukunft Russlands in einer Union mit Weißrussland, der Ukraine und Kasachstan sieht. Auch sonst kann Bednarz dem Buch nur wenig abgewinnen. Er vermisst Visionen, neue Erkenntnisse. Stattdessen scheine es dem Autor vor allem darum zu gehen, dass auch nachfolgende Generationen seine Verdienste anerkennen. Diese Verdienste will Bednarz keineswegs leugnen. Ihn stört jedoch die "Selbstgerechtigkeit und Blindheit eigenen Fehlern und Irrtümern gegenüber" und nennt als Beispiel dafür Gorbatschows Verhalten gegenüber den nach Unabhängigkeit strebenden baltischen Staaten. Dies mache den Leser "nur noch ratlos", resümiert Bednarz.

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