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Die "Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland, also die politische Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur und ihren Folgen, ist längst selbst zu einem historischen Thema geworden. Von der Entnazifizierung und den Nürnberger Prozessen bis zur aktuellen Debatte um das Holocaust-Mahnmal und die Entschädigung der Zwangsarbeiter beschreibt dieses Buch, wie die Deutschen politisch, juristisch und letztlich auch moralisch mit der NS-Vergangenheit umgegangen sind. Peter Reichel bietet dabei nicht nur eine Fülle von historischer Information, sondern er geht immer wieder auch der…mehr

Produktbeschreibung
Die "Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland, also die politische Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur und ihren Folgen, ist längst selbst zu einem historischen Thema geworden. Von der Entnazifizierung und den Nürnberger Prozessen bis zur aktuellen Debatte um das Holocaust-Mahnmal und die Entschädigung der Zwangsarbeiter beschreibt dieses Buch, wie die Deutschen politisch, juristisch und letztlich auch moralisch mit der NS-Vergangenheit umgegangen sind. Peter Reichel bietet dabei nicht nur eine Fülle von historischer Information, sondern er geht immer wieder auch der zentralen Frage nach, wie sich öffentliche Erinnerung an die Verbrechen des Dritten Reiches überhaupt konstituiert und gesellschaftlich entfaltet.
Autorenporträt
Peter Reichel ist Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Hamburg. Mit seinen Büchern Der schöne Schein des Dritten Reiches (1993) und Politik mit der Erinnerung (1999) ist er als Kenner der Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Folgen hervorgetreten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2001

Erektion des Arms

VERGANGENHEIT kann nicht bewältigt werden, weil niemand Geschehenes ungeschehen machen kann. Statt dessen wird Vergangenheit verdrängt, oder man setzt sich mit ihr auseinander. Kernstücke in der Auseinandersetzung mit dem "Dritten Reich" waren die Entnazifizierung, die Strafverfolgung der Täter und die Entschädigung der Verfolgten. Peter Reichel macht darauf aufmerksam, daß sich die meisten Deutschen schuldlos fühlen konnten, weil Bundeskanzler Adenauer ihnen 1951 in einer Rede bescheinigte, daß die überwiegende Mehrheit "die an den Juden begangenen Verbrechen verabscheut" und "sich an ihnen nicht beteiligt" habe. Diese Sicht habe ein doppeltes Ziel verfolgt: "innenpolitische Aussöhnung und Stabilität als Voraussetzung der Rückgewinnung außenpolitischer Handlungsfähigkeit und internationaler Reputation". Ausführlich werden die Verhandlungen mit dem Staat Israel beschrieben, aber auch erklärt, wie Zwangsarbeit nach einem Bescheid des Bundesverwaltungsamtes über Jahrzehnte hinweg nicht als Unrecht, sondern nur als "Beseitigung des kriegsbedingten Mangels an Arbeitskräften" galt. Im Mittelpunkt des sehr informativen und lesenswerten Buches stehen die Nürnberger Prozesse 1945/46, der Remer-Prozeß 1952, der Frankfurter Auschwitz-Prozeß 1963 bis 1965 und die Verjährungsdebatten des Bundestages 1960 bis 1979. Nachdem 1969 bereits die Unverjährbarkeit von Völkermord beschlossen worden war, hob der Bundestag zehn Jahre später auch die Verjährbarkeit von Mord auf: "Eine Chance wurde vertan, durch Parlamentsbeschluß dem nationalen Gedächtnis dauerhaft einzuschreiben - und womöglich nachhaltiger als dies je ein Holocaust-Mahnmal tun könnte -, daß allein Mordtaten im Zusammenhang von Menschlichkeitsverbrechen wie der Holocaust unverjährbar sind." Manche Absurditäten finden sich bei Reichel. So bestätigte der Bundesdisziplinarhof Anfang der fünfziger Jahre eine Entscheidung des Reichsdienststrafhofes, der einen Beamten aus dem Reichsdienst entfernt hatte wegen unvorschriftsmäßiger Ausführung des Hitlergrußes. Die Nachkriegsrichter brachten es fertig, in der "Erektion des rechtes Armes", die inzwischen längst unter Strafe stand, einen "rechtsstaatlichen Kern" zu entdecken. Durch einen laschen Hitlergruß habe während des "Dritten Reichs" durchaus eine Mißachtung gegenüber dem Dienstvorgesetzten zum Ausdruck kommen können! (Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur von 1945 bis heute. Verlag C. H. Beck, München 2001. 253 Seiten, 26,90 Mark.)

RAB.

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Kaum ein gutes Wort hat Ulrich Speck für die Abhandlung des Politologen Peter Reichel übrig. Schon der Untertitel sei ein Etikettenschwindel, denn Reichel präsentiere keine Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur bis in die Gegenwart, sondern eine bis in die sechziger Jahre. Und die beruhe auch noch auf einem juristischen Fokus. Politische, kulturelle und soziale Aspekte habe der Autor außen vor gelassen. Außerdem ist der Rezensent darüber enttäuscht, dass Reichel mit seiner thematischen Gliederung des Buchs kein Licht in das Dickicht der Forschungsliteratur bringe, sondern, im Gegenteil, den Leser stark verwirre. Mehr Bescheidenheit hätte dem Autor besser zu Gesicht gestanden, denkt Speck und bemängelt auch noch das Lektorat, denn auch Reichels "oft hölzerne, manchmal unpräzise Sprache" hat ihm missfallen. Wer sich für einzelne Aspekte der juristischen Aufarbeitung bis Anfang der 60er Jahre interessiert, sollte das Buch aber trotzdem lesen. Denn hier, räumt Speck ein, gebe der Autor eine kenntnisreiche und im Detail abgewogene gute Darstellung.

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