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Ein kompetenter Überblick zum Verhältnis von Politik und Justiz in Deutschland
Im Zentrum seiner Untersuchung steht jedoch die juristische Vergangenheitsbewältigung nach dem 3. Oktober 1990. Er zeigt, wie sie mit allen - rechtlich oft hochproblematischen Mitteln vorangetrieben wurde - wie Straf-, Zivil-, Verwaltungs-, ja selbst Arbeits- und Sozialrecht in den Dienst der Delegimitierung des anderen deutschen Staats und aller seiner Funktionsträger gestellt wurden. Er nennt Zahlen und Fakten, und er beantwortet auch entscheidende Fragen nach der politischen Justiz in der DDR und ob sie ein Unrechtsstaat war.…mehr

Produktbeschreibung
Ein kompetenter Überblick zum Verhältnis von Politik und Justiz in Deutschland

Im Zentrum seiner Untersuchung steht jedoch die juristische Vergangenheitsbewältigung nach dem 3. Oktober 1990. Er zeigt, wie sie mit allen - rechtlich oft hochproblematischen Mitteln vorangetrieben wurde - wie Straf-, Zivil-, Verwaltungs-, ja selbst Arbeits- und Sozialrecht in den Dienst der Delegimitierung des anderen deutschen Staats und aller seiner Funktionsträger gestellt wurden. Er nennt Zahlen und Fakten, und er beantwortet auch entscheidende Fragen nach der politischen Justiz in der DDR und ob sie ein Unrechtsstaat war.
Autorenporträt
Friedrich Wolff, geboren 1922, studierte von 1946 bis 1949 an der Berliner Humboldt-Universität und arbeitet seit 1953 als Rechtsanwalt. Fernsehprominent wurde er durch seine Sendereihe "Alles was Recht ist". Viele Jahre war er Vorsitzender des Berliner Anwaltskollegiums und des Rates der Kollegien der Rechtsanwälte der DDR bzw. Präsident der Vereinigung der Juristen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2005

Anwalt der ganzen DDR
Friedrich Wolff will unbelehrbare alte SED-Genossen erfreuen

Friedrich Wolff: Einigkeit und Recht. Die DDR und die deutsche Justiz. Politik und Justiz vom Schießbefehl Friedrich Wilhelms IV. bis zum "Schießbefehl" Erich Honeckers. Verlag Edition Ost, Berlin 2005. 192 Seiten, 12,90 [Euro].

In der DDR waren in den achtziger Jahren noch etwa 600 Rechtsanwälte tätig. Die meisten von ihnen gehörten Anwaltskollegien an. Wer in politisch heiklen Fällen tätig wurde, genoß das Vertrauen von SED und Staatssicherheit, obwohl es nach deren Sprachgebrauch "politische Delikte" nicht gab, sondern nur kriminelle. Der Autor des hier anzuzeigenden Buches, Friedrich Wolff, geboren 1922, gehörte durch sein Auftreten in der Fernseh-Sendereihe "Alles was Recht ist" zu den bekannten Anwälten der DDR. Lange Zeit war er Vorsitzender des Berliner Anwaltskollegiums und des Rates der Kollegien der Rechtsanwälte der DDR sowie Vizepräsident und Präsident der dortigen Vereinigung der Juristen. Schon in jungen Jahren verteidigte er in politischen Prozessen Walter Janka, Karl Wilhelm Fricke und Günter Guillaume, später auch Erich Honecker, Hans Modrow und den letzten Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS, Werner Großmann. Auch in Prozessen mit eher propagandistischer Zielsetzung, wie dem gegen den Bonner Politiker Theodor Oberländer 1960, wirkte er als Pflichtverteidiger mit.

In seinem neuesten Buch verteidigt Wolff wieder - diesmal die ganze DDR. Nicht daß dort seiner Ansicht nach alles in Ordnung gewesen wäre. Dinge, die "kein Ruhmesblatt" waren, will er aber nicht erörtern. "Kritiker und Kritiken der DDR gibt es mehr als genug", sagt er. "Eine weitere Stimme in diesem Chor ist ganz und gar überflüssig." Er konzentriert sich völlig auf das vermeintliche Unrecht, das nach 1990 der DDR zugefügt worden sei. Sie werde als Unrechtsstaat verleumdet, mit dem "Nazi-Regime" gleichgesetzt. Dabei habe sie doch immer konsequent antifaschistisch gehandelt. Das Recht der Bundesrepublik sei der DDR übergestülpt worden; West-Richter seien nach Art von Kolonialherren einmarschiert. Sie hätten "kein Recht, im Namen der Ossis über Ossis und deren Rechte zu urteilen". Ihnen fehle die Legitimation. Ihre Urteile wegen Regierungskriminalität seien völkerrechtswidrig. Die Justiz habe die Aufgabe, die DDR zu delegitimieren. "Delegitimierung" sei aber nur ein Tarnwort. Es gehe darum, "die DDR in den Augen ihrer ehemaligen Bevölkerung, in den Augen aller Deutschen herabzusetzen, sie unattraktiv zu machen". Ob das die Vertreter des real existierenden Sozialismus nicht schon selbst besorgt haben, will er übergehen. "In diesem Buch geht es nur um eine Erwiderung auf die gröbsten und häufigsten Angriffe der Schönredner der Marktwirtschaft und der Schlechtredner des Sozialismus. Mich erregen die Provokationen der herrschenden Vergangenheitsbewältiger", sagt Wolff und bittet "die Historiker" ob seiner Inkompetenz als Jurist vorsorglich um Nachsicht: "Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über."

Diese Nachsicht hat er bitter nötig. Wolff bedient sich aller Klischees, die das Herz unbelehrbarer SED-Genossen erfreuen können. Zwar verkennt er nicht, daß die von ihm so heftig gescholtene Rechtsprechung zur Regierungskriminalität, darunter die Todesschüsse an der Grenze, nur in 289 Fällen zu einer Verurteilung und nur in 203 Fällen zu einer Freiheitsstrafe geführt hat, die meist zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es geht ihm ums Prinzip. Daß auch die Opfer des SED-Staats Ansprüche an die Rechtsordnung haben, interessiert ihn nicht. Ihnen hält er lapidar "So war es nun einmal in der DDR" entgegen. Antifaschismus, Kalter Krieg und Kampf für den Sozialismus rechtfertigen alles.

Oft verläßt ihn auch sein juristischer Scharfsinn, so im Falle seines früheren Mandanten Karl Wilhelm Fricke. Der Journalist Fricke berichtete in den fünfziger Jahren aus West-Berlin über die Entwicklung in der DDR. Das MfS entführte ihn; das Oberste Gericht der DDR verurteilte ihn wegen Spionage. Aus der Tatsache, daß der Bundesgerichtshof 1995 im Verfahren gegen einen von Frickes Richtern wegen Rechtsbeugung in diesem Fall "ungeachtet aller Bedenken . . . Rechtsbeugung für den weit zurückliegenden Tatzeitpunkt nicht zu bejahen" vermochte, zieht Wolff den juristisch tollkühnen Schluß: "Fricke hatte also auch nach BRD-Maßstäben Spionage begangen." Wer solch einen Verteidiger hat, braucht keine Ankläger mehr.

Von ähnlicher Qualität sind Wolffs kurze Überblicke über Rechtsprobleme außerhalb des Strafrechts, zum Beispiel die "politische Säuberung des öffentlichen Dienstes". Man fragt sich, wie denn wohl die DDR im Falle des Zusammenbruchs der Bundesrepublik mit deren Beamten "in hervorgehobener Position" umgegangen wäre. Hätten sie auch mit Erfolg ihre Rentenansprüche vor DDR-Gerichten durchsetzen können? Die Frage stellen heißt sie beantworten. Aber Wolff paßt die ganze Richtung seit 1990 nicht. Zur "Bewältigung der sozialistischen Vergangenheit" zitiert er Wilhelm Busch: "Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber." Mit den Kälbern gemeint sind die Deutschen in der DDR, die den Beitritt zur Bundesrepublik gewünscht und vollzogen haben.

DETLEF KÜHN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Unbelehrbare SED-Genossen dürften an diesem Buch Friedrich Wolffs nach Einschätzung von Detlef Kühn Gefallen finden. Er selbst findet es dagegen eher unerfreulich. Er hält dem Autor, einem der bekanntesten Rechtsanwälte der DDR, vor, mit Klischees zu argumentieren: Das Recht der Bundesrepublik sei der DDR übergestülpt worden, West-Richter seien nach Art von Kolonialherren einmarschiert, ihre Urteile wegen Regierungskriminalität seien völkerrechtswidrig und so weiter. Zwar verkenne Wolff nicht, dass die von ihm so heftig gescholtene Rechtsprechung zur Regierungskriminalität, darunter die Todesschüsse an der Grenze, nur in 289 Fällen zu einer Verurteilung und nur in 203 Fällen zu einer Freiheitsstrafe geführt habe, die meist zur Bewährung ausgesetzt wurde. "Dass auch die Opfer des SED-Staats Ansprüche an die Rechtsordnung haben", so Kühn, "interessiert ihn nicht." Nicht nur in historischer Hinsicht hält der Rezensent das Buch für fragwürdig. Oft verlasse Wollf auch sein juristischer Scharfsinn.

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