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Sie waren Wissenschaftler, Journalisten, Militärs, Politiker, Diplomaten oder Verfassungsschützer, integre Leute mit bundesdeutschem Pass zumeist. Irgendwann in ihrem Leben entschieden sie sich - freiwillig, wohlüberlegt und ohne materielle Vorteile in Aussicht zu haben -, für die geheimdienstliche Aufklärung der DDR gegen die BRD zu arbeiten. Dreißig ehemalige Spitzenquellen im Westen berichten erstmals als Gruppe über ihre Motive, ihre Arbeit und deren Folgen.

Produktbeschreibung
Sie waren Wissenschaftler, Journalisten, Militärs, Politiker, Diplomaten oder Verfassungsschützer, integre Leute mit bundesdeutschem Pass zumeist. Irgendwann in ihrem Leben entschieden sie sich - freiwillig, wohlüberlegt und ohne materielle Vorteile in Aussicht zu haben -, für die geheimdienstliche Aufklärung der DDR gegen die BRD zu arbeiten.
Dreißig ehemalige Spitzenquellen im Westen berichten erstmals als Gruppe über ihre Motive, ihre Arbeit und deren Folgen.
Autorenporträt
Dipl.-Jurist Klaus Eichner, geb. 1939, von 1957-90 Mitarbeiter des MfS, zuerst in der Spionageabwehr, seit 1974 in der Aufklärung (Hauptverwaltung A) tätig. Spezialisierung als leitender Analytiker auf dem Fachgebiet amerikanische Geheimdienste. Von 1987 bis zur Auflösung der HVA Leiter des Bereiches Auswertung/Analyse der Abteilung IX (Gegenspionage) der HVA, letzter Dienstgrad Oberst. 1994/95 Mitarbeit an dem Forschungsprojekt 'Nachrichtendienste in Nordamerika, Europa und Japan - Länderporträts und Analysen' des Forschungsinstituts für Friedenspolitik Weilheim/Obb; Regelmäßige publizistische Beiträge.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2003

Markus und die Spione
Verspätete Werbeschrift der Hauptverwaltung Aufklärung

Klaus Eichner/Gotthold Schramm (Herausgeber): Kundschafter im Westen. Spitzenquellen der DDR-Aufklärung erinnern sich. Mit einem Vorwort von Markus Wolf und Werner Großmann. Edition Ost, Berlin 2003. 383 Seiten, 17,50 [Euro].

Was ist von einem Sammelband zu erwarten, dessen Herausgeber zwei frühere Abteilungsleiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR sind, dessen Vorwort die beiden einzigen Chefs der HVA geschrieben haben und dessen rund dreißig Beiträger von der Verlagswerbung als "Topspione" der HVA empfohlen werden? Richtig: Das Buch ist eine verspätete Werbeschrift für den angeblich besten Geheimdienst im "Kalten Krieg" geworden.

Die Verlagswerbung ist allerdings nur teilweise zutreffend. Bei weitem nicht alle Autoren "berichten über ihre Tätigkeit". Gabriele Gast aus dem Bundesnachrichtendienst weint sich nur über die "Isolationsfolter" aus, der sie angeblich nach ihrer Verhaftung 1990 unterworfen war. Politische Gefangene in der DDR hätten von dieser Art Isolation, die in den "Freigang" mündete, nicht einmal zu träumen gewagt. Auch der Nato-Spion Rainer Rupp unterhält die Leser vor allem mit seinen belanglosen Hafterlebnissen, die ebenfalls mit "Freigang" endeten. Niemand von den wenigen Autoren, die verurteilt wurden, hat seine Haftstrafe voll verbüßen müssen. Dennoch fühlen sie sich vom wiedervereinigten Deutschland ungerecht behandelt.

Über ihre Spionage-Tätigkeit berichten die wenigsten - und auch dann nur das, was bereits bekannt ist. Aber fast alle behaupten, durch ihren Einsatz den Frieden gesichert zu haben. Einzige Ausnahme: Klaus Kuron, der Oberamtsrat aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz, der als "Selbstanbieter" von Markus Wolf als Morgengabe 150 000 DM verlangte und erhielt und danach pro Monat mit weiteren 4000 DM entlohnt wurde. Aber das erfährt man von ihm allenfalls indirekt. Er redet lieber über seinen "Pensionsanspruch" und beklagt das Verfallgeld, das das Gericht gegen ihn verhängt hat. Immerhin betrachtet er in seinem eher unlustig wirkenden Beitrag die Arbeit aller Geheimdienste als "reine Geldverschwendung".

Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Spione im wesentlichen Bundesrepublikaner waren, die zur HVA kamen, um einen Beitrag zur Erhaltung des militärstrategischen Gleichgewichts zu leisten. Solche Motive und ideologische Nähe zur DDR gab es zwar auch. Bei zahlreichen Autoren handelte es sich um DDR-Bürger, die von der HVA gezielt in den Westen geschickt wurden (Hanna Olbricht alias Sonja Lüneburg, Hans-Joachim Bamler, das Ehepaar Inge und Heinz Baude, Dieter Görsdorf und andere). Wolfgang Hartmann, der schon an anderer Stelle über seine Arbeit und ihre hohe moralische Qualität berichtet hat, lebte wohl nie dauerhaft im Westen, sondern war von Fall zu Fall als Werber und Instrukteur westdeutscher Agenten tätig.

So bringen die Erinnerungen für den Fachmann kaum etwas Neues, während sie für den interessierten Laien zuwenig präzise, zu moraltriefend und larmoyant und damit einfach langweilig sind. Wer allerdings, wie der Rezensent, Gelegenheit hatte, den einen oder anderen "Topspion" in seiner aktiven Zeit zu beobachten, liest deren Beiträge dennoch mit Interesse. Das gilt besonders für Herbert Willner, Jahrgang 1926, Mitarbeiter der HVA seit 1959, seit 1961 im "Operationsgebiet", zuerst beim "Spiegel", dann zwanzig Jahre lang als Referent in Bonn in der Bundesgeschäftsstelle der FDP und der parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung tätig. Im September 1985 wurde er wegen einer "Gefahrensituation" in die DDR zurückgerufen. 1990 ging Willner ins Ausland, um der Verhaftung zu entgehen. Nach Eintritt der Verjährung 1995 kehrte er zurück und arbeitete in der Arbeitsgruppe Europapolitik der PDS mit.

Willner schildert mit einigen Episoden seine Kundschaftertätigkeit. Er habe vor allem die Zentrale auf politische Tendenzen aufmerksam gemacht. Niemals habe er "irgendwelche persönlichen Schwächen ausgeforscht oder Charakterbilder (ihm) bekannter Politiker geliefert". Das sei auch nicht von ihm verlangt worden (Warum eigentlich nicht? Aus Anstand?). Vehement wehrt er sich gegen die Unterstellung, er könnte ein Einflußagent gewesen sein. Dafür habe seine Position nicht ausgereicht. Aber genau darin dürfte seine politische Bedeutung begründet gewesen sein. Es traf sich nämlich für die HVA glücklich, daß im Bundesfachausschuß für Außen- und Deutschlandpolitik der FDP nicht nur der Geschäftsführer Willner, sondern bis 1982 auch der Vorsitzende William Borm bei Markus Wolf "angebunden" war. Mit einem gegenüber der Wiedervereinigung feindlichen Zeitgeist im Rücken konnten beide sich als Weichensteller im Interesse der SED-Politik betätigen und haben das auch getan. Dieser Teil der FDP-Deutschlandpolitik ist von der zeitgeschichtlichen Forschung noch nicht untersucht worden.

Noch etwas wird von Willner konsequent verschwiegen: Er hat 1974 geheiratet. Seine Frau war, als er 1970 mit ihr ein Liebesverhältnis begann, Schreibkraft im Bundesministerium der Verteidigung. Nach den Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft hat Willner sie bewogen, sich erfolgreich um einen Wechsel in das Bundeskanzleramt zu bemühen. Hier wurde sie die Vorzimmerdame eines Abteilungsleiters und arbeitete unter Anleitung ihres Mannes der HVA zu. 1985 flüchtete sie mit Willner in die DDR. Vielleicht lag ja die eigentliche Bedeutung des Kundschafters Willner in einem Tätigkeitsfeld, das in dem hier anzuzeigenden Buch zu Unrecht völlig vernachlässigt wird - dem des "Romeos".

DETLEF KÜHN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Detlef Kühn mag dieses Buch überhaupt nicht: Der Fachmann erfährt nichts neues, der Laie wird sich bei der Lektüre diesen "moraltriefenden" und "larmoyanten" Erinnerungen einiger Top-Spione der HVA langweilen, prophezeit er. Die meisten schreiben gar nicht über ihre Tätigkeit in der Aufklärung, beklagt er sich. Gabriele Gast etwa "weint sich nur über die 'Isolationsfolter' aus, der sie angeblich nach ihrer Verhaftung 1990 unterworfen war". Politische Gefangene in der DDR hätten von einer solchen Behandlung, die immerhin im "Freigang" endete, nicht mal zu träumen gewagt, schnaubt unser Rezensent. Interessant findet er eigentlich nur die Geschichte von Herbert Willner, den Kühn offenbar persönlich kannte. Willner war erst beim "Spiegel" und bekleidete später wichtige Posten in der FDP. Hat er dort dazu beigetragen hat, den einer "Wiedervereinigung feindlichen Zeitgeist" in den achtziger Jahren zu fördern? Willner scheint das abzustreiten, aber für den Rezensenten hat sich eine Forschungslücke aufgetan: "Die FDP-Deutschlandpolitik ist von der zeitgeschichtlichen Forschung noch nicht untersucht worden", stellt er fest.

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