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Als Kommissar in Fernsehkrimis verfügt Kurt Neulich über eine gewisse Popularität. Sehr ehrgeizige Pläne hat er zwar nicht, aber immerhin steht er im Frühjahr 1999 in Moskau, Paris und Rom vor der Kamera. Alles läuft wie gewohnt, bis ein Zwischenfall sein ganzes Leben umkrempelt: Auf seinem Flug von Paris nach Rom kollidiert der französische Airbus beinahe mit einem Jagdflugzeug der Bundeswehr. Kurt Neulich wird die Schuld daran zugeschoben, weil er einen CD-Player benutzt hat. Das Verfahren wird merkwürdigerweise niedergeschlagen, ehe es noch richtig begonnen hat. Kurt Neulich schaltet einen…mehr

Produktbeschreibung
Als Kommissar in Fernsehkrimis verfügt Kurt Neulich über eine gewisse Popularität. Sehr ehrgeizige Pläne hat er zwar nicht, aber immerhin steht er im Frühjahr 1999 in Moskau, Paris und Rom vor der Kamera. Alles läuft wie gewohnt, bis ein Zwischenfall sein ganzes Leben umkrempelt: Auf seinem Flug von Paris nach Rom kollidiert der französische Airbus beinahe mit einem Jagdflugzeug der Bundeswehr. Kurt Neulich wird die Schuld daran zugeschoben, weil er einen CD-Player benutzt hat. Das Verfahren wird merkwürdigerweise niedergeschlagen, ehe es noch richtig begonnen hat. Kurt Neulich schaltet einen Journalisten ein, der seinen großen Fall wittert. Die Sache wird öffentlich. Trotzdem bleibt alles beim alten: So sehr sich Neulichs Leben verändert hat, seit er die MIG auf sich zurasen sah, so wenig lässt sich das Netz aus Politik, Geschäft und militärischen Interessen entwirren. Ingo Schramm entwirft das schockierende Panorama einer Gesellschaft, die selbstsüchtig ihren Interessen folg t, während mitten in Europa Krieg geführt wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2000

Die Zumutung der Air-condition
Ingo Schramm fürchtet nicht "Die Feigheit der Fische" · Von Thomas Wirtz

Sülze ist ein ganz besonderer Wurstbelag. Ihr gelingt das Wunder, aus freundlichen Zutaten etwas Unannehmbares herzustellen, den Kopf und Fuß des Schweins so lange einer hygienisch einwandfreien Wertminderung auszusetzen, bis eine schnittfeste Fragwürdigkeit daraus geworden ist. Das Übel liegt im Aspik. Er ist das schlechthin unappetitliche Nichts, ein Füllstoff mit Geltungsdrang. Ursprünglich dazu ausersehen, das Gute im lockeren Verbund zusammenzuhalten, beherrscht seine Nichtigkeit tatsächlich die edleren Teile und trübt erwartete Zungenfreude. Es gibt kein wahres Leben im falschen Aspik. So lehrt diese Selbstvernichtungswurst, wie das Ganze weniger sein kann als die Summe seiner Zutaten, ein Geschmacksunfall für Kostverächter.

Sülze gibt es auch in der Literatur. Ingo Schramms Roman "Die Feigheit der Fische" gehört - trotz allen einzelnen Gelingens - dieser Warensorte leider an, wenn auch gütegesieglt, handwerksprämiert und schön anzusehen. Vieles ist hier verwurstet worden, womit jeder hübsch gedeckte Büchertisch sich schmücken würde. Und doch am Ende: dieses Aspik!

Der Schauspieler Kurt Neulich ist Auslöser einer Kettenreaktion, die Europa und seine Bekannten durcheinanderwirbeln wird. Fernsehdeutschland kennt ihn aus der Rolle des Kommissars Ebersbach, den man sich als einen Derrick ohne Harry vorstellen muß. Ihm bleibt nur ein satzlanger Kommentar, der seinem kriminalgedämpften Leben Halt schenkt: "Das ist aber mal wieder eine Sauerei." So oft hat er diese Worte ins Angesicht der schweigsam zustimmenden Leichen sagen müssen, daß er auch im Alltag nicht mehr von ihnen lassen kann. Mit den Dienstjahren hat sich der Mime seiner Rolle anverwandelt, ein Opfer seines Erfolgs, der ihm nichts bedeutet, solange er dauert. Neulich ist Gefangener seiner Selbstinszenierung, ein Kommissar ohne Dienstschluß, der auch sein Privatleben unter Verdacht stellt. Als verfolgte ihn das heimliche Auge einer Kamera, kann er vom Spiel nicht lassen. Es bedarf einer Katastrophe, um ihn aus dem permanenten Scheinwerferlicht zu ziehen.

"Igors Roulette" heißt sein neuer Film, den die Welt nicht braucht. Am 16. Juni 1999 besteigt er das Flugzeug Richtung Italien, um dort die Dreharbeiten abzuschließen. Irgendwo über dem Mittelmeer sieht er plötzlich ein russisch eingefärbtes Jagdflugzeug auf sich zukommen, nur ein tiefer Sturz kann die Kollision im letzten Moment verhindern. Nach der Landung behauptet die Fluggesellschaft, Neulichs laufender CD-Player habe die Elektronik verwirrt und das Leben der Passagiere gefährdet - von einem zweiten Flugzeug will man nichts wissen. Als man die Angelegenheit überhaupt zum Irrtum erklärt und aus dem Beinahe-Unfall ein Hirngespinst macht, steht Kommissar Ebersbach vor seinem ersten wirklichen Fall: Reality-TV.

Die Untersuchungen verwickeln eine Reihe von Figuren in seine Wahrheits-Obsession, das Rätsel löst einen Staffettenlauf der Ungläubigen und Verdächtigen aus. Jedem von ihnen räumt Ingo Schramm wie in einem Zeugenverhör ein eigenes Kapitel ein. Da ist Monika Löwe, Assistentin eines Regisseurs, für den die Genialität mit der Tyrannei über seine Mitarbeiter beginnt. Neulich hat ein Verhältnis mit ihr, sie auch mit anderen, und beide zusammen wissen keinen Grund für ihren wiederholten Beischlaf. Monikas Schwager ist Jagdflieger, ein Offizier mit Pflichtbewußtsein und Kinderlosigkeit, der nur unter dem Himmel der grenzenlosen Freiheit begegnet. Ferner spielen mit (in Auswahl): ein Journalist, der mit der leibhaftigen Hysterie das Ehebett teilt und die große Story für den Befreiungsschlag aus seinem verwickelten Leben sucht; ein Minister, der trotz Fettleibigkeit über die Fallstricke der Politik hüpft; ein verrückter Wissenschaftler, der im russischen Birkenwäldchen den Fliegertraum mit Wodka befeuert; eine überforderte Pilotin, die . . .

Ingo Schramm ist ein Entdecker wohlschmeckender Zutaten. Mit wenigen Sätzen gelingt es ihm, eine Figur so aus dem unförmigen Nichts der Phantasie herauszuschneiden, daß man sie lektüreweise verschlingen will. Beiläufig treibt er sie in Begegnungen, die fernab der Handlung liegen und ihnen doch allein das Fett der Wirklichkeit anmästen. In diesen geglückten Momenten ist Schramm ein großartiger Schriftsteller, besitzen seine Figuren eine Fülle, aus denen sich Nebenromane herausschneiden ließen. Anders als in seinen früheren Werken - etwa dem bis zur Manieriertheit verspielten Debüt "Fitchers Blau" - mäßigt sich der Stil hier zum beherrschten Ton, der nicht selbst verschrecken will, weil alle Aufmerksamkeit den entblößten Figuren gilt. Sie alle sind beschädigt, und keine nebenher spielende Erzählerstimme will davon ablenken. Fürs Detail gilt: Viele Sätze stimmen, Dialoge treffen den Lebensnerv am Schmerzpunkt, Gesten überzeugen mit ihrer wahrhaftigen Falschheit - doch ein überzeugender Roman will aus all dem Einzelnen nicht werden. Befallen ist die "Feigheit der Fische" vom Aspik-Syndrom, das einen anhaltenden Nachgeschmack ausschließt.

Ingo Schramm hat Figuren ins Romanleben gesetzt, die mehr noch als die Wahrheit eine glaubhafte Geschichte suchen. Was er ihnen an Kolportage zumutet, können selbst diese Opfer medialer Verseuchung nicht verkraften. Die Irrwege der Konstruktion - konspirative Ministertreffen, alkoholisierte Recherchen im Feindesland - gleichen einem Delirium, das am Reißbrett entworfen wurde. Ihr Witz ist kalter Wahn, ihre Kälte die kalkulierte Zumutung der Air-condition. Mutmaßen kann man, daß die Korruption des Filmgeschäfts auch das Figurenbewußtsein verdorben hat, sie das Signal zum Drehschluß verpaßten und nun unabgeschminkt zur Fortsetzung verdammt sind. Die Handlung wäre die reine Ironie, eine absurde Farce der Bekanntschaften, die auf Kosten der ernsthaft verletzten Figuren ihr Spielchen triebe. Eine solche Erzählhaltung, die das beschädigte Leben noch einmal verdoppelt und Medienkritik mit romantischen Reflexionsschleifen drapiert, mag als Vorhaben gut gedacht sein, mißlingt aber in der Ausführung. Das Leiden bleibt, auch wenn es aus grundloser Illusion rührt und in grotesken Eskapaden endet. Aspik ist ironiefrei.

Ingo Schramm: "Die Feigheit der Fische". Roman. Verlag Volk und Welt. 360 S., geb., 42,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Gewandt wie ein Wurstfachverkäufer beginnt Thomas Wirtz, über das Wunder der Sülze zu fabulieren. Dabei haben wir es im Buchtitel mit Fischen zu tun! Und bald ist es nicht mehr zu übersehen: das Metzgerei-Vokabular soll nur besonders betonen, wie schlecht das Buch geschrieben ist. Denn Wirtz mag keine Sülze, in der das Aspik die edleren Zutaten mit seinem aufdringlichen Geschmack verdrängt. Die Geschichte eines Schauspielers, der einen populären Fernsehkommissar verkörpert und sich allzu sehr mit seiner Rolle identifiziert, vom Rezensenten kurz skizziert, klingt tatsächlich etwas dünn. Doch auf einmal lesen wir von "wohlschmeckenden Zutaten" und anderen leckeren Sachen und sind verwundert, weshalb der Kritiker plötzlich so wohlgesonnen ist. Augenreibend liest man sogar das Wortpaar "großartiger Schriftsteller". Aber dann fällt Thomas Wirtz das "Aspik-Syndrom" ein. Es wird also schnell wieder in den Sülztopf geguckt und die Augen verdreht.

© Perlentaucher Medien GmbH"