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In ewiger VerbannungUnter all den Schilderungen aus dem Gulag ragt dieser erschütternde autobiographische Roman einer österreichischen Autorin und Ärztin heraus, die von Anfang an das System Gulag durchschaut und gnadenlos kühl beobachtet, wie ihre Heldin zu überleben versucht, um "das Gedächtnis für alle Zeit zu sein"."Der Name Rohr gehört in jenes Firmament von Schrecken und Schönheit, dessen Fixsterne Franz Kafka und Primo Levi, Jorge Semprun und Warlam Schalamow heißen. Angela Rohrs Stern ist kleiner. Aber er leuchtet in der gleichen hellen Unerbittlichkeit." Elke Schmitter, DER SPIEGELAls…mehr

Produktbeschreibung
In ewiger VerbannungUnter all den Schilderungen aus dem Gulag ragt dieser erschütternde autobiographische Roman einer österreichischen Autorin und Ärztin heraus, die von Anfang an das System Gulag durchschaut und gnadenlos kühl beobachtet, wie ihre Heldin zu überleben versucht, um "das Gedächtnis für alle Zeit zu sein"."Der Name Rohr gehört in jenes Firmament von Schrecken und Schönheit, dessen Fixsterne Franz Kafka und Primo Levi, Jorge Semprun und Warlam Schalamow heißen. Angela Rohrs Stern ist kleiner. Aber er leuchtet in der gleichen hellen Unerbittlichkeit." Elke Schmitter, DER SPIEGELAls die namenlose deutsche Ich-Erzählerin 1942 in ein Lager des Gulag gebracht wird, gerät sie in eine Welt jenseits aller Normalität. Von nun an ist Rechtlosigkeit das einzige Gesetz. Sie wird als Ärztin in Lazaretten arbeiten, fast ohne Medikamente, ohne brauchbare Instrumente. Hunger und Kälte ist sie ebenso ausgeliefert wie der erbarmungslosen Lagerhierarchie. Als ihre völlig ungerechtfertigte Strafe abgebüßt ist, erwartet sie die "ewige Verbannung" - eine andere Art von Unfreiheit, nicht weniger demütigend und gefahrvoll. Eine Drachenhaut aus Gefühlskälte soll sie schützen, doch die bekommt Risse, wenn unter dem Hass und der Niedertracht ringsum manchmal Reste von Zuneigung und Hilfsbereitschaft aufleuchten. - Angela Rohr hat mit diesem bereits 1964 geschriebenen autobiographischen Roman ein grandioses Dokument des Überlebenswillens unter düstersten Umständen hinterlassen.
Autorenporträt
Rohr, Angela
Angela Rohr, geboren 1890 in Znaim/Mähren, gehörte zur Zürcher Dada-Szene, ging 1925 mit ihrem Ehemann nach Moskau. 1941 verhaftet, wurde sie zu 5 Jahren Gulag verurteilt. Sie war im Lager Ärztin und wurde anschließend verbannt. 1957 rehabilitiert, kehrte sie nach Moskau zurück, wo sie 1985 starb. 2010 erschien postum "Der Vogel", die aufsehenerregende Sammlung ihrer Erzählungen und Reportagen.

Bey, Gesine
Gesine Bey, geboren 1953, promovierte über Robert Musil und war Dozentin für deutsche Literaturgeschichte an der Berliner Humboldt-Universität, lebt als freie Autorin und Herausgeberin in Berlin.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

In festen Stücken ausgeteilter Brei, blutige Soldatenkleidung, die zu Röcken umgenäht wird, das Schuhwerk "entschieden etwas Abgeschnittenes": Absurde Details beschreiben den entsetzlichen Alltag im sibirischen Straflager in diesem erstmals textgetreu veröffentlichten autobiografischen Roman der österreichischen Autorin Angela Rohr. 1890 in Mähren geboren arbeitete sie zunächst als Ärztin, Psychoanalytikern und Schriftstellerin. Zwischen den Weltkriegen wechselte sie zwischen Wien, Berlin und Paris. Sie begann als expressionistische Autorin und war eine Freundin Rilkes. Mit ihrem dritten Ehemann, Wilhelm Rohr, Mitglied der KPD, ging sie nach Moskau, wo sie Artikel für deutsche Zeitungen verfasste. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht 1941 wurde sie der Spionage verdächtigt und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Ihre Zeit in den Lagern Nischni Tagil und Tawda beschreibt sie in diesem Buch. Mal im Lazarett, eingepfercht mit Totkranken, ohne Penizillin oder Schmerzmittel, mal im Schlitten unterwegs durch die sibirische Nacht zu verwahrlosten Patienten. Ihre Texte zeigen die dunkle Realität der Gulags und lesen sich wie eine Mahnung: Menschlichkeit ist unter Menschen nicht selbstverständlich, man muss dafür kämpfen, dass die Welt human bleibt.

© BÜCHERmagazin, Nicole Trötzer

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2016

Schierling war besser als der Hunger
Ewig verbannt: Die erschütternden GULag-Erinnerungen der Ärztin und Schriftstellerin Angela Rohr

Angela Rohr war vieles: Ärztin und Schriftstellerin, Bohemienne, Psychoanalytikerin und Journalistin. Sie war mehrfach verheiratet und liebte es, Legenden über sich in Umlauf zu bringen. Rilke, dem sie auftischte, sie wäre adeliger Herkunft, war beeindruckt. In ihrem autobiographischen Roman "Lager" lernt man Angela Rohr noch von einer ganz anderen Seite kennen: als nüchterne Chronistin eines schier unerträglichen Lageralltags, in dem sie über ihre eigene Verzweiflung schweigt und die Schicksale anderer in den Mittelpunkt stellt. Aber auch in diesem erschütternd zurückhaltenden Bericht spürt man ihre persönliche Stärke und Willenskraft, ohne die sie der Vernichtung durch Arbeit, Hunger und Kälte während sechzehn Jahren Lagerhaft wohl kaum entkommen wäre.

Geboren 1890 in Mähren als Tochter eines Schaffners, verließ die Siebzehnjährige ihr Zuhause mit dem Ziel, Medizin zu studieren. In Zürich gehörte sie später zur Dadaisten-Szene, publizierte Erzählungen, pflegte Kontakte zur Boheme in Berlin und Paris und ging Mitte der zwanziger Jahre mit dem Sozialisten Wilhelm Rohr, ihrem dritten Mann, nach Moskau. Von 1928 an berichtete sie als Korrespondentin der "Frankfurter Zeitung" aus der UdSSR. Als 1941 die Wehrmacht einmarschierte, wurden die Rohrs in Moskau inhaftiert. Nach der Verurteilung zu Haft und Deportation in den GULag arbeitete Angela Rohr dort meist als Ärztin.

Verzögert durch die Kriegswirren, traf sie erst 1943 in Nischnij Tagil im Ural ein, einem Ort, der heute für seine Skisprungschanzen bekannt ist. Lakonisch hält sie fest, dass ihr bereits beim Transport die Zehen eines Fußes abfroren. Im Lager begegnete ihr ein buntes Völkergemisch: Russen, Deutsche, Koreaner, Perser, Kalmücken, Armenier, Letten, Mandschuren, Juden. Viel konnte sie nicht tun für ihre Patienten, die wie sie selbst nur Brot und Brei erhielten und an chronischer Unterernährung litten. Medikamente gab es kaum. So hatten viele ihrer Therapien eher psychologische Funktion. Jedoch leistete sie als Medizinerin Pionierarbeit und rettete Hunderten das Leben. Viele halbverhungerte Häftlinge hatten vom giftigen Wasserschierling gegessen, der am Lager üppig wucherte.

Eine Zeitlang war Angela Rohr für das Putzen der Kloaken zuständig oder musste blutüberströmte Soldatenmäntel zerreißen, die direkt von der Front angeliefert wurden. Auch war sie eine Zeitlang für die Abteilung weiblicher Gefangener und junger Mütter zuständig. 1949 hatte Rohr ihre Strafe verbüßt. Doch man teilte ihr mit, dass sie als Deutsche "ewig verbannt" sei. Sie erlebte noch mit, wie die Kriegsgefangenen aus Westdeutschland Anfang der fünfziger Jahre nach Hause reisen durften, während die Soldaten aus Ostdeutschland - das schon zur "befreundeten" DDR geworden war - noch Jahre auf ihre Freilassung warten mussten. Nach ihrer Rehabilitierung 1957 lebte Angela Rohr bis zu ihrem Tod 1985 in Moskau, wo sie für medizinische Dienste ein bescheidenes Honorar nahm. Das Manuskript zu ihrem autobiographischen Lagerroman bewahrte eine Mitarbeiterin der luxemburgischen Botschaft auf. Ihren Mann Wilhelm hat Angela Rohr nie wiedergesehen; er soll bereits 1942 im GULag gestorben sein.

JUDITH LEISTER

Angela Rohr: "Lager". Roman.

Aufbau Verlag, Berlin 2015. 445 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Durch ihren bewegenden autobiografischen Roman "Lager" lernt Judith Leister die schillernde Ärztin, Schriftstellerin, Bohemienne, Psychoanalytikerin und Journalistin Angela Rohr von einer ganz anderen Seite kennen. Mit erstaunlicher Nüchternheit notiere Rohr hier ihre Erfahrungen aus sechzehn Jahren Lagerhaft im Gulag, informiert die Kritikerin, die kaum etwas über Rohrs eigene Verzweiflung, dafür umso mehr von den Schicksalen der ebenfalls inhaftierten Russen, Deutschen, Koreaner, Perser, Kalmücken, Armenier, Letten, Mandschuren und Juden erfährt. Leister liest, wie die Autorin Kloaken putzt und sich vornehmlich psychologisch um die Mitinhaftierten kümmert und bewundert nicht zuletzt die Willenskraft und Stärke, mit der Rohr Hunger, Kälte und Arbeit übersteht.

© Perlentaucher Medien GmbH
» [...] in diesem erschütternd zurückhaltenden Bericht spürt man [Angela Rohrs] persönliche Stärke und Willenskraft [...] « Judith Leister Frankfurter Allgemeine Zeitung 20160524