Produktdetails
  • Verlag: Dietz, Berlin
  • Seitenzahl: 317
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 416g
  • ISBN-13: 9783320020200
  • ISBN-10: 332002020X
  • Artikelnr.: 24631065
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2001

Fader Nachgeschmack
DDR-Gerichtsreporter Rudolf Hirsch über Auschwitz und Lischka

Rudolf Hirsch: Um die Endlösung. Prozeßberichte. Karl Dietz Verlag, Berlin 2001. 317 Seiten, 39,80 Mark.

In Rudolstadt (Thüringen) erschienen 1982 die ersten Berichte von Rudolf Hirsch über den Auschwitz-Prozeß und den Lischka-Prozeß. Wenn man dem Klappentext seines Buches folgt, vermittelte der aus der DDR angereiste Gerichtsreporter Hirsch "in seinen authentischen Berichten ein erschütterndes Bild von der Unmenschlichkeit faschistischer Massenmörder und von westdeutscher Rechtsprechung". Ohne diesen Text, aber mit gleichlautendem Titel und nach wie vor vulgärmarxistischem Tenor wird das Buch jetzt neu aufgelegt, geringfügig angereichert durch Berichte über den zweiten Auschwitz-Prozeß und den Majdanek-Prozeß gegen ehemalige SS-Angehörige.

In der Einführung zu beiden Büchern werden "die Wurzeln des alten und des neuen Judenhasses" vorwiegend im selben Nährboden gesehen: in den wirtschaftlichen Interessen und in der "Ideologie des deutschen Monopolkapitals". Neuere Erkenntnisse der Antisemitismus- und NS-Forschung scheinen dem Autor ebenso entgangen zu sein wie dem Lektorat des Verlags. Wie ehedem werden die KZ-Wachmannschaften als Agenten des "Monopolkapitals" qualifiziert. Der gleiche Vorwurf gilt den meisten Strafverteidigern der vor westdeutschen Gerichten angeklagten "SS-Offiziere".

Die vom NS-Regime ideologisch gewollten und politisch durchgesetzten Unterschiede zwischen SS-Führern und Wehrmachtsoffizieren verschwinden in der Diktion des Autors. Der Autor irrt, wenn er den sogenannten Totenkopfverbänden in den Konzentrationslagern "SS-Offiziere" zuordnet. Manche SS-Führer gaben sich freilich nach 1949 gern als "Offiziere" aus, um dann mit Hilfe der Rechtsbestimmungen zu Artikel 131 Grundgesetz Versorgungsansprüche zu begründen.

Der Titel des Buches vernachlässigt nicht nur den euphemistischen Sprachgebrauch des Regimes für die Vernichtung der europäischen Juden, er ist auch schlicht irreführend: Die Vorgeschichte und Entschlußbildung zum Holocaust vermißt man im Buch. Die Berichte über die einzelnen Prozesse und die Prozeßbeteiligten entbehren unabhängig-kritischer Analyse und sachkundiger Beurteilung. Sie dienen vorwiegend als Anklage gegen die bundesrepublikanische Justiz und Exekutive. Der Autor will vornehmlich entlarven und denunzieren.

Schließlich ist noch bemerkenswert, daß der Klappentext zur Neuauflage die Herkunft des Autors aus "einer wohlhabenden jüdischen Krefelder Kaufmannsfamilie" betont und sein "Werk" als "eine unersetzbare erinnernde und mahnende Stimme" preist, während sich die Erstausgabe aus DDR-Produktion aller Angaben zur Vita des Autors enthält. Es drängt sich die Frage auf, warum Religionszugehörigkeit und Herkunft des Autors zu DDR-Zeiten nicht erwähnenswert schienen - und 20 Jahre später um so mehr akzentuiert werden. Potentielle Antworten reichen von latent antisemitischen Vorbehalten in der DDR gegenüber jüdischen Autoren bis zu merkantilistischen Beweggründen des Verlags in der Gegenwart. Sie hinterlassen beim kritischen Leser einen faden Nachgeschmack.

HANS-JÜRGEN DÖSCHER

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

An der Neuauflage dieses bereits 1982 einmal erschienenen Buches des DDR-Journalisten Rudolf Hirsch kann Hans-Jürgen Döscher nichts Gutes lassen. Nicht nur stört ihn der "vulgärmarxistische Tenor", in dem hier allein wirtschaftliche Interessen und die 'Ideologie des deutschen Monopolkapitals' für den Antisemitismus verantwortlich gemacht würden. Neuere Forschungen zur nationalsozialistischen Judenvernichtung ignoriere der Autor schlichtweg, aber anscheinend auch das Verlagslektorat. Die Vorgeschichte der Endlösung finde sich entgegen der Suggestion des Buchtitels gar nicht. Auch könne bei den Berichten über den Auschwitz- und den Lischka-Prozess von "unabhängig-kritischer Analyse und sachkundiger Beurteilung" nicht die Rede sein. Das vornehmliche Interesse des Autors sieht Döscher dagegen in Entlarvung und Denunziation. Daneben findet der Rezensent bemerkenswert, dass der Verlag nun - anders als der ehemalige ostdeutsche Verlag - die jüdische Herkunft des Autors im Klappentext so besonders hervorhebt. Das hinterlasse einen faden Nachgeschmack.

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