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Von 1997 bis 2000 arbeitete Caroline Piketty in einem vom französischen Staat neu geschaffenen Zentrum, das die historischen Dokumente über die Enteignung und Verfolgung der Juden während des Vichy-Regimes öffentlich zugänglich macht. Piketty war zuständig für die Annahme und Bearbeitung der Anfragen und berichtet mit einer berührenden Zartheit von den Lebensgeschichten, denen sie täglich begegnete.

Produktbeschreibung
Von 1997 bis 2000 arbeitete Caroline Piketty in einem vom französischen Staat neu geschaffenen Zentrum, das die historischen Dokumente über die Enteignung und Verfolgung der Juden während des Vichy-Regimes öffentlich zugänglich macht. Piketty war zuständig für die Annahme und Bearbeitung der Anfragen und berichtet mit einer berührenden Zartheit von den Lebensgeschichten, denen sie täglich begegnete.
Autorenporträt
Uli Aumüller ist Übersetzerin, Journalistin und Filmemacherin. Seit 1978 übersetzt sie Belletristik, Hörspiele, Drehbücher, Theaterstücke aus dem Französischen und Englischen, u.a. Jean-Paul Sartre, Albert Camus, Milan Kundera und Siri Hustvedt. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane Scatcherd-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.08.2007

Vom Entsetzen angesprungen
Caroline Pikettys „Ich suche die Spuren meiner Mutter”: Eine französische Archivarin begegnet Shoah-Überlebenden
Sie sei nur Zeugin von Momentaufnahmen, behauptet Caroline Piketty ganz zu Beginn ihres Buches. Die Archivarin, Absolventin der Ecole nationale des chartes, gehörte der vom damaligen Premier Alain Juppé berufenen Mattéoli-Kommission an, die von 1997 bis 2000 die Enteignungen der französischen Juden durch die deutschen Besatzer sowie das Vichy-Regime untersuchte. Lange hatten die Franzosen gebraucht, die Aufarbeitung dieses schwierigen Kapitels ihrer Geschichte konsequent anzugehen. Erst 1995 bekannte sich Jacques Chirac als erster Staatspräsident zur Mitverantwortung der Franzosen und des französischen Staates am Schicksal der französischen Juden. Im Folgenden wurden Forschungsaufträge wie der der Mattéoli-Kommission vergeben, 1998 die Kriegsakten öffentlich zugänglich gemacht, ein Jahr später eine neue Entschädigungskommission eingerichtet.
Zu Pikettys Aufgaben zählten Empfang und Einweisung der Besucher des Pariser Nationalarchivs, in dessen Magazinen die fraglichen Akten lagern. Von eben dieser Arbeit handelt auch ihr Buch „Ich suche die Spuren meiner Mutter”. In 42 kurzen Kapiteln protokolliert sie darin ihre Begegnungen mit Überlebenden der Shoah und Angehörigen von Opfern. Dabei ist sie weit mehr als eine Zeugin von Momentaufnahmen: Sie porträtiert die Suchenden – „verwirrte, eingeschüchterte, zögerliche oder vor lauter Selbstschutz arrogante Leute, die gegenüber den neu aufsteigenden, wieder lebendigen, konkreten Erinnerungen völlig verloren sind, die vom lange verdrängten Entsetzen angesprungen werden”, wie der Schriftsteller und Übersetzer Georges-Arthur Goldschmidt in seinem einfühlsamen Vorwort schreibt. Sie fasst deren Lebensgeschichten zusammen, ordnet sie in ihren historischen Kontext ein, zitiert aus den Akten und informiert über die Arbeit der Archivare.
Es sind Geschichten im Präsens einer immer gegenwärtigen Vergangenheit: „Ich komme aus Auschwitz und möchte wissen, warum mein Vater erschossen wurde, während ich weg war”, fragt eine Dame. Und ebenso sind es Geschichten der Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, die oft im Unsicheren verbleiben müssen: „Diese Recherchen sind die quälendsten”, hält Piketty fest. Denn: „In diesem Leid gibt es einen nie festliegenden Anteil von Leben und Tod.”
Gegen Ende des Buches reflektiert die Autorin einige Risiken, die sie mit seiner Abfassung eingegangen ist, dazu gehören etwa die unterlassene Analyse des Begriffs der Wiedergutmachung. Dabei bleibt ein Aspekt jedoch ausgespart: die Form des Textes. Im Unterschied zur Literatur bedient sich die Historiographie immer wieder der Terminologie der Verbrecher, um möglichst genau von der Shoah zu berichten. Dieser Problematik unterliegt auch Piketty, auch sie muss von „Deportationen” schreiben, ohne deren Bedeutungsumfang fassen zu können. So reproduziert sie bisweilen unreflektiert die grauenvoll nüchterne Sprache der nationalsozialistischen Bürokratie: „Nur Selbständige, Eigentümer eines Betriebs oder einer Wohnung wurden Gegenstand einer Arisierung”, heißt es an einer auch im Französischen so lautenden Stelle.
Allerdings findet Piketty einen überzeugenden Weg, dieser Problematik zu begegnen: Sie markiert von Beginn an den eigenen Standpunkt, gibt gar nicht erst vor, neutral zu sein. Vielmehr erzählt sie immer wieder von der eigenen Voreingenommenheit, den eigenen Gefühlen. Sie kommentiert und deutet das Verhalten ihrer Gesprächspartner, sie gesteht eigene Fehler ein und unterschlägt auch nicht das Glücksgefühl, wenn sie ausnahmsweise ein Lebenszeichen weitergeben konnte. Es ist diese Aufrichtigkeit, die die humane Qualität des Textes ausmacht und den Suchenden eine Stimme gibt. NICO DANIEL SCHLÖSSER
CAROLINE PIKETTY: Ich suche die Spuren meiner Mutter. Aus dem Französischen von Uli Aumüller. Mit einem Vorwort von Georges-Arthur Goldschmidt. Nagel & Kimche, Zürich 2007. 158 Seiten, 12,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Berührt zeigt sich Nico Daniel Schlösser von Caroline Pikettys Buch über Begegnungen mit Überlebenden des Holocausts und Angehörigen der Opfer, die sie als Archivarin des Pariser Nationalarchivs zwischen 1997 und 2000 empfing, um sie bei der Suche nach Akten über Enteignung und Verfolgung während des Vichy-Regimes zu unterstützen. Er sieht in Piketty mehr als nur eine "Zeugin von Momentaufnahmen", wie sie sich selbst beschreibt. Sie fasse die Lebensgeschichten der Suchenden zusammen, ordne sie in ihren historischen Kontext ein, zitiere aus den Akten und informiere über die Arbeit der Archivare. Besonders unterstreicht er die subjektive Note von Pikettys Berichten und ihre Aufrichtigkeit, "die die humane Qualität des Textes ausmacht und den Suchenden eine Stimme gibt".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Es ist diese Aufrichtigkeit, die die humane Qualität des Textes ausmacht und den Suchenden eine Stimme gibt." Nico Schlösser, Süddeutsche Zeitung, 27.08.07
"Ein kleines, berührendes Buch." Susanne Mayer, Die Zeit, 27.09.07